Rechtsrock:
Böse Menschen haben ihre Lieder
Verbote sind eine stumpfe Waffen gegen Rechtsextremisten.
Anklagen nach Paragraf 129 scheinen schärfer zu wirken...
Heike Kleffner
"Landser" haben erst mal ausgespielt, doch das Geschäft mit
neonazistischer Hassmusik boomt weiterhin. Die Hoffnung, mit dem Verbot des
international agierenden Neonazimusiknetzwerkes "Blood & Honour" in Deutschland
werde die Szene getroffen, hat sich nach Ansicht von Experten nicht bestätigt.
Im Gegenteil. Knapp drei Jahre nach dem Verbot von "Blood & Honour" haben
Ermittler und Staatsanwaltschaften gut funktionierende Nachfolgestrukturen
entdeckt.
Die jüngsten Alarmsignale kommen aus Thüringen. Bei zwei
Dutzend Rechtsextremisten in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen
durchsuchten Fahnder am 25. November Wohnungen und Läden. Der Anlass: eine CD
mit dem unmissverständlichen Titel "Blood & Honour - trotz Verbot nicht tot",
eingespielt von den NS-Black-Metal-Bands namens "Eugenik" und "Totenburg" aus
Gera. Bei der dortigen Staatsanwaltschaft heißt es, die CD sei in einer Auflage
von einigen tausend Stück bei einem Presswerk im Ausland produziert worden.
Zudem bestehe der Verdacht, dass die Bands auch "Blood & Honour" unterstützen.
Folglich werde nicht allein wegen Propagandadelikten, sondern auch wegen
Verstoßes gegen das Vereinsgesetz ermittelt.
Während sich die Waffenfunde mit Messern und Munition für
Schusswaffen bei dieser Razzia im szeneüblichen Rahmen hielten, machten die
Fahnder Anfang November in Schleswig-Holstein einen größeren Fang. Bei einer
Razzia gegen "Combat 18 Pinneberg" fanden sie Anleitungen zum Bau von
Sprengsätzen und personenbezogene Steckbriefe. Die Neonazis hatten Dossiers über
mehr als 20 Politiker und Personen des öffentlichen Lebens erstellt. Auch in
Norddeutschland vermuten die Fahnder eine Fortführung der Aktivitäten von "Blood
& Honour". "Combat 18 Pinneberg", wie sich die rund 20-köpfige Gruppe aus
ehemaligen B-&-H-Aktivisten und Nachwuchsrechten nannte, wollte offenbar die
komplette Kontrolle über den Markt mit indiziertem Rechtsrock übernehmen. Bei
der Wahl der Mittel war man dabei nicht zimperlich. So sollen auf Gruppentreffen
auch Strafaktionen gegen vermeintliche "Verräter" geplant worden sein. Aus den
Ermittlungen, bei denen 300 Polizeibeamte rund 50 Wohnungen und Treffpunkte im
Milieu von Rechten und Rotlichtszene durchsucht hatten, werde deutlich, "dass es
überregionale Strukturen gibt, die wesentliche Übereinstimmungen mit Blood &
Honour aufweisen", hieß es im Kieler Landeskriminalamt. Die Namenswahl "Combat
18" war durchaus programmatisch, schließlich gilt "C 18" seit mehreren Jahren
als "bewaffneter Arm" von "Blood & Honour".
Nicht erst seit dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren haben
sich Vereins- und Organisationsverbote als stumpfe Waffe gegen Rechtsextremisten
erwiesen. "Die Aktivisten machen weiter, weil die persönlichen und
geschäftlichen Kontakte natürlich mit einem Organisationsverbot nicht abreißen",
sagt Ulli Jentsch vom Antifaschistischen
Pressearchiv (apabiz) in Berlin.
Frustrierte Staatsanwälte greifen deshalb immer häufiger zum
Paragrafen 129 des Strafgesetzbuchs, der die Mitgliedschaft in einer
"kriminellen Vereinigung" unter Strafe stellt und ursprünglich zur Bekämpfung
der organisierten Kriminalität gedacht war. "Als wir im Jahr 2000 damit
begannen, gegen Kameradschaften mit dem Paragraf 129 zu ermitteln, haben uns
Experten noch entgegengehalten, Kameradschaften seien keine kriminellen
Vereinigungen", erinnert sich Bundesanwalt Joachim Lampe. Das hat sich geändert,
seitdem die Staatsanwaltschaft Dresden mit ihrer Anklage gegen zwei Dutzend
Mitglieder der militanten "Skinheads Sächsische Schweiz" Erfolg hatte und die
"SSS"-Aktivisten als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zu Haft- und
Bewährungsstrafen verurteilt wurden. Da verwundert es kaum, dass auch im Fall
von "Landser", "Combat 18 Pinneberg" und den "Hammerskins Sachsen" der Paragraf
129 da weiterhelfen soll, wo Verbote scheiterten.
die tageszeitung
taz - die tageszeitung vom 23.12.2003
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/ 2003-12-23
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