Nur zufällig begegnen am vergangenen Freitag die zwei
Jugendlichen den drei jungen Erwachsenen. Als ihnen "Scheiß Zecken!"
entgegenschallt, wollen sie noch schnell die Straßenseite wechseln. Die drei
glatzköpfigen Täter in Bomberjacken schlagen jedoch sofort auf die beiden ein.
Als eines der Opfer zu Boden geht, treten sie mit ihren Springerstiefeln weiter
zu. Nur weil der 14-Jährige sich bewusstlos stellt, lassen die alkoholisierten
Neonazis von ihm ab. Wenige Straßen weiter besprühen die unbekannten Täter einen
geparkten Mercedes mit Nazisprüchen.
"Wir ermitteln wegen Körperverletzung", erklärt der
Kommissariatsleiter der Polizei Achim. Nicht der erste rechte Vorfall, den die
Polizei in der niedersächsischen Stadt südöstlich von Bremen binnen zwei Wochen
untersuchen muss. Bereits am Wochenende des 6./7. Dezember schändeten
"unbekannte Täter" den örtlichen jüdischen Friedhof. Mit oranger Farbe
schmierten sie "Jude verecke" (mit Schreibfehler) und Hakenkreuze auf die
Grabsteine. An die Außenwände des nahe gelegenen Schulzentrums sprühten sie
"Heil Deutschland" und "Wir sind zurück".
"Die Neonazis haben in der Region ihre Aktivitäten erhöht, um
neue Mitglieder zu gewinnen", bestätigt ein Sprecher des niedersächsischen
Verfassungsschutzes (VS) gegenüber der taz. In den vergangenen Monaten
organisierte die lokale Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)
gemeinsam mit der regionalen "Kameradschaft Weser-Ems" zwischen Verden,
Rotenburg und Achim Infostände sowie eine Mahnwache. Ganz im Sinne der neuen
NPD-Strategie versuchten die Aktivisten um Sven Wellhausen vor allem an Schulen,
neue Kameraden zu gewinnen. So verteilte Wellhausen, der in Blender bei Verden
lebt und schon strafrechtlich auffiel, mit weiteren Neonazis bereits Flugblätter
am Schulzentrum in Thedinghausen nahe Achim. Weitere Aktionen, weiß der VS, sind
in Planung.
Gute Beziehungen haben die Neonazis bereits zur "Unabhängigen
Bürgergemeinschaft" um Dieter Fricke und Heinrich Rathjen. Alle zwei Monate
veranstalten die beiden Unternehmensberater Diskussionsabende in Achim.
Regelmäßig laden sie bekannte Rechtsextreme, wie Paul Latussek, als Redner zu
den Abenden ein, auf die auch in der NPD-Zeitung "Deutsche Stimme" hingewiesen
wird. Augenzeugen zufolge begrüßte Rathjen Wellhausen herzlich, als dieser Mitte
November die Veranstaltung "Zuwanderung nach Deutschland - Chancen, Mythen und
Risiken" besuchte. Ein großes Hotel in Achim verwehrte Fricke und Rathjen wegen
dieser rechtsextremen Beziehungen nun die Räumlichkeiten.
Nach der Schändung des Friedhofs setzten die
Unternehmensberater 1.000 Euro Belohnung für Hinweise aus. Vielleicht sollten
sie bei ihrer nächsten Veranstaltung, Mitte Januar, einfach mal ihre Gäste
fragen.