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Antisemitismus:
Herr Hohmann von der CDU

Ein Bundestagsabgeordneter der CDU macht mit einer antisemitischen Rede auf sich aufmerksam. In Hessen gehört das schon zur Tradition der Partei...

Andrea Livnat

Klingt so jemand, der sich entschuldigen will? »Ich wollte keine Unstimmigkeiten hervorrufen. Aber wir leben in einem freien Land, in dem man die Wahrheit sagen darf. Und ich bin bei der Wahrheit geblieben.« Dies sagte der hessische Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann am 31. Oktober der Fuldaer Zeitung. Zuvor war bekannt geworden, dass Hohmann am 3. Oktober dieses Jahres in seinem Heimatort Neuhaus bei Fulda eine vor Antisemitismus nur so strotzende Rede gehalten hatte.

»Es war nicht meine Absicht, die Einzigartigkeit des Holocausts zu leugnen. Es war nicht meine Absicht, die Juden als Tätervolk zu bezeichnen«, versuchte sich Hohmann dann am 1. November zu rechtfertigen, nachdem die Kritik an seinen Äußerungen auch in der CDU lauter geworden war. War alles wieder einmal nur ein Missverständnis, eine von der Presse falsch wiedergegebene Äußerung?

Vieles spricht eher dafür, dass es sich um eine typische Erscheinungsform der hessischen CDU handelt. Denn Hohmann steht mit seinen Äußerungen in einer gewissen Tradition. Der ehemalige Kassenwart der hessischen CDU, Prinz Casimir zu Sayn-Wittgenstein, bezeichnete im Jahr 2000 das Schwarzgeld in den Kassen seiner Partei als »Vermächtnis von in der Schweiz verstorbenen Juden«. Und der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte im Dezember 2002, wenn der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske die Namen von wohlhabenden Deutschen aufzähle, handele es sich um eine »neue Form von Stern an der Brust«.

Hohmann ist 55 Jahre alt, Major der Reserve und sitzt seit 1998 für den Wahlkreis Fulda im Bundestag, eben für den Wahlkreis, den früher der extrem rechte inzwischen verstorbene Christdemokrat Alfred Dregger innehatte. Zuvor war Hohmann 14 Jahre lang Bürgermeister in dem Ort Neuhof. Nach seinem Abschluss in Rechtswissenschaften arbeitete er zunächst als Jurist im Bundeskriminalamt, zuletzt als Kriminaloberrat in der Abteilung Terrorismus in Wiesbaden.

In Hohmanns Rede vor der CDU in Neuhof ging es um die Krise in Deutschland. Diese rühre daher, dass man »als Deutscher in Deutschland keine Vorzugsbehandlung« erhalte. Er habe drei Anfragen an den Bundestag gestellt: »Ist die Bundesregierung angesichts der Wirtschaftsentwicklung und des Rückgangs der Staatseinnahmen bereit, ihre Zahlungen an die Europäische Union zu verringern? Ist die Bundesregierung bereit, sich auch für deutsche Zwangsarbeiter einzusetzen, nachdem für ausländische und jüdische Zwangsarbeiter zehn Milliarden Mark zur Verfügung gestellt worden sind? Ist die Bundesregierung angesichts der Wirtschaftsentwicklung und des Rückgangs der Steuereinnahmen bereit, ihre Entschädigungszahlungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (also an – vor allem jüdische – Opfer des Nationalsozialismus) der gesunkenen Leistungsfähigkeit des deutschen Staates anzupassen?«

Die Antworten hätten Hohmann klar gemacht, dass es sich genau so verhalte, wie er es vermute: »Hauptsache, die deutschen Zahlungen gehen auf Auslandskonten pünktlich und ungeschmälert ein. Dafür müssen die Deutschen den Gürtel halt noch ein wenig enger schnallen.«

Niemand könne ernsthaft den Versuch unternehmen, die deutsche Geschichte vergessen zu machen. »Wir alle kennen«, sagte Hohmann, »die verheerenden und einzigartigen Untaten, die auf Hitlers Geheiß begangen wurden.« Die Frage sei jedoch, ob »das Übermaß der Wahrheiten über die verbrecherischen und verhängnisvollen zwölf Jahre der NS-Diktatur nicht a) instrumentalisiert wird und b) entgegen der volkspädagogischen Erwartung in eine innere Abwehrhaltung umschlagen könnte«. Da hat jemand seinen Martin Walser gelesen. Hohmann fragte sich schließlich: »Gibt es auch beim jüdischen Volk, das wir ausschließlich in der Opferrolle wahrnehmen, eine dunkle Seite in der neueren Geschichte oder waren Juden ausschließlich die Opfer, die Leidtragenden?«

Hohmann findet so einige »dunkle Seiten«. Hierfür bemüht er u.a. das Buch »Der internationale Jude« des US-amerikanischen Industriellen Henry Ford, der darlegte, wie sich die Juden angeblich in verschwörerischer Absicht zusammengetan hätten, um die Weltherrschaft mit wirtschaftlicher Macht, insbesondere durch die Kontrolle des Geldes, an sich zu reißen.

Aber auch Juden führt Hohmann für seine Argumentation ins Feld. So habe der »Jude Felix Teilhaber« 1919 gesagt: »Der Sozialismus ist eine jüdische Idee. Jahrtausende predigten unsere Weisen den Sozialismus.« Auch die Begründer des Kommunismus und des Sozialismus, wie etwa Karl Marx, Ferdinand Lassalle, Eduard Bernstein und Rosa Luxemburg seien Juden gewesen.

Detailliert zählte Hohmann auf, wie viele Juden in revolutionären Gremien in Russland einst tätig waren: vier Juden im siebenköpfigen Politbüro der Bolschewisten von 1917; 28,6 Prozent der Mitglieder des revolutionären Zentralkomitees im Jahr 1917 seien Juden gewesen usw. Und schließlich sei nicht zu vergessen, dass der Mord an dem Zaren Nikolaus II. und seiner Familie von Jacob Sverdlov, einem Juden, »eigenhändig vollzogen« worden sei.

Hohmann wies darauf hin, dass »nach einer von Churchill 1930 vorgetragenen statistischen Untersuchung« bis ins Jahr 1924 den Sowjets »28 orthodoxe Bischöfe, 1 219 orthodoxe Geistliche, 6 000 Professoren und Lehrer, 9 000 Doktoren, 12 950 Grundbesitzer, 54 000 Offiziere, 70 000 Polizisten, 193 000 Arbeiter, 260 000 Soldaten, 355 000 Intellektuelle und Gewerbetreibende sowie 815 000 Bauern« zum Opfer gefallen seien. »Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen«, sagte Hohmann. »Das mag erschreckend klingen. Es würde aber der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet.«

Hohmanns Rede stand nach Informationen der ARD-Tagesschau bis zum 30. Oktober auf der Internetseite der CDU in Neuhof. Es handelt sich um einen gut zehnseitigen, ausgefeilten Text. Und dennoch soll es sich nur um ein Missverständnis handeln, dass mit einer eingeschränkten Entschuldigung abgetan werden kann.

Jungle World
Jungle World Nummer 46 vom 05.11.2003

kt / hagalil.com / 2003-11-07

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