Das Geständnis, den Grünen-Parlamentarier Hans-Christian
Ströbele zwei Tage vor der Bundestagswahl im September 2002 hinterrücks
angegriffen zu haben, kommt dem Angeklagten vor dem Berliner Schöffengericht nur
schwer über die Lippen. Der vorbestrafte Rechtsextremist Bendix W., in der
Neonaziszene als Waffenexperte berüchtigt, faltet erst die Hände über der
blau-grünen Lodenjacke.
Er habe an jenem Morgen, als der Direktkandidat Flugblätter
auf einer Fußgängerbrücke in seinem Wahlkreis Kreuzberg-Friedrichshain
verteilte, seinen "Abneigungen gegen die Grünen" Ausdruck verliehen. Die Partei
sei für "die ganze Umweltzerstörung" an seinem Wohnort Wandlitz und für das
Waldsterben in einem brandenburgischen Naturschutzgebiet verantwortlich. Zudem,
so der 36-Jährige, sei er persönlich in einer "desolaten Lage" gewesen und habe
sich auf dem Heimweg von einem Saufgelage befunden.
Den 64-jährigen Ströbele will er "spontan" und "mit der
flachen Hand" auf den Hinterkopf geschlagen, dann als "Hurensau" oder
"Hurenschwein" beschimpft haben. Einen Schlagstock aus Metall, den Polizisten
später in W.s Tasche fanden, will er dabei nicht eingesetzt haben. "Wenn ich den
Totschläger verwendet hätte, wäre Ströbele jetzt nicht mehr am Leben."
Der Abgeordnete erlitt eine Gehirnerschütterung und musste
alle Termine bis zum Wahltag absagen. "Warum haben Sie mich eigentlich
angegriffen?", wollte Ströbele gestern von dem massigen Zweimetermann wissen.
Der Politiker hatte W. so lange verfolgt, bis er auf eine Polizeistreife stieß.
"Ich war unheimlich empört und wütend, weil die Tat so feige war."
Einen gezielten Angriff auf Ströbele leugnete Bednix W.
jedoch beharrlich. Er habe den Abgeordneten nicht erkannt, sondern seiner Wut
gegen die Grünen ganz allgemein freien Lauf gelassen. Sein Opfer, das von einem
"knallharten Schlag" sprach, hält diese Aussage für wenig glaubwürdig. Zeugen
bestätigten, dass der Angeklagte den Infotisch des Parlamentariers eine
Viertelstunde beobachtet hatte, bevor er zuschlug. Zudem hätten an dem Wahlstand
Plakate mit seinem Namen und Foto gehangen, so Ströbele.
Bendix W. war 1990 erstmals in Berlin als Neonazi-Aktivist in
Erscheinung getreten. Er zählt noch immer zum engen Kreis der rechtsextremen
Rockergruppe "Vandalen" und ist vorbestraft, unter anderem wegen Verstoßes gegen
das Kriegswaffenkontrollgesetz. Ein Trio polizeibekannter Rechtsextremisten
verfolgte den gestrigen Prozesstag als Zuschauer.
Mit dem Angriff auf Ströbele verstieß W., in dessen Laube
Ermittler eine Duellpistole und ein Porträt von SS-Führer Heinrich Himmler
fanden, gegen seine Bewährungsauflagen. Trotzdem war er unmittelbar nach der Tat
wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Ströbele kritisierte zudem, dass es länger
als ein Jahr bis zum Prozessbeginn dauerte. Am 9. Dezember soll nun ein
Gutachter feststellen, ob Bendix W. bei dem Angriff seinen Schlagstock
einsetzte. Dann entscheidet sich, ob der Mann mit dem Himmler-Bart wegen
gefährlicher oder lediglich wegen einfacher Körperverletzung verurteilt wird."