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Judentum und Israel
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Al-Quds Tag in Berlin:
Khomeinis Freunde bleiben kritisch

Am vergangenen Samstag demonstrierten Islamisten zum so genannten al-Quds-Tag. Ein Gegenbündnis kritisiert den Antisemitismus mancher Migranten...

Nada Kumrovec

Es war im Jahr 1979, als Ayatollah Khomeini den jeweils letzten Freitag im Fastenmonat Ramadan zum »Jerusalem-Tag« erklärte. Seitdem kommt es am so genannten al-Quds-Tag weltweit zu Demonstrationen für »die Zerschlagung und Vernichtung des zionistischen Staates«, wie es das religiöse Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, 1999 formulierte. Auch hierzulande konnten Islamisten verschiedener nationaler und organisatorischer Provenienz jahrelang die Vernichtung Israels propagieren, ohne dass sich die deutsche Öffentlichkeit dafür interessiert hätte.

In diesem Jahr war es anders. Begleitet von einem großen Polizeiaufgebot und zahlreichen Journalisten zogen am vergangenen Samstag rund tausend Demonstranten durch Berlin-Charlottenburg. Angesichts der großen Aufmerksamkeit waren die Organisatoren bemüht, auf Parolen wie »Tod Israel!« zu verzichten. Plakate mit Aufschriften wie »Zionisten verbieten das Beten« und Fahnen der Hizbollah wurden von den Ordnern vor der Veranstaltung eingesammelt.

Yavuz Özoguz, der Betreiber des Internetportals Muslim-Markt, setzte auf die Möllemann-Karte. Man dürfe wohl noch Israel kritisieren, predigte er vom Lautsprecherwagen. Die im Vorfeld geäußerte Kritik an der Demonstration wies er als rassistische Ausgrenzung der Muslime zurück. Sicherheitshalber hatte der Verein Islamischer Weg, dessen Vorsitzender Özoguz ist, »die islamischen Geschwister« aufgefordert, diejenigen, die »nicht über das notwendige Maß an Selbstbeherrschung verfügen, um jegliche noch so arge Provokation zu ignorieren«, zuhause zu lassen.

Dass der al-Quds-Tag in Berlin diesmal so viel Aufmerksamkeit erfuhr, lag auch an der Intervention einiger Aktivisten, die mit einer Unterschriftenkampagne gegen die Veranstaltung protestierten. Die »politische Kampfansage der antisemitischen Islamisten an Israel« sei »auch eine Kampfansage an ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Muslimen, Juden und Christen in diesem Land«, hieß es in dem Protestaufruf. Rund 260 Unterstützer schlossen sich dem an, darunter einige prominente Politiker, aber auch zahlreiche Menschen mit iranischem und türkischem Hintergrund.

Bemerkenswert ist an dieser Initiative, dass sie die rassistische Ausgrenzung der Migranten zurückweist und sich zugleich nicht scheut, den Antisemitismus von Teilen der Einwanderer anzusprechen. »Bei dem al-Quds-Tag wird die Existenz anderer Völker, anderer Menschen brutal in Frage gestellt«, meint der Übersetzer Mohammed Schams, einer der Initiatoren des Aufrufs.

Auch außerhalb des Iran gehört für Menschen iranischer Herkunft viel Mut dazu, öffentlich die Mullahs zu kritisieren. »Viele haben Angst, und die Angst ist berechtigt«, sagt die Schauspielerin Parvaneh Hamidi, die ebenfalls zu den Initiatoren des Aufrufs zählt. »Aber ich kann mein Leben nicht in ständiger Angst verbringen.« Mit der Kampagne wolle man »Druck auf die Bundesregierung ausüben, die seit Jahren den ›kritischen Dialog‹ mit den Mullahs führt und dabei auf die so genannten Reformer setzt, ohne dass jemand erklären könnte, wodurch sich die Fraktion um Präsident Mohammad Khatami das Attribut ›Reformer‹ überhaupt verdient hat«.

Im Frühjahr 2000 sprengte Hamidi eine von der Heinrich-Böll-Stiftung organisierte Iran-Konferenz, als sie mit Kopftuch und in Unterwäsche durch den Konferenzsaal lief. Damals war das rot-grüne Milieu empört über die Störung ihres Plauschs mit den Vertretern des Khatami-Flügels. Nun unterschrieben auch die Vorsitzende der Grünen, Angelika Beer, und Ralf Fücks von der Heinrich-Böll-Stiftung den Aufruf gegen die al-Quds-Demonstration. Sie nutzten eine gute Gelegenheit, sich von den Extremisten abzugrenzen, mit denen niemand etwas zu tun haben will – ein Manöver, das nur gelingt, wenn man verschweigt, dass auch die so genannten Reformer im Iran sich mit antiisraelischer Propaganda hervortun.

Für die Berliner Polizei hatte sich hingegen gar nichts geändert. Sie reagierte heftig auf eine kleine Gruppe am Rande der Demonstration. »Solidarität mit Israel« rufend, hielten einige Linke den Islamisten eine israelische Fahne entgegen und wurden dafür von den Einsatzkräften rüde angegangen. »Die Israel-Fahne stellt eine Gefahr dar«, begründete ein Beamter gegenüber der Jungle World die Maßnahme. »Wenn die Leute auf der antiisraelischen Demo die Fahne sehen, sprengen sie sich in die Luft.« So bildeten Beamte des Anti-Konflikt-Teams mit Ordnern eine Kette, um die Demonstranten vor der israelischen Fahne zu schützen.

Überhaupt, der Dialog: Nicht nur Özoguz vom Muslim-Markt forderte ihn, sondern auch jene türkische Repräsentanten, die bereits am Freitag bei einer Trauerzeremonie für die Opfer der jüngsten Anschläge in Istanbul gesprochen hatten. Während dort Stefan Krämer, der Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, die deutsche Regierung aufforderte, ihre »Appeasement-Politik« aufzugeben, betonten der Vertreter des türkischen Konsulats und der Berliner Grüne Özcan Mutlu, dass der Terror nichts mit dem Islam zu tun habe.

Zu der Veranstaltung in der Synagoge in der Oranienburger Straße hatte das American Jewish Commites eingeladen. Am Freitagabend fand am Heinrichplatz in Kreuzberg eine Gedenkkundgebung statt, die eine migrantische Initiative organisiert hatte. »Es ist ein Skandal, dass Menschen, die sich als Juden zu erkennen geben, in Kreuzberg oder Neukölln Angst haben müssen«, war in dem Aufruf zu lesen, dem schließlich 300 Leute folgten.

»Als Türkin bin ich in Kreuzberg unter meinen Landsleuten. Aber an dieser Kundgebung nehme ich mit meiner jüdischen Identität teil, und als Jüdin habe ich Angst in Kreuzberg«, meint Vivet Alevi. »Diese Veranstaltung macht uns sichtbar«, sagt die Trainerin für gewaltfreie Kommunikation. Wichtig sei, dass »die Initiative nicht von Juden ausging, sondern von Türken. Es ist das erste Mal, dass Angehörige der türkischen Mehrheitsgesellschaft den Antisemitismus in der Türkei und unter türkischen Einwanderern hier thematisieren.«

Ähnlich empfinden es zahlreiche Juden aus der Türkei, aus Israel und den USA, die Grußbotschaften schickten. In den Schreiben, von denen einige am Heinrichplatz verlesen wurden, ist viel von Dankbarkeit die Rede, dass endlich Türken bzw. Kurden das Tabuthema Antisemitismus ansprechen. Die Veranstalter betonen, so wie die Bekämpfung des Rassismus nicht alleine die Sache der Migranten sei, dürfe die Bekämpfung des Antisemitismus nicht den Juden überlassen bleiben.

Jungle World
Jungle World Nummer 49 vom 26.11.2003

kt / hagalil.com / 2003-11-26

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