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Martin Hohmann:
Einzelfälle vom Band

Martin Hohmann hat viele Unterstützer in der Union. Nun wird verständlich, warum es Parteien rechts von der CDU so schwer haben...

Jesko Bender

Einen Nachfolger für Martin Hohmann zu finden, der ihm auch inhaltlich gerecht wird, dürfte der CDU kein größeres Problem bereiten. Denn am vergangenen Freitag, als Hohmann aus der Bundestagsfraktion der CDU/CSU ausgeschlossen wurde, meldete sich der rechtsextreme Teil der Union in einer Anzeige zu Wort, die in mehreren überregionalen Tageszeitungen, u.a. in der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, geschaltet wurde. Darin wurde »kritische Solidarität mit Martin Hohmann« gefordert und vor einem Parteiausschluss des »verdienten Bundestagsabgeordneten« gewarnt. »Jeder Mensch hat ein Recht auf eine zweite Chance. Wir fordern diese Chance für Martin Hohmann«, hieß es.

Die Unterzeichner verlangten von der Führung der CDU, »den von Medien und politischen Gegnern erhobenen Vorwurf des Antisemitismus gegen die Union entschieden und überzeugend zurückzuweisen«. Der Ausschluss Hohmanns sei ein »Armutszeugnis für die Union wie für das liberale Grundverständnis dieses Landes«, wird in der Anzeige der rechte Historiker Arnulf Baring zitiert. Er hatte zuvor die Debatte um Hohmann als »Gesinnungsdiktatur« bezeichnet.

Der Initiator der Initiative ist Fritz Schenk, der bis 1957 Büroleiter der Planungskommission der DDR war, nach seiner Übersiedlung seit 1971 Co-Moderator, zuletzt Redaktionsleiter des ZDF-Magazins mit Gerhard Löwenthal. Inzwischen ist Schenk Autor der rechtsextremen Zeitung Junge Freiheit. Er ist der Ansicht, der Versailler Vertrag habe »bekanntlich (…) den Zweiten Weltkrieg heraufbeschworen« und »die jahrzehntelange Ausplünderung Deutschlands« nach 1945 sei mehr als genug Entschädigung für den Nationalsozialismus.

Zu den Unterzeichnern der Anzeige gehört auch Heinrich Lummer (CDU), der frühere Innensenator Berlins. Er ist an der Frage der Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter ebenso interessiert wie Hohmann und steht für die gleiche Mischung aus Antisemitismus und Deutschtümelei. Im Rundbrief der Deutschen Konservativen fragte er schon mal süffisant, warum die Zwangsarbeiter nicht früher auf die Idee gekommen seien, »dafür eine Entschädigung zu verlangen, wenn die Sklavenarbeit so schrecklich und so gering bezahlt war. Oder waren es vielleicht gar nicht die Zwangsarbeiter selbst, die auf die Idee kamen?« Auch einen Beitrag in dem Sammelband »Unterdrückung und Verfolgung deutscher Patrioten. Gesinnungsdiktatur in Deutschland?«, zu dem auch der Vorsitzende der NPD, Udo Voigt, und der Nazi-Terrorist Manfred Roeder Aufsätze beisteuerten, kann Lummer vorweisen.

Ein weiterer Unterzeichner ist der Münchner Verleger Herbert Fleissner (CSU), dessen Verlagsgruppe auch Werke des Auschwitz-Leugners David Irving herausgibt. Er sagte in einem Interview mit der Jungen Freiheit auf die Frage, »welches Ereignis für die Welt das einschneidendste gewesen« sei: »Die Vertreibung 1945«.

Auf die Abstimmung in der Unionsfraktion konnte die Initiative kaum mehr Einfluss mehr nehmen, aber das schien auch nicht beabsichtigt gewesen zu sein. Vielmehr ging es wohl darum, die große Masse der Unterstützer und Sympathisanten Hohmanns nicht nur aus den Reihen der Union hinter sich zu bringen, die sich derzeit u.a. in unzähligen Internetforen für Hohmanns Thesen aussprechen. Ein Blick in das Forum der Homepage der CDU offenbart das ganze Ausmaß der Sympathie.

Mit dem Ausschlussverfahren gegen Hohmann hat sich die Führung der CDU offensichtlich einige regionale Verbände der Partei zu Feinden gemacht. Dazu gehört selbstverständlich auch der CDU-Kreisverband Fulda. Dessen Vorsitzender, Fritz Kramer, der bisher nur von »Missverständnissen« im Zusammenhang mit Hohmanns Rede sprechen wollte, beschrieb die Gefühlslage der Mitglieder am Freitag folgendermaßen: »Der Unmut ist mit den Händen zu greifen«, man sei »entrüstet bis entsetzt«, und er rechne mit vielen Parteiaustritten.

Wie der Hessische Rundfunk berichtet, sehen in Neuhof, dem Heimatort Hohmanns, viele CDU-Mitglieder und auch andere Bürger die jetzige Auseinandersetzung als eine von außen aufgezwungene an. Denn bisher habe sich in Neuhof nie jemand über Hohmanns Haltung beschwert, heißt es. Hohmann habe die Wahrheit gesagt und werde nun Opfer einer Medienkampagne. Teilweise herrsche die Meinung vor, die Medien seien unter »jüdischer Kontrolle«. Allenthalben werde eine Verschwörung gegen die Union vermutet.

Die Anzeige der Initiative für Hohmann spricht von einer »Medien-Kampagne gegen die Union«, und der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis bezeichnete Angela Merkel als eine »Getriebene«. Am klarsten drückte es Hans Knoblauch, ein CDU-Ratsherr in Recklinghausen, aus. Er hängte Teile der Rede Hohmanns in das Schaufenster der Partei und schrieb dazu: »Man darf in Deutschland nicht mehr die Wahrheit sagen.«

Das Verhalten der Führung der CDU verstärkt diese antisemitischen Verschwörungstheorien noch. Lange war man der Meinung, eine Entschuldigung Hohmanns und die Gespräche mit ihm seien ausreichend. Die Forderung nach einem Ausschluss aus der Partei fand in der CDU-Führung zunächst keine nennenswerte Unterstützung.

Noch am 9. November rechtfertigte der hessische Ministerpräsident Roland Koch in einer Rede in der Synagoge im Frankfurter Westend das Vorgehen der Partei, woraufhin einige Zuhörer unter Protest den Raum verließen. Für die Süddeutsche Zeitung hatte sich die Frankfurter Jüdische Gemeinde im Übrigen für ein »pragmatisch-listiges Vorgehen« entschieden: »Bedeute eine Einladung an Koch in Wahrheit nicht eine wundervolle Chance, dem Mann den Unmut auf eine Weise zu demonstrieren, die garantiert Schlagzeilen machen würde?«

Erst als sich abzeichnete, dass die Union vor einer kritischen Öffentlichkeit ihre Glaubwürdigkeit verlieren könnte, entschied sich die Führung für ein Ausschlussverfahren.

Das Ergebnis der Abstimmung in der Fraktion hätte sich Angela Merkel sicher eindeutiger gewünscht. 28 Gegenstimmen und 16 Enthaltungen zeigen, dass Hohmann auch dort einen großen Rückhalt besitzt. Merkel und der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) werteten die vielen Gegenstimmen und Enthaltungen als Zeichen der menschlichen – nicht der inhaltlichen – Verbundenheit mancher Abgeordneter mit Martin Hohmann. Das mag glauben, wer will.

Vor der Abstimmung war klar, dass ein Scheitern des Ausschlussverfahrens die CDU in eine schwere Krise gestürzt und vermutlich das Ende Merkels als Parteivorsitzende bedeutet hätte. »Die meisten Abgeordneten entscheiden sich mit einer Faust in der Tasche gegen Hohmann, wenn sie es denn tun, und zwar aus der Einschätzung heraus, dass bei einer Ablehnung des Antrags der Laden auseinander fliegt und die Merkel dann weg ist«, hieß es aus Kreisen der Fraktion.

Merkel hingegen kündigte nach der Abstimmung an, in der CDU nun eine Debatte über »vernünftigen Patriotismus« führen zu wollen. Der Stoff geht also nicht aus. Auf die Beiträge so mancher Einzelfälle darf man jetzt schon gespannt sein.

Jungle World
Jungle World Nummer 48 vom 19.11.2003

kt / hagalil.com / 2003-11-19

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