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Hamburg:
Ole, komm bald wieder!

Der rechte Hamburger Senat ist gescheitert, doch die Politik gegen gesellschaftliche Randgruppen dürfte fortgesetzt werden...

Guido Sprügel

Der Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gibt sich selbstsicher. »Unser erstes Wahlziel ist die absolute Mehrheit der CDU«, sagt er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Über die zweijährige Arbeit des von ihm geführten rechtspopulistischen Senats verliert er keine schlechten Worte: »Inhaltlich hat dieser Senat sehr gute Arbeit geleistet. Hamburg ist sicherer als zuvor, hat 1 000 neue Polizisten und 15 weitere Staatsanwälte. Die Kriminalitätsrate ist im letzten Jahr um 16 Prozent gesunken.«

Nach solch einem Fazit fragt man sich nur, warum knapp zwei Jahre nach der Bürgerschaftswahl die Hamburger Koalition aus der CDU, der FDP und der Schill-Partei am Dienstag vergangener Woche endgültig platzte. Neuwahlen werden voraussichtlich am 29. Februar kommenden Jahres stattfinden.

Die Regierungszeit der rechtspopulistischen Koalition war vor allem davon geprägt, dass soziale Projekte zerschlagen und Randgruppen kriminalisiert wurden und die Zahl der Abschiebungen stark angehoben wurde. Das vorläufige Ende des »unwürdigen politischen Kasperletheater mit zum Teil psychopathischen Zügen«, wie von Beust den Stil seines Koalitionspartners Ronald Schill am Ende bezeichnete, war dessen Drohung, den Haushaltsentwurf 2004 zu kippen. Von Beust zog die Notbremse. Oder änderte die Taktik.

Von Anfang an hatte Beust gewusst, was ein Bündnis mit Schill bedeuten würde. Dieser hatte schon immer eine rigide Politik von Law and Order gefordert. Doch inhaltlich hatte Beust keine Probleme mit ihm. Und er brauchte ihn, um nach Jahrzehnten die SPD zu entmachten.

Selbst konservative Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung werfen von Beust inzwischen aber vor, durch die Koalition mit Schill »Hamburgs Ruf« geschadet zu haben. Denn schon bald nach dem Amtsantritt der rechten Regierung begannen die Querelen. Schill trieb sich auf Partys herum, stand im Verdacht zu koksen, trug einen Revolver in der Tasche und war selten in seinem Büro anzutreffen.

Und doch hielt sich von Beust zurück. Zu ungewiss waren die Folgen eines möglichen Scheiterns der Koalition für seinen Machterhalt. Nun aber, da er in den Umfragen besser abschneidet und die CDU vom schlechten Ruf der rot-grünen Bundesregierung profitiert, wagt er den Bruch.

Vielleicht ist sein Vorbild ja Wolfgang Schüssel. Der hatte sich im Jahr 2000 auch aus einer Minderheitenposition heraus von einer rechtspopulistischen Partei, nämlich von Jörg Haiders FPÖ, zum österreichischen Bundeskanzler wählen lassen. Auch in Österreich sorgten die Rechtspopulisten für viel Wirbel und drohten, dem »Ansehen« des österreichischen Staates zu schaden. Aber erst im November 2002, als die ÖVP in den Umfragen besser bewertet wurde, erwog Schüssel Neuwahlen. Der Coup gelang. Die ÖVP wurde stärkste Partei und die FPÖ verlor rund 17 Prozent der Stimmen. So zähme man erfolgreich Rechtspopulisten, hieß es. Dass diese jedoch die Politik bei diesem Zähmungsprozess nachhaltig veränderten, darüber sah man gerne hinweg.

Kai Seligmann vom Jugendhilfeträger Woge, der auch Wohngruppen für minderjährige Flüchtlinge anbietet, glaubt nicht, dass sich die Politik gegen Minderheiten in Hamburg ändern wird. »Der rechte Senat hat nur exekutiert, was Rot-Grün vorher ausgetüftelt hat. Lediglich die Geschwindigkeit mancher Maßnahmen könnte sich mit einem neuen Senat etwas verlangsamen.«

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) blickt nicht gerade optimistisch in die Zukunft. Sie protestiert vor allem gegen das Lehrerarbeitszeitmodell in Hamburg, da sie darin eine versteckte Arbeitszeiterhöhung sieht. »Schlimmer kann es nicht kommen«, sagt der Geschäftsführer der GEW, Peter Göbel. Die Forderungen der Gewerkschaft fasst er so zusammen: »Das Lehrerarbeitszeitmodell muss modifiziert, die Privatisierung der Berufsschulen muss aufgegeben und die Kita-Versorgung muss besser werden!« Insgesamt überwiegen bei der GEW die Befürchtungen.

Im Bereich der Drogenhilfe hatte Schill als Innensenator Abhängige in Randgebiete vertreiben und durch Polizeirazzien mürbe machen lassen. Auch gegen Hilfseinrichtungen ging er vor. Jüngstes Opfer war die Einrichtung Fixstern im Schanzenviertel, die eigentlich Ende November schließen sollte. Die Mitarbeiter besetzten das Zentrum und halten den Betrieb bis heute aufrecht. »Olaf Scholz von der SPD hat die Brechmittel eingeführt, und die SPD wird auch in der nächsten Wahl weiter nach rechts rutschen«, glaubt eine Mitarbeiterin und Besetzerin des Fixsterns.

Die Leute von der vertriebenen Wagenburg Bambule sehen das ähnlich. Ihre Sprecherin Silke Weinrich begrüßt zwar das Ende des Senats. Doch grundsätzlich sieht auch sie keine Änderung der »Politik der Vertreibung von unerwünschten Elementen« kommen. Die Ausgrenzung der Minderheiten und nicht konformen Menschen werde weitergehen.

Die SPD tut unterdessen alles, um diese Prognose wahr zu werden zu lassen. Bereits kurz nach dem Ende des Senats betonte der Spitzenkandidat der Partei für die Bürgerschaftswahl, Thomas Mirow, dass die SPD in zwei Jahren Opposition an Profil gewonnen habe. Besonders im Bereich der inneren Sicherheit.

Jungle World
Jungle World Nummer 52 vom 17.12.2003

kt / hagalil.com / 2003-12-17

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