Eines kann man der CDU-Spitze nicht vorwerfen: dass sie zu
den Tiraden des hessischen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann über die
Juden als "Tätervolk" schweigt. Im Gegenteil. Fast im Minutentakt meldeten sich
gestern führende Unionspolitiker zu Wort, um sich von Hohmann zu distanzieren.
Anlass war eine Rede Hohmanns in seinem Heimatort Neuhof bei Fulda, die er bei
einer Feierstunde der örtlichen CDU zum Tag der Deutschen Einheit im Bürgerhaus
gehalten hatte.
Die CDU-Fraktions- und Parteichefin Angela Merkel sprach von
"völlig inakzeptablen und unerträglichen Äußerungen". Fraktionsvize Wolfgang
Bosbach sagte der taz, er sei "sprachlos und schockiert". Hohmann habe
"antisemitische Vorurteile in der Bevölkerung bedient". Dies sei "nicht
hinnehmbar".
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde der Inhalt seiner Rede
(siehe Kasten rechts) erst bekannt, nachdem der Hessische Rundfunk am
Donnerstagabend darüber berichtet hatte. Auch die hessische CDU ging daraufhin
auf Abstand zu ihrem Mitglied: "Diese Haltung und Sprache Hohmanns ist nicht die
unsrige."
Bisher ist es jedoch bei verbalen Verurteilungen Hohmanns
geblieben. Personelle Konsequenzen, wie sie von SPD, Grünen und dem Zentralrat
der Juden gefordert wurden, hat die CDU bis gestern nicht gezogen.
Darüber sei noch nicht entschieden worden, sagte Merkels
Sprecherin der taz. Sie verwies darauf, die CDU-Chefin habe mit Hohmann
telefoniert und ihre Kritik an seiner Rede "unmissverständlich" zum Ausdruck
gebracht. Das Thema werde wahrscheinlich am Montag im Fraktionsvorstand
erörtert. "Es wird ein Gespräch der Parteispitze mit Hohmann geben", erklärte
der Sprecher des hessischen CDU-Landesverbands. "Dann wird man weitersehen."
Für das Zögern gibt es Gründe. Der 55-jährige Hesse vertritt
als Nachfolger des früheren Fraktionsvorsitzenden Alfred Dregger im Wahlkreis
Fulda eine für die Union nicht unerhebliche Klientel: ländliche,
rechtskonservative und streng katholische Wähler.
Auf seiner Homepage gibt Hohmann als sein Ziel an, er wolle
"deutsche Interessen vertreten und der Politik einer ,multikulturellen
Gesellschaft' entgegenwirken". Diesem Ziel folgend, war er bereits mehrfach mit
abfälligen Äußerungen über Schwule, Türken und Deserteure in Erscheinung
getreten. Die Parteispitze ließ ihn stets gewähren. Nun, nach seiner Rede über
die Juden als "Tätervolk", geht zumindest einigen eher liberalen
CDU-Parteifreunden die Geduld aus. "Er hat in unerträglicher Weise die
geschichtliche Wahrheit verfälscht", sagte NRW-Landeschef Jürgen Rüttgers.
"Entweder nimmt Herr Hohmann seine Äußerungen zurück, oder er muss selbst
zurücktreten."
Der Zentralrat der Juden in Deutschland prüft rechtliche
Schritte gegen Hohmann wegen Volksverhetzung. Präsident Paul Spiegel sagte, er
erwarte, dass die CDU Konsequenzen ziehe.
Fraktionsvize Bosbach hielt einen Ausschluss Hohmanns aus der
Fraktion gestern "nicht für nötig". Hohmann sollte allerdings von seiner
Funktion als Berichterstatter der Fraktion für die
NS-Zwangsarbeiter-Entschädigung entbunden werden, sagte Bosbach. "Gerade bei
dieser sehr sensiblen Materie ist ein gutes Vertrauensverhältnis zu den
Opfergruppen nötig", so Bosbach zur Begründung. "Dieses notwendige
Vertrauensverhältnis wurde durch seine Äußerungen gestört", sagte der
Fraktionsvize der Union. "Als Berichterstatter der Fraktion für die
NS-Zwangsarbeiter-Entschädigung ist Herr Hohmann nicht mehr geeignet."
Von Hohmann verlangte Bosbach, er müsse seine Äußerungen
"auch inhaltlich zurücknehmen". Die gestrige vierzeilige Erklärung des
Abgeordneten sei "nicht ausreichend." Hohmann hatte darin geschrieben: "Ich
bezeichne weder Juden noch Deutsche als Tätervolk", und betont: "Es war und ist
nicht meine Absicht, Gefühle zu verletzen."