Diesmal gab es keinen Eklat. Nachdem am Samstag Bundespräsident Johannes Rau
beim diesjährigen "Tag der Heimat" seine Festrede beendet hatte, klatschten die
Vertriebenen höflich, die sich in der Komischen Oper in Berlin versammelt
hatten. Das übliche Zischen und Pfeifen war nicht zu hören, mit dem früher bei
Vertriebenentreffen viele Versöhnungsimpulse bedacht worden waren. So war der
ehemalige Bundespräsident Roman Herzog 1996 noch als "Vaterlandsverräter"
beschimpft worden, als er allen Ansprüchen auf die ehemaligen Ostgebiete eine
Absage erteilt hatte.
Seit einiger Zeit sorgt jedoch das "Zentrum gegen Vertreibungen" für Streit,
das der Bund der Vertriebenen initiieren will. Die Vorsitzende Erika Steinbach
stellte die Idee am Samstag erneut vor. Es soll deutsch und europäisch sein. Es
soll die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem generellen Problem der
Vertreibungen unterstützen. Erika Steinbach ist nicht entgangen, dass die
Vereinstätigkeit der Erlebnisgeneration nicht mehr ausreicht.
Es ist vor allem der vom Vertriebenenverband favorisierte Standort Berlin,
der immer mehr Kritiker aus dem In- und Ausland auf den Plan ruft. Hier nun
wurde Rau deutlich. Er riet den Vertriebenen, "alles zu unterlassen, was den
Streit in Deutschland weiter anheizt". Rau wandte sich dagegen, das Leid der
Vertriebenen und der Opfer des Naziterrors gegeneinander auszuspielen. "Für das
Hin und Her von Aufrechnung und Gegenaufrechnung und für die Anmeldung
gegenseitiger materieller Ansprüche darf es keinen Raum mehr geben, denn das
liegt hinter uns, und wer solches Verhalten wiederbeleben will, der führt uns
wieder in den Teufelskreis".
Außenminister Joschka Fischer und Kanzler Gerhard Schröder gehören zu den
profilierten deutschen Kritikern eines Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin.
Dies haben sie kürzlich auch in Prag gegenüber der tschechischen Regierung
deutlich gemacht. Damit nehmen sie jedoch nicht zur Kenntnis, dass die Haltung
zur Vertriebenenfrage in der tschechischen Gesellschaft keineswegs einhellig
ist. Schon 1944 wurde die Vertreibung der Deutschen von der tschechischen
Exilregierung in London kritisiert. Und diese Tradition lebt in Tschechien bis
heute fort.
Kritik am geplanten Zentrum kommt jedoch nicht nur von deutscher oder
tschechischer Regierungsseite - auch innerhalb der Vertriebenen ist das Projekt
umstritten. So war auffällig, dass führende Mitglieder der Sudetendeutschen
Landsmannschaft auf dem "Tag der Heimat" fehlten, wie etwa Johann Böhm oder
Bernd Posselt. Offenbar befürchten sie eine "Musealisierung" ihres Anliegens
durch das Vertriebenenzentrum. Sie scheinen sich von andauernder Konfrontation
mehr zu versprechen.