Die gute Nachricht kam um 14.29 Uhr: "General Günzel
entlassen", meldete dpa - nur wenige Stunden, nachdem das ZDF über einen Brief
des Offiziers an Martin Hohmann berichtet hatte. Darin bedankte sich dieser bei
dem CDU-Bundestagsabgeordneten "sehr herzlich" für dessen antisemitische Rede:
"Eine ausgezeichnete Ansprache - wenn ich mir dieses Urteil erlauben darf - wie
man sie mit diesem Mut zur Klarheit und Wahrheit in unserem Land nur noch sehr
selten hört und liest."
Er durfte sich das Urteil nicht erlauben.
Verteidigungsminister Peter Struck hat den 59-jährigen Chef des Kommandos
Spezialkräfte (KSK) mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden und den
Bundespräsidenten darum gebeten, Günzel in den einstweiligen Ruhestand zu
versetzen. Es gibt also auch weiterhin Politiker, die gegen Antisemitismus
schnell vorgehen und nicht meinen, er müsse erst einmal zur Bewährung ausgesetzt
werden.
"Unerträglich" nannte Struck den Brief des Generals. Als
"unerträglich" hatte auch Angela Merkel die Rede ihres Parteifreundes Hohmann
bezeichnet, in dem dieser unter anderem die Frage aufgeworfen hatte, ob "die
Juden" ebenso wie "die Deutschen" als Tätervolk bezeichnet werden dürften. Aber
während der Minister tatsächlich nicht willens ist, das Unerträgliche zu
ertragen, erweist sich die CDU-Vorsitzende als erstaunlich robust.
Angela Merkel wird weiterhin mit Martin Hohmann
zusammenarbeiten. Erst "im Wiederholungsfall" werde es weitere Maßnahmen geben,
hatte sie am Montag nach einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands mitgeteilt.
Vorläufig hält das Gremium eine Rüge und die Strafversetzung in den
Umweltausschuss für hinreichend: eine Entscheidung, die ein interessantes
Schlaglicht auf den Stellenwert wirft, den die ehemalige Umweltministerin Merkel
ihrem früheren Spezialthema beimisst.
Die CDU lässt sich also auch künftig von einem bekennenden
Antisemiten repräsentieren. In der Bundeswehr ist hingegen kein Platz für
Offiziere dieser Geisteshaltung, und man kann als sicher annehmen, dass Strucks
Entscheidung von keinem Soldaten öffentlich kritisiert werden dürfte. Ist das
beruhigend? Oder lediglich ein Hinweis auf Duckmäusertum? Genügt die Tatsache,
dass wieder einmal ein ranghoher Offizier im Mittelpunkt einer
rechtsextremistischen Affäre steht, um jedes Misstrauen gegenüber der Armee als
gerechtfertigt erscheinen zu lassen?
Die Angelegenheit ist kompliziert. Mit ihrem Prinzip der
Inneren Führung kann die Bundeswehr als eine der demokratischsten Armeen der
Welt bezeichnet werden, die meisten Soldaten haben diese Geisteshaltung auch
verinnerlicht. Eine Minderheit jedoch "überwintert" in der Demokratie und wartet
auf die Rückkehr deutscher Macht und Herrlichkeit. Ihre Angehörigen erkennen
sich gegenseitig an Zeichen und Chiffren. Wie beispielsweise der vom jüdischen
Tätervolk.
Reinhard Günzel hatte im Zusammenhang mit einer Affäre schon
einmal einen Posten räumen müssen. 1997 war bekannt geworden, dass Angehörige
des Gebirgsjägerbataillons 571 im sächsischen Schneeberg rechtsextremistische
Videos gedreht hatten. Der Minister Volker Rühe ordnete seinerzeit die
Versetzung von Günzel und einem weiteren General an, weil die Täter ihrem
Verantwortungsbereich unterstanden. Im Heer war das nicht unumstritten, da die
beiden Offiziere noch gar nicht auf ihren Kommandeursposten waren, als das Video
entstand. Hatte Rühe schon damals Hinweise auf eine rechtsextremistische
Grundhaltung von Reinhard Günzel? Gegenüber der taz wollte er sich dazu nicht
äußern.
Welche Überlegungen haben Rudolf Scharping veranlasst, Günzel
im Jahr 2000 zum Kommandeur der Elitetruppe KSK zu ernennen? Eine Antwort darauf
konnte oder wollte der taz gestern niemand geben. Ohnehin scheinen nur wenige
den General besser gekannt zu haben. Als besonnen galt er, der im Zusammenhang
mit der Jagd auf Ussama Bin Laden vor einem "Blutbad" gewarnt hatte - und
ansonsten als weitgehend unbeschriebenes Blatt. Das mag damit zusammenhängen,
dass große Nähe zu einem Geschassten der eigenen Karriere selten förderlich ist.
Es mag aber auch ein Hinweis auf einen Klimawechsel sein. Alle Angelegenheiten
im Zusammenhang mit dem KSK werden sehr, sehr vertraulich behandelt. Und das
Prinzip der Inneren Führung gilt für dieses Kommando nicht.