"Vom Haus ist das nicht zu kommentieren", sagt der Leiter der
ZDF-Pressestelle. Er scheint gar nicht recht zu verstehen, was sich denn da
kommentieren ließe: "Der Herr Baring ist ja nicht zum ersten Mal im deutschen
Fernsehen aufgetreten." Das ist wahr. Aber nicht mit einer solchen Botschaft:
Anfang November lobte der 71-jährige Zeithistoriker Arnulf Baring in der
ZDF-Sendung "Nachtstudio" den "Enthusiasmus", den Adolf Hitler für sein Regime
seinerzeit in der Bevölkerung wecken konnte: Wenn auch nur "ein Bruchteil"
dessen für die Bundesrepublik mobilisiert werden könnte, "wären wir aus allen
Schwierigkeiten raus". Interessante These. Vielleicht gerieten wir auch in neue
Schwierigkeiten hinein.
Vor einer Woche hat Hans-Ulrich Jörges im Stern einer
breiteren Öffentlichkeit mitgeteilt, was lediglich 288.000 Zuschauer live im ZDF
verfolgt haben: wie ein Talkshow-Gast lobte, dass Hitler den "Leuten einen Elan"
vermittelt habe, der "vollkommen von uns gewichen ist". Aber bis in die
60er-Jahre habe er noch "weitergewirkt". Na, mindestens. Bislang ist Hitler
allenfalls für den Bau der Autobahnen gewürdigt worden, und auch das nur selten
im Fernsehen. Das Schüren von Emotionen, wie sie sich in der Sportpalast-Rede
von Goebbels eindrucksvoll entladen haben, ist demokratischen Politikern bislang
nicht zur Nachahmung empfohlen worden.
Hält das ZDF dies für ein beklagenswertes Versäumnis? Finden
die Programmverantwortlichen, dass Positionen wie die von Arnulf Baring
inzwischen zum erwähnenswerten Teil des demokratischen Meinungsspektrums
gehören? Ungefragt hat sich der Sender dazu nicht geäußert. Auf Anfrage teilt
die Pressestelle lapidar mit: Die Einladung an Baring sei "eine redaktionelle
Entscheidung" gewesen.
Diese Entscheidung dürfte sich wiederholen: "Natürlich laden
wir Herrn Baring wieder ein", sagt Volker Panzer, Moderator und Redaktionsleiter
des "Nachtstudio". Seine Sendung habe die Funktion, einen offenen Diskurs "auch
über diese Dinge" zu führen. "Ich werde den Teufel tun, Herrn Baring davon
auszuschließen", schließlich sei das ZDF "ja keine Behörde, die irgendwelche
Grenzen zieht". Eine Behörde nicht - aber gebührenfinanziert. "Wir sind ein
Marktplatz, auf dem jeder seine Meinung sagen kann." Jeder? Wo würde er denn die
Grenze ziehen? "Das ist eine sehr, sehr schwere Frage. Ich würde keinen
bekennenden Nationalsozialisten einladen oder jemanden, der zur Gewalt aufruft."
Wo beginnt der bekennende Nationalsozialismus? 1990 schrieb
Arnulf Baring in der Welt über ehemals deutsche Gebiete im heutigen Polen: "Auf
längere Sicht werden die Deutschen sich dieser Gebiete wieder erinnern. Es wird
selbstverständlich werden, nicht mehr die polnischen Namen zu benutzen, was eine
Form von Sklavensprache ist, eine gehemmte, unfreie Untertanen-Mentalität
zeigt." Wenn ein Argumentationsmuster erst einmal kenntlich wird, dann stimmen
plötzlich auch Appelle misstrauisch, die für sich genommen ganz legitim
erscheinen. Am 19. November 2002 rief Baring in der FAZ die "Bürger auf die
Barrikaden": Die Situation sei reif "für einen Aufstand gegen das erstarrte
Parteiensystem". Was meint einer wie er damit?
Vermutlich wird Arnulf Baring jetzt noch häufiger ins
Fernsehen eingeladen. Es gibt gewiss Journalisten, die das für mutig halten. Ein
"Nachtstudio"-Redakteur sagte allerdings der taz, er würde Baring nicht wieder
einladen. Er habe dessen Äußerungen indiskutabel gefunden und wolle "der
Verbreitung solcher Meinungen keine Plattform" geben. Hoffentlich bekommt der
Mann keine Schwierigkeiten.