Bis zu 4 000 spanische Kriegsfreiwillige sollen im Zweiten
Weltkrieg, auf deutscher Seite kämpfend, in der Sowjetunion gefallen sein. Die
Leichen der Freiwilligen der so genannten Blauen Division sollen nun, geht es
nach der spanischen Regierung, identifiziert, nach Spanien zurückgeführt und
beerdigt werden. Das gab das Verteidigungsministerium kürzlich bekannt.
Die Blaue Division, deren offizieller Name Spanische
Freiwillige Division war, wurde 1941 von dem Diktator Francisco Franco aufgebaut
und nach Deutschland geschickt, um Hitler zu unterstützen. Zu der Division
gehörten ungefähr 60 000 Freiwillige, durchweg überzeugte Faschisten. Antonio
Rodríguez gehörte der faschistischen Partei Francos, den Falangisten, an und war
einer der Freiwilligen. Sie wollten »die jüdisch-kommunistische Weltverschwörung
der Bolschewisten in Russland« bekämpfen, sagt er. Obwohl die Division im Herbst
1943 offiziell zurückgezogen wurde, blieben viele der Freiwilligen an der Front
und traten in die Waffen-SS ein.
Seit Mai 1996 bereits arbeitet das spanische
Verteidigungsministerium mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
zusammen, um die Leichen zurückführen zu können. Am 4. Mai jenes Jahres war José
Maria Aznar, der während der Francodiktatur einer rechtsextremen Vereinigung
angehört hatte, zum Ministerpräsidenten ernannt worden.
Die Tatsache, dass Aznar Sohn einer aus Navarra stammenden
baskischen Familie ist, deren Mitglieder führende Rollen in der Diplomatie und
im Journalismus in den Zeiten der Diktatur gespielt hatten, lässt vermuten, dass
seine Entscheidung, die Toten zu repatriieren, nicht zufällig war. Sie lässt
sich nur als eine Dankbarkeitsbekundung an die extremistischsten Wählerschichten
seiner Partei deuten. In Spanien gibt es im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich
oder Italien keine bedeutende rechtsextremistische Partei. Das gesamte Spektrum
der Rechten findet sich in der Partido Popular (PP) wieder, die im März 1977 als
Alianza Popular von mehreren ehemaligen Ministern der Franco-Regierung gegründet
worden war.
Auf seiner Website teilt das spanische
Verteidigungsministerium mit, dass die Arbeiten zur Identifizierung der in
Pavlosk und Nikolskoye gefundenen Leichen beendet seien. Die meisten Ortsangaben
wurden auf Wunsch des Ministeriums von der Hermandad de la División Azul
geliefert. Diese Bruderschaft ist ein in den vierziger Jahren gegründeter
faschistischer Verein. Zu seiner Leitung gehören ehemalige Offiziere der
Division, die nach dem Krieg Karriere in der spanischen Armee machten und die
Ränge von Generälen und Generalobersten erreichten.
Außerdem weist das Ministerium darauf hin, dass es »die
zweckmäßigen Befehle« erteilen werde, »um die spanischen und russischen
Dokumente über die Botschaft in Moskau zu beschaffen, damit die identifizierten
sterblichen Hüllen ins Vaterland zurückgesendet und den Angehörigen zur
Verfügung gestellt werden«.
Der spanischen Regierung scheint nichts zu teuer zu sein, um
ihr Ziel zu erreichen. Diese Großzügigkeit ist keine Ausnahme. Auch die Stiftung
Francisco Franco wurde in den vergangenen Jahren unterstützt. Vorsitzende der
Stiftung ist die Tochter des ehemaligen Diktators, Carmen Franco. Im
Stiftungsregister des Kulturministeriums ist festgehalten, dass das Ziel der
Stiftung sei, »die menschlichen, politischen und militärischen Grundideen des
Generalissimus zu verbreiten« und »dazu beizutragen, dass seine Ideologie in
Zukunft im spanischen Leben vorherrscht«. Die Regierung gewährte der Stiftung in
den Jahren 2000 bis 2002 über 126 000 Euro Unterstützung.
Ganz anders verhält sie sich gegenüber den Tausenden von
Bürgern, die von Faschisten während des Bürgerkrieges und des Francoregimes
umgebracht wurden und bis heute in anonymen Massengräbern liegen. Der im
Parlament eingebrachte Vorschlag, eine Million Euro des Staatshaushaltes zur
Öffnung der Massengräber bereitzustellen, wurde von der PP abgewiesen. Der
Verein für die Wiedererlangung des Historischen Gedächtnisses (ARMH ) bat
daraufhin um eine Intervention der Uno-Arbeitsgruppe »Zwangsweises und
unfreiwilliges Verschwinden«. Diese Arbeitsgruppe der Kommission für
Menschenrechte solle den spanischen Staat daran erinnern, dass das
Verschwindenlassen von Menschen ein fortdauerndes und unverjährbares Verbrechen
sei.
Der Verein, der im Dezember 2000 von Emilio Silva, einem
Enkel eines der Vermissten, gegründet wurde, erhielt inzwischen mehr als 2 500
Aufträge von Personen, die erfahren möchten, wo sich ihre Verwandten befinden.
Man schätzt, dass mehr als 30 000 nicht identifizierte Menschen, die zwischen
1936 und 1977 von Anhängern Francos ermordet wurden, in Massengräbern liegen.
Nach jüngsten Forschungsergebnissen könnten sogar 130 000 Menschen Opfer der
Anhänger Francos geworden sein.
Die Opfer wurden oft an Ort und Stelle verscharrt: an
Landstraßen, in Stollenschächten und bei alten Bauernhöfen. Der Ort vieler
Massengräber dagegen ist bekannt. Oft waren Nachbarn über die Morde und
Massengräber im Bilde, schwiegen aber aus Angst vor dem Terror. In Sevilla gibt
es beispielsweise ein Massengrab mit etwa 2 500 Menschen. Zu den vermissten
Opfern zählt etwa auch der im August 1936 von Falangisten in Granada erschossene
weltbekannte Dichter Federico García Lorca.
Viele vermuten, dass das Militär die einzige Organisation
sei, welche die tatsächliche Zahl der Massengräber und Vermissten kenne. Emilio
Silva sagte der Zeitschrift Interviú, es gebe im Militärgericht von Ferrol in
Galicien allein für die Provinz von León 16 000 registrierte Fälle und 28 000 in
der Provinz Cantabria. Die entsprechenden Geheimprotokolle sind nur mit einer
Sondergenehmigung eines Militärgerichts einsehbar.
Der ARMH bittet nun die Uno um Mithilfe, damit die
Militärarchive geöffnet werden. Obwohl Spanien zum ersten Mal in der Uno-Liste
von Ländern erwähnt wird, in denen es »zwangsweises Verschwinden« gibt, bleiben
die ermordeten Antifaschisten anonym unter der Erde verscharrt, während die
Faschisten der Blauen Division »ehrenvoll« ins Vaterland zurückkehren.