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Schweden und Euro-Einführung:
Nur ein Fliegendreck

In Schweden entscheidet eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro. Die linken Parteien gehören zu den Neinsagern mit nationalistischen Reflexen...

Bernd Parusel (Stockholm)

Die Schüler und Studenten, die zur Zeit in den Fußgängerzonen zwischen Malmö und Kiruna Flugblätter pro oder contra Euro und Europäische Währungsunion (EMU) verteilen, sollte man nicht um ihre persönliche Meinung fragen. Mitunter erzählen sie sonst, sie wüssten selbst noch nicht, was sie von der Sache zu halten haben. Für sie ist es oft einfach ein Nebenjob, die Euro-Pamphlete der verschiedenen Parteien und Interessengruppen unter die Passanten zu bringen.

Mit ihrer Unentschlossenheit stehen die Schüler nicht allein da. Zwischen zehn und 20 Prozent der Schweden haben sich noch nicht entschieden, ob sie am 14. September an der Wahlurne ja oder nein zum Euro sagen werden. Obwohl die Neinsager in allen Umfragen souverän mit ungefähr 48 zu 37 Prozent führen, könnten die Unentschlossenen das Blatt am Wahltag noch wenden. Die Euro-Befürworter um den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Göran Persson hoffen nun, die Stimmung ändern zu können. Sie erhalten auch dadurch Auftrieb, dass die Euro-Gegner zur Zeit alles dafür zu tun scheinen, sich durch unsachliche Vergleiche oder allzu drastische Stimmungsmache zu disqualifizieren. Bereits Anfang Juli stürzte eine der schwedischen »Nein-Königinnen« auf diese Weise von ihrem Thron. Maud Olofsson, die Vorsitzende der Zentrumspartei, die als einzige Partei des bürgerlichen Spektrums den Euro ablehnt, hatte die umstrittene britische EU-Gegnerin Janet Bush zu einer Parteiveranstaltung eingeladen. Bush war zuvor durch Vergleiche der Europäischen Währungsunion mit dem Dritten Reich aufgefallen. Hitler habe einen europäischen Einheitsstaat angestrebt und zu diesem Zweck auch eine gemeinsame Währung einführen wollen. »Wenn Hitler dafür war, müssen wir dagegen sein«, hieß es in einem ihrer Werbeclips gegen den Euro in Großbritannien. Als diese Propaganda in Schweden durch die Presse ging, erklärte Maud Olofsson, Hitler habe üble Dinge getan, und daraus müsse man nun lernen und keine Strukturen aufbauen, die den Frieden und die Sicherheit in Europa gefährden könnten.

Olofssons umstrittenem Vergleich liegt indes ein Argumentationsmuster zu Grunde, das vor allem unter den linken Parteien weit verbreitet ist. Sowohl für die Grünen als auch für die Linkspartei und Teile der Sozialdemokratie ist die EU dabei, sich zu einer Supermacht zu entwickeln, mit der nur Schlechtes assoziiert wird: Aufrüstung, Umweltzerstörung, Benachteiligung der Dritten Welt, Ausgrenzung von Einwanderern und Flüchtlingen. Je emotionaler die Debatte darüber wird, desto mehr neigen einige Politiker nun offenbar dazu, in Brüssel, oder bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, Diktatoren mit »Großmachtsträumen« am Werk zu sehen.

Vielen Linkspolitikern ist jedoch nicht nur die Politik der EU ein Dorn im Auge, sondern auch die Tatsache, dass die Möglichkeiten Schwedens, diese Politik zu beeinflussen, begrenzt sind. In den politischen Debatten wird Schweden selten als aktiver Mitgliedsstaat dargestellt, sondern meist als ein unbedeutender Teilstaat, ein Fliegendreck, der auf die Beschlüsse der großen Staaten, etwa Deutschlands und Frankreichs, keinen Einfluss nehmen kann.

Der Euro stellt in den Augen vieler einen weiteren Schritt in diese Richtung dar. Käme die Gemeinschaftswährung, so verlöre Schweden die Möglichkeit, Leitzinsen selbst festlegen und eine eigenständige Geldpolitik betreiben zu können. Diese Kompetenzen würden von der Stockholmer Reichsbank an die Frankfurter Zentralbank übertragen. Die Angst geht um, dass dies eine höhere Arbeitslosigkeit und einen mit Sparzwängen begründeten Abbau des Sozialstaats mit sich bringen könnte.

Die Überlegung, ob Schweden eine wichtigere Stellung einnehmen kann, wenn es an der Währungsunion teilnimmt oder aber wenn es auf seiner eigenen Währung beharrt, beschäftigt indes nicht nur die linken, sondern alle Parteien. Die politische Mitte und die gemäßigte Rechte vertreten die Ansicht, nur wenn man sich an der Euro-Zusammenarbeit beteilige, könne man das vergleichsweise großzügige schwedische Wohlfahrtssystem aufrechterhalten und Teile davon möglicherweise sogar auf die ganze EU ausdehnen.

Dieser Standpunkt erhielt in den letzten Tagen Unterstützung aus dem Nachbarland Finnland. Dort wird bereits seit 2002 mit dem Euro bezahlt. Die finnische Präsidentin Tarja Halonen erklärte, ohne Verbündete könne man in einer globalisierten Welt nichts mehr durchsetzen. Die europäische Zusammenarbeit, inklusive Währungsunion, sei daher die »beste Methode, die nordische Wohlfahrtsgesellschaft zu verteidigen«, so Halonen in einem Zeitungsinterview. Darüber hinaus versuchte sie, den schwedischen Wählern ihre Angst vor dem Euro zu nehmen: »Wenn man erstmal dabei ist, ist das mit dem Euro auch überhaupt nicht mehr dramatisch.«

In den schwedischen Linksparteien fallen solche Überlegungen freilich nicht auf fruchtbaren Boden. Hier herrscht im Gegenteil die Meinung vor, der Sozialstaat ließe sich nur retten, wenn die Kompetenzen der als neoliberal kritisierten EU so weit wie möglich begrenzt würden und man sich noch vorhandene nationale Spielräume erhielte.

Problematisch hierbei ist, dass dies eine Rückwendung zum Nationalstaat bedeuten würde, und dass Schweden in diesem Zusammenhang oft als eine Insel des Wohlstands und der sozialen Sicherheit dargestellt wird, die sie nicht mehr ist. Die Zeitungen sind derzeit voll von Alarmmeldungen über den Arbeitsmarkt.

Die Arbeitslosenquote steigt seit Monaten, und insbesondere Jugendliche und Migranten bleiben immer häufiger ohne Job. Unter Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren ist die Arbeitslosigkeit bereits höher als in Deutschland. Und mehrere Untersuchungen der jüngsten Zeit haben ergeben, dass Migranten in kaum einem westlichen Land so schlechte Jobchancen haben wie in Schweden.

Hinzu kommen gravierende Missstände im Gesundheitssystem. Auf komplizierte Operationen müssen Kranke mitunter monatelang warten. Medikamente werden immer teurer, und das Krankengeld wird gekürzt. Das romantische Bild einiger Linker, in Schweden sei ohne den Euro alles besser, verblasst langsam, und immer lauter wird die Kritik daran, dass sich die Linke in der Euro-Frage so stark auf die Rolle des Nationalstaats zurückzieht. Große Teile der linken Parteigänger hätten einfach Angst vor allem Neuen, vor Konkurrenz, Offenheit und Einwanderung, schimpften jetzt 19 schwedische Künstler und Schriftsteller in der Zeitung Dagens Nyheter. Über ihrer »Verteidigung des Bestehenden« und ihrer Kritik an der EU sei die Linke »nationalistisch geworden«.

Ein aktuelles Flugblatt der rechtsextremen schwedischen »Nationaldemokraten« scheint diesen Vorwurf zu unterstreichen. Dort ist davon die Rede, in der Euro-Frage stehe die Selbstständigkeit Schwedens auf dem Spiel, und immer mehr politische Kompetenzen würden auf den »Superstaat« EU übertragen. Nicht nur ihr Vokabular macht es inzwischen schwer, zwischen Links und Rechtsaußen zu unterscheiden.

Jungle World
Jungle World Nummer 37 vom 03.09.2003

kt / hagalil.com / 2003-09-05

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