Südafrika:
Angeschlagene Burenmacht
Rechtsextremisten in Südafrika - Ein Prozess gegen
rechtsradikale Terroristen zeigt, dass sie unter den Buren kaum mehr Rückhalt
finden...
Philipp Merkofer
«Wenn Sie mal wieder einen aussergewöhnlich ruhigen Tag
verlebten und nichts Aussergewöhnliches vorgefallen ist, dann denken Sie an uns
- Ihre National Intelligence Agency, die dafür gesorgt hat.» Mit solchen
Fernsehspots wendet sich der südafrikanische Geheimdienst NIA an die
Bevölkerung, die im letzten Jahr durch eine Serie von Bombenanschlägen der
weissen Extremistengruppe Boeremag (Burenmacht) verunsichert wurde. Ein
geplanter Anschlag auf den Uno-Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in
Johannesburg im August 2002 konnte zwar verhindert werden. Die Boeremag
versuchte aber im Oktober gleichen Jahres, mit Bombenanschlägen verhaftete
Mitglieder freizupressen. In kürzester Zeit gelang es Geheimdienst und Polizei,
die noch flüchtigen Bombenleger dingfest zu machen und die Terrororganisation zu
zerschlagen. Seit August findet in Pretoria der Hochverratsprozess gegen 22
Rechtsextremisten der Boeremag statt. Ihnen wird auch die Planung eines
Staatsstreichs und eines Attentats auf Nelson Mandela vorgeworfen. Waren diese
rechtsextremen Anschläge Zeichen eines kommenden Sturms? Oder stellen radikale
Extremistengruppen für die Demokratie keine Gefahr mehr dar - so wie es die NIA
suggeriert?
Verlierer der Revolution
In den späten achtziger Jahren und im Übergangsprozess zur
Demokratie in den frühen neunziger Jahren war es insbesondere die Afrikaaner
Weerstandsbeweging (AWB) um Eugene Terre’Blanche, die mit gewaltsamen Aktionen
das Ende der Apartheid zu verhindern trachtete. Die 1973 gegründete AWB
mobilisierte ihre Anhängerschaft in der afrikaanssprachigen weissen Unterschicht
mittels einer nationalsozialistisch inspirierten Ideologie, hakenkreuzähnlichen
Symboliken und dem Ziel, eine exklusive Burenrepublik zu etablieren. 1993
versuchte die AWB in Johannesburg, den Tagungsort der Verhandlungen über die
demokratische Zukunft Südafrikas zwischen der Regierung Frederik De Klerks und
dem African National Congress zu stürmen. Kurz vor den ersten demokratischen
Wahlen 1994 versuchten zudem AWB-Truppen, den Homelandführer Lucas Mangope in
Bophuthatswana mit Waffengewalt an der Macht zu halten - also eine Reintegration
dieses Homelands in Südafrika zu verhindern -, und mit Bombenattentaten einen
Bürgerkrieg anzuzetteln. Die AWB wurde Mitte der neunziger Jahre aber zunehmend
neutralisiert, und ihre Bombenleger wurden inhaftiert. Die Anhängerschaft -
einst über zehntausend - wird mittlerweile nur noch auf wenige hundert
geschätzt. Und der AWB-Führer Terre’Blanche verkam zu einer medialen Witzfigur -
vor allem wegen seiner in peinlichen Details veröffentlichten Affäre mit einer
Journalistin und weil er mehrfach besoffen vom Pferd gefallen war. Zurzeit sitzt
Terre’Blanche eine langjährige Gefängnisstrafe wegen versuchten Mordes ab, weil
er 1996 einen schwarzen Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma mit einer Eisenstange
derart traktierte, dass dieser seither behindert ist. Daneben erschütterten auch
rechtsextreme Einzeltaten den Übergangsprozess, wobei zwei besonders in
Erinnerung blieben: Die Ermordung des Kommunistenführers Chris Hani durch den
polnischen Immigranten Janus Walus 1993 und der rassistische Amoklauf von Barend
Strydom, einem Führer der White Wolves (Weisse Wölfe), der 1988 in Pretoria acht
Schwarze auf offener Strasse erschoss.
Vielfältiges Burentum
Die gewaltbereite Rechte in Südafrika weist insgesamt aber
nur geringen Rückhalt unter den Weissen auf, auch unter den BurInnen. Nur ein
kleiner Teil der AfrikaanerInnen gilt als radikalisiert. Die Geschichte der
burischen National Party ist durch Abspaltungen und Neugründungen rechter
Splitterparteien gekennzeichnet, die sich mit den «kosmetischen Reformen» Pieter
Bothas und der «Pretoriastroika» unter Frederik De Klerk nicht abfinden konnten.
Dazu gehören neben der AWB die in den achtziger Jahren gegründete Konservative
Partei um Andreas Treurnicht und die Freiheitsfront des ehemaligen Generals
Constand Viljoen. Der Entscheid der Freiheitsfront, an den ersten demokratischen
Wahlen 1994 teilzunehmen und mit rechtsstaatlichen Mitteln für eine
afrikaanische Autonomie zu kämpfen, delegitimierte die extreme, gewaltbereite
Rechte und liess deren Anhängerschaft weiter schrumpfen. Radikalkonservative
Afrikaaner mit separatistischen Ideen haben sich in den letzten Jahren entweder
in den etablierten Politikprozess integriert und politisieren nun innerhalb der
Freiheitsfront und der Demokratischen Allianz - oder sie haben sich gänzlich aus
der Politik verabschiedet (Viljoen), sind inhaftiert (Terre’Blanche) oder
emigriert. Für den Grossteil der burischen Bevölkerung geht es weniger um einen
«Volksstaat» als um individuelle und kulturelle Minderheitenrechte wie die
Bewahrung des Afrikaans als Amtssprache. Im Unterschied zu den älteren
rechtsradikalen Organisationen rekrutierte sich die in den letzten Jahren aktiv
gewordene Boeremag aber nicht nur aus der burischen Unterschicht (Farmer,
Handwerker, Arbeitslose), sondern vermehrt aus dem Mittelstand. In einem weit
umfangreicheren Ausmass war die Boeremag zudem als Terrorzelle strukturiert.
Einzelne Boeremag-Mitglieder gehörten überdies zur Apartheidzeit Armee und
Repressionskräften an. Mit ihrem Anspruch und ihrer Ideologie steht die Boeremag
aber in der Tradition früherer Bewegungen. Ein ethnisch exklusiver Volksstaat
wird durch religiöse Mythen von der Auserwähltheit des burischen Volkes
legitimiert. Verwiesen wird auch auf die Prophezeiungen des burischen Sehers
Nicolaas van Rensburg aus dem 19. Jahrhundert, wonach Anfang des neuen
Jahrtausends nach einer kurzen Periode «schwarzer Herrschaft» ein Bürgerkrieg
ausbrechen werde, in dessen Gefolge die Schwarzen und Inder an die Küste
verdrängt würden und ein burischer Volksstaat im alten Transvaal (die heutigen
Provinzen Gauteng, Mpumalanga, Limpopo und North West) errichtet werde. Im
Hochverratsprozess bezogen sich mehrere Angeklagte auf diese Prophezeiungen, die
es zu erfüllen gelte.
WOZ - die
WochenZeitung
WOZ - die WochenZeitung (CH) vom 23.10.2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-10-30
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