Neonazismus:
Deutsches Haus
Deutscher Alltag anhand von Abschiebungen, Übergriffen und
Friedhofsschändungen...
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»Immer mehr Menschen werden in der Bundesrepublik auf Dauer
in Flüchtlingslagern untergebracht, selbst wenn sie längst nicht mehr den Status
Asylsuchender haben«, berichtet der Bayerische Flüchtlingsrat in einer
Pressemitteilung vom 22. Oktober. In Bayern würden nicht nur asylsuchende
Personen ins Lager eingewiesen, sondern auch solche, die eine
Aufenthaltsgenehmigung besitzen. Ehegatten und minderjährige Kinder, die selbst
die Voraussetzungen nicht erfüllen, seien ebenfalls zum Lageraufenthalt
verpflichtet. Familiäre und soziale Beziehungen würden ignoriert, auf schwere
Erkrankungen und andere humanitäre Belange werde keine Rücksicht genommen. In
einigen Diskotheken in Mecklenburg-Vorpommern herrscht eine ausländerfeindliche
Einlasspraxis. Lobbi, ein Beratungsverein für Betroffene rechter Gewalt,
informierte, so berichtet die taz am 21. Oktober, dass in Pasewalk, Bad Doberan
und Rostock Menschen mit dunkler Hautfarbe »gezielt abgewiesen« wurden. Die
Hamburger Ausländerbehörde beschloss am 21. Oktober die Abschiebung der 13 bzw.
14 Jahre alten Schwestern Silvia und Gifty Oppong. Ihre in Hamburg lebende
Mutter hatte die Mädchen vor mehreren Jahren ohne Visum aus Ghana zu sich
geholt. In Ghana müssen die beiden in einem Waisenhaus leben und auf den
Bescheid zur Wiedereinreise warten. In der Nacht vom 16. auf den 17. Oktober
wurde ein Brandanschlag auf ein türkisches Vereinsheim in Murrhardt bei
Stuttgart (Baden-Württemberg) verübt. Drei der Polizei als rechtsextrem bekannte
Männer im Alter von 17 bis 23 Jahren gaben an, selbst gebaute Brandsätze und
Pflastersteine mit SS-Runen in das Kulturheim geworfen zu haben. Zwei schwangere
Roma-Frauen sind am 15. und 16. Oktober von der Berliner Ausländerbehörde nach
Belgrad bzw. Sarajewo abgeschoben worden. Die Frauen lebten seit 1991 mit ihren
Kindern in Deutschland und sind mit deutschen Männern liiert oder verheiratet.
Mit der Inhaftierung habe die Berliner Behörde bewusst eine Gefährdung der
Schwangerschaften in Kauf genommen, kritisierte der Berliner Flüchtlingsrat. Die
Geburt der Kinder in Deutschland hätte für beide Mütter das Aufenthaltsrecht
erwirkt. Die Ausländerbehörde spricht in einem Fall von einer Scheinehe. Im
September 2002 hatte das Berliner Abgeordnetenhaus eine Initiative für eine
humanitäre Bleiberechtsregelung beschlossen. Danach haben Roma grundsätzlich das
Recht auf eine Einzelfallprüfung. Am 15. Oktober wurden auf einem jüdischen
Friedhof in Michelstadt im Odenwald (Hessen) fünf Grabsteine umgestoßen. Die
Polizei ermittelte vier tatverdächtige Personen zwischen 15 und 21 Jahren. Am
gleichen Tag entdeckte die Polizei Beschädigungen auf einem jüdischen Friedhof
in Beeskow (Brandenburg). Bisher unbekannte TäterInnen beschmierten die
Umfriedungsmauern und mehrere Grabsteine mit antisemitischen und rechtsextremen
Parolen.
Jungle World
Jungle World Nummer 45 vom 29.10.2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-10-30
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