Zu seiner Mitstreiterin Irmgard Kohlhepp hat es Bernhard
Heldt nicht weit. Er muss nur über den Hinterhof gehen. Doch die beiden teilen
nicht nur eine Adresse in Berlin-Schöneberg, sondern auch eine politische
Vision. Waren sie einst Gründungsmitglieder der Grünen und pflegten guten
Kontakte zu Rudolf Bahro, so zeichnen sie nun gemeinsam verantwortlich für die
Gründungsinitiative Deutsche Nationalversammlung. Am Reformationstag, dem 31.
Oktober, wollen sie zusammen mit dem Rechtsextremisten Horst Mahler vor dem
Reichstag demonstrieren, wie sie in einem offenen Brief vom 20. September
schreiben. Ihr Motto soll lauten: »Jetzt den Aufstand wagen!«
Die Ziele der Reformation bestanden ihrer Auffassung nach
darin, den »Römischen Katholizismus in Christus und damit das Römische Recht zu
erneuern«. Eine neue »deutsche und europäische Verfassung« soll deshalb her. Der
Besuch eines Treffens, zu dem »Experten der Reformbewegungen« Rudolf Steiners,
Silvio Gesells und Franz Oppenheimers kommen sollten, soll Aufschluss darüber
geben.
Doch aus dem großen Reformertreffen wird doch nur, wie Heldt
meint, eine »kleine Runde«. Neben Heldt ist nur noch Kohlhepp anwesend, wobei
ersterer das Wort führte. Am Tag zuvor, dem 20. September dieses Jahres, sei
Heldt zu einem Treffen Mahlers mit einigen Vertretern des »Zentralrats der
kommissarischen Regierung des Deutschen Reiches« gefahren, wo er unter
»Patrioten« für seine Verfassungsidee habe werben wollen, erzählt er.
Sein Bericht von dem Treffen von angeblich rund 120 Rechten
in Borgsdorf bei Berlin klingt aber recht höhnisch. Mahler habe eine Meditation
angeleitet, bei der sich alle als »Volkskörper« spüren sollten. Das scheint
nicht die Ebene zu sein, auf der Heldt agitieren will. Er sei auch kein Anhänger
der Verschwörungstheorien, lässt er wenig später durchblicken. Und Mahlers
Ausländerfeindlichkeit sei ihm zu platt. Schließlich müssten die Ursachen der
»Überfremdung« bekämpft werden, und die lägen in der Macht des Kapitals, das die
Menschen zur Auswanderung zwinge. Als Beweis für seine Toleranz gegenüber
Ausländern führt Heldt seinen palästinensischen Schwager an, einen engen Freund
Yassir Arafats.
Wie resistent Heldt, der sich als Globalisierungskritiker
versteht, gegenüber Verschwörungstheorien ist, beweisen seine tief schürfenden
Erkenntnisse zur Gründung von Attac in Deutschland. Schon sehr früh habe er
versucht, eine deutsche Sektion in Berlin zu gründen. Jüdische Studierende aus
den USA hätten dies damals verhindert, was er auch beweisen könne. Seine Quelle
will Heldt selbstverständlich nicht nennen, wohl wie immer aus
Sicherheitsgründen.
Einschlägige Erfahrungen mit Geheimdiensten sammelte Heldt
bereits. So habe er nach dem Attentat auf die israelische Olympiamannschaft 1972
in München wegen seiner Freundschaft zu einem Freund Arafats lange unter
Beobachtung gestanden. Immer wieder verweist er auf den Einfluss der USA und
jüdischer Finanzkreise, etwa auf den ehemaligen Berliner Innensenator Heinrich
Lummer (CDU), der Heldt natürlich nur wegen des US-amerikanischen Drucks auf die
Berliner Politik habe beobachten lassen.
Selbst die Tatsache, dass nach dem Fall der Berliner Mauer
keine neue deutsche Verfassung ausgearbeitet wurde, kann der Träumer von einer
»Deutschen Nationalversammlung« sich nur verschwörungstheoretisch erklären. Eine
Verfassung sei nicht verabschiedet worden, weil sie einer Expansion des Kapitals
im Wege gestanden hätte.
Wenn es um Juden geht, zeigt sich Heldt sehr um
Differenzierungen bemüht. Schließlich seien nicht alle Juden kritisch zu sehen,
sondern nur die »jüdische Finanzlobby an der US-amerikanischen Ostküste«. Im
Zusammenhang mit der Kritik am internationalen Finanzmarkt wird der
Verfassungskämpfer jedoch deutlicher. »Es gibt kein Volk, das die Feinheiten der
Finanztransaktion so filigran beherrscht wie die Juden.«
Der oben erwähnte offene Brief der Gründungsinitiative zeigt,
wie die Lehren Martin Luthers für das Projekt einer deutschen Verfassung zu
gebrauchen sind. »Du kannst nur Gott dienen oder dem Mammon!« wird der
Reformator zitiert. »Luthers Lehre zum Zinseszins, zum Eigentum und Besitz,
seine juristischen Erkenntnisse entschlüsseln uns die Geheimnisse dieser
Begierden im Katholizismus, im Kapitalismus und im Zionismus gleichermaßen.«
Auch mit der Hilfe Luthers und Gottes sucht die Initiative
Bündnispartner für ihren geplanten Auftritt vor dem Reichstag. Sie habe den
evangelischen Kirchen und dem Arbeitskreis Christlich-Konservatives Deutschland
eine Zusammenarbeit vorgeschlagen, ist in dem offenen Brief zu lesen. Der
Arbeitskreis allerdings ist in Antifa-Kreisen als Sammelbecken rechtsextremer
Christen bekannt.
Die Reaktion mehrerer Mitglieder des Arbeitskreises sei sehr
positiv gewesen, sagt Heldt. Er suche die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen
ideologischen Strömungen, etwa den Freiwirtschaftlern, den Anthroposophen, der
»Kommissarischen Reichsregierung« und vielen anderen. »Wir wollen eine
gemeinsame Kraft bilden.«
Dabei scheint er jedoch kaum erfolgreich zu sein. Viele
Anthroposophen stünden der Initiative ablehnend gegenüber, gesteht er. Zu seinen
weiteren Plänen macht Heldt nur vage Andeutungen. Man wolle sich nicht
zurückziehen, aber »anders organisieren«, deutet er am Ende des Gesprächs
geheimnisvoll an.
Wo Heldts und Kohlhepps Initiative politisch steht, zeigt
jedenfalls ihre Stellungnahme zum Treffen des »Zentralrats der Kommissarischen
Reichsregierung« in Borgsdorf . Für Heldt ist selbst die »Reichsregierung« ein
»Hirngespinst eines Psychopathen«, denn ihr Gründer Wolfgang Ebel »stützt die
Legitimität seiner ›Regierung‹ auf die Zustimmung der USA und merkt nicht
einmal, dass er sich zum nützlichen Idioten der Zionisten degradiert, die in den
USA und hierzulande die politische Macht haben und alles verhindern, was den
nationalen Interessen Deutschlands dient«.