Zufriedene Gesichter bei den Bundesanwälten und zwei Dutzend Polizeibeamten.
Überraschend verurteilte gestern der Erste Strafsenat des Kammergerichts Berlin
die Neonaziband "Landser" als "kriminelle Vereinigung". Damit wurde erstmals in
Deutschland eine rechtsextreme Musikgruppe nach Paragraf 129 des
Strafgesetzbuches und nicht lediglich wegen Propagandadelikten verurteilt. Drei
Jahre und vier Monate Haft verkündete der Vorsitzende Richter Wolfgang Weißbrodt
für den Hauptangeklagten und "Rädelsführer", den 38-jährigen Michael R. Mit
Bewährungsstrafen kamen R.s Mitangeklagte davon: Der 37-jährige Tischler Andre
M. und der 28-jährige Christian W. wurden zu 21 und 22 Monaten Freiheitsstrafe
mit vierjähriger Bewährung verurteilt. Als das Gericht verkündete, W. und M.
müssten zusätzlich 90 Stunden gemeinnützige Arbeit in jüdischen und
migrantischen Vereinen leisten, brachen auf den Zuschauerbänken zwei Dutzend
Neonazis in Gelächter aus. Das Gericht ordnete zudem die Beschlagnahme von
jeweils rund 5.000 Euro bei allen drei Angeklagten an - Profite aus den letzten
beiden CD-Projekten.
Erst durch die sinnliche Wahrnehmung der Musik und der Zuschauer, die beim
Abspielen der "Landser"-Lieder im Gerichtssaal stumm mitgesungen hätten, sei dem
Senat - der die Paragraf-129-Anklage zunächst abgewiesen hatte - die
aufpeitschende Wirkung der Musik deutlich geworden, betonte Richter Weißbrodt.
Ziel der Band sei es gewesen, "rechtsradikal propagandistisch auf die Jugend
Deutschlands einzuwirken, um Hass und Emotionen zu verbreiten".
Die Bundesanwaltschaft hatte die Ermittlungen gegen die "Terroristen mit
E-Gitarre", wie sich das "Landser"-Trio gerne selbst bezeichnete, vor fast vier
Jahren eingeleitet. Damals waren in der mecklenburgischen Kleinstadt Eggesin
zwei Vietnamesen von jugendlichen Neonazis fast totgeschlagen worden, und die
Bundesanwaltschaft übernahm die Anklagevertretung. Die Angreifer sagten vor
Gericht aus, sie hätten beim Zuschlagen den "Landser"-Text "Fidschi, Fidschi,
gute Reise" gesungen.
"Landser" hatten da längst über die neonazistische Szene hinaus Kultstatus.
Keine einzige der fünf "Landser"-CDs mit Titeln wie "Deutsche Wut - Rock gegen
oben" oder "Ran an den Feind" kann legal im Plattenladen erworben werden.
Experten schätzen, dass trotzdem in Deutschland rund 100.000 "Landser"-Tonträger
im Umlauf sind - die Mehrheit davon Raubkopien, die bei Klassenfesten ebenso
gespielt werden wie in städtischen Jugendclubs. Die Ursprungsbesetzung der Band
hatte sich 1992 aus der Berliner Neonazirockergruppe "Vandalen" gegründet. In
einem Ostberliner Jugendclub hatte ein Sozialarbeiter sein Schlagzeug zur
Verfügung gestellt - offensichtlich in der Hoffnung, seine Klienten mit
"akzeptierender Sozialarbeit" auf den rechten Pfad zu bringen.
Es sind die Jahre 1992 und 1993: In Rostock-Lichtenhagen wird ein Heim
vietnamesischer Vertragsarbeiter unter dem Beifall von tausenden von Zuschauern
durch militante Neonazis und Jungskins in Brand gesetzt. Türkische Migranten
sterben in Mölln und Solingen bei Brandanschlägen. Und "Landser" verbreiten auf
einem Demotape Lieder wie "Berlin bleibt deutsch" und "Schlagt sie tot".
In den folgenden Jahren produzierten "Landser" ihre CDs fast komplett im
Ausland, um den deutschen Strafverfolgern zu entkommen: Bei Gesinnungsgenossen
in Schweden und den USA, in Presswerken in Dänemark und Alabama und in
polnischen Druckereien. Ein Netz von Zwischenhändlern - die meisten einschlägig
bekannte Neonazis aus dem Netzwerk von "Blood & Honour" - belieferte die
Szeneläden und -versände. Rund 30.000 originale "Landser"-CDs kamen so auf den
europäischen Markt. Mit dabei: ein V-Mann des brandenburgischen
Verfassungsschutzes, der die Cover der "Landser"-CD "Ran an den Feind" in Polen
drucken ließ.
Im Februar 1999 verblutet der algerische Asylsuchende Faird Guendoul in Guben
nach einer rassistischen Hetzjagd. Im Auto der Naziskins lief das "Afrika-Lied"
von "Landser". Im Juni 2000 stirbt im Dessauer Stadtpark der Mosambikaner
Alberto Adriano - zu Tode getreten von Naziskins; in deren Walkman: das
"Afrika-Lied" von "Landser".
Die Angeklagten seien "nicht frei von Verantwortung" für solche Gewalttaten,
hielt Richter Weißbrodt den Angeklagten nun vor.
Von dem Urteil erhofft sich Bundesanwalt Lampe eine präventive Wirkung: Es
werde "richtungsweisend sein in der Bekämpfung des Rechtsextremismus". Denn das
Gericht hatte in seiner Urteilsbegründung die Schutzzwecke des Paragrafen 129
erstmals auch auf die Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch
Rechtsextremisten ausgedehnt. Der Verteidiger von Michael R. kündigte Revision
beim Bundesgerichtshof an. Sein Mandant ließ sich derweil von vermummten
"ariogermanischen Kämpfern" der Berliner Neonazirocker "Vandalen" trösten.