Zentrum gegen Verteibungen:
Zentrum gegen Versöhnung
Warum das Nazi-Bild von Erika Steinbach in Polen Anklang
findet...
Gabriele Lesser
Die Nazis sind zurück in Europa - zumindest erwecken die
Bushaltestellen in Polen derzeit diesen Eindruck. Auf großen Werbeplakaten für
ein Nachrichtenmagazin reitet eine blonde Frau in Naziuniform auf dem Rücken von
Gerhard Schröder. Sie lacht, der Kanzler lächelt zufrieden. Wer die blonde Frau
ist, braucht man in Polen niemandem zu erklären: Erika Steinbach, die
Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen. In Polen ist sie so bekannt wie
Schröder und Fischer. Diese Collage ist eine Entgleisung, keine Frage.
Komplizierter ist die Frage, warum sich der Titel in Polen so gut verkauft.
Die Vorarbeit zu diesem Titelbild hat Erika Steinbach selbst
geleistet. Jeder in Polen weiß, dass Steinbach keine Vertriebene ist, sondern
als Tochter eines Luftwaffenoffiziers im nazibesetzten Polen geboren wurde. Dass
die Polen aus Rumia vertrieben wurden, um den Reichsdeutschen Platz zu machen.
Wie kann Erika Steinbach heute um ihre "verlorene Heimat Rahmel trauern", gar
Entschädigung von den Polen fordern? Jeder in Polen weiß auch, dass die
Vertriebenenverbände die deutsch-polnische Grenze nie anerkannt haben. Dass sie
gegen die Aufnahme Polens in die EU waren, wenn Polen nicht zuvor die
Eigentumsforderungen der deutschen Vertriebenen befriedige. Tue Polen dies
nicht, werde es in der EU eine "eiternde Wunde" bleiben. Das hat in Polen
niemand vergessen.
Dass Erika Steinbach und die Vertriebenen nun für 80
Millionen Euro ein Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin bauen wollen, hat in
Polen eine hitzige Debatte über Täter und Opfer des Zweiten Weltkriegs
ausgelöst. Das Konzept des Zentrums, in dem vor allem der vertriebenen Deutschen
gedacht werden soll, ist in Polen bekannt. Darin würden die Polen nur als Täter,
als Vertreiber, vorkommen. Dass zugleich mit den Deutschen Millionen Polen aus
Ihrer Heimat vertrieben wurden, soll nur in einer Wechselausstellung, die nach
drei Monaten wieder abgehängt werden kann, zur Sprache kommen. Das ist
Geschichtsfälschung, sagen die Polen. Zu Recht.
Dass sich Steinbach das verheerende Echo auf ihren Auftritt
in Polen nun nur mit dem hinterhältigen Wirken von Markus Meckel erklären kann,
passt ins Bild. Sie kann sich wirklich nicht vorstellen, wie ihre Sätze in
polnischen Ohren klingen. Mit Steinbach ist ein Versöhnung stiftendes Zentrum
gegen Vertreibung nicht zu realisieren. Die Polen haben inzwischen ein eigenes
Konzept für ein "Museum der europäischen Völker" entwickelt. Sie werden es bei
den Regierungstreffen am nächsten Montag vorlegen. Polen möchte, dass das Museum
unter der Ägide des Europarates entsteht. Das ist genau das Richtige.
die tageszeitung
die tageszeitung vom 19.09.2003
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/ 2003-09-23
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