Die Seelenbinderstraße in Berlin-Köpenick könnte zu einem Wallfahrtsort für
Nazis werden. Die Bundeszentrale der Partei wurde Anfang des Jahres 2000 von
Stuttgart dorthin verlegt und war seither immer wieder ein Grund für Proteste.
Nun soll in ihrer Nähe auf einem Hinterhof ein »nationaldemokratisches
Bildungszentrum« (NBZ) entstehen. Das Planungsverfahren ist bereits
abgeschlossen, die Genehmigung wurde im März von der Bauverwaltung des
Stadtteils Treptow-Köpenick erteilt.
Für die Errichtung des Schulungszentrums haben der NPD-Vorsitzende Udo Voigt,
der Schatzmeister Erwin Kemna, und ihr derzeitiger »Schulungsverantwortlicher«,
Stefan Lux, einen Spendenaufruf formuliert, denn billig ist das geplante Projekt
nicht. 180 000 Euro soll das Zentrum kosten, 70 000 Euro müssen noch gesammelt
werden, damit die Arbeiten beginnen können.
Umfangreiche Umbauten sind erforderlich. In dem zweistöckigen Gebäude sind
neben einem Schulungsraum für 60 Personen mehrere Zimmer zur billigen
Unterbringung von 20 bis 25 Seminarteilnehmern geplant. Auch eine »nationale
Zentralbibliothek der NPD« soll hier entstehen. Bisher ist der nach Angaben der
Partei etwa 5 000 Bücher umfassende Bestand auf verschiedene
Landesgeschäftsstellen verteilt.
Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Hinweise, dass die Partei
Immobilienkäufe zur Errichtung von Bildungsstätten, mal in Süddeutschland, mal
in den östlichen Bundesländern, beabsichtige. Jetzt ist es der NPD damit
offenbar in Berlin ernst. Hinter den Plänen stehen vor allem strategische
Interessen der Partei. So nannte Voigt in einem Interview mit der parteieigenen
Zeitung Deutsche Stimme bereits im Februar 2002 die Bildungsarbeit der NPD einen
»wunden Punkt«.
Voigt war zeitweilig Leiter des »nationaldemokratischen Bildungszentrums« im
italienischen Iseo. Es war untergebracht in einem Ferienhaus, das die Partei
1985 von einer NPD-Funktionärin geschenkt bekommen hatte. Seine eigene
Bildungsarbeit in Iseo dient Voigt als Vorbild, denn in dem Interview bekannte
er, dass es sein Interesse sei, die von dort gewohnte »Qualität in der
Ausbildung und die Quantität geeigneter künftiger Führungskräfte der Partei
baldmöglichst wieder zu erreichen, wenn nicht gar zu verbessern«.
Zu diesem Zweck stellte er ein »geeignetes Schulungszentrum« in Aussicht, in
dem »z.T. hauptamtliche Bildungsreferenten die künftige Aus- und Weiterbildung
unseres Führungsnachwuchses, ähnlich des ›Iseo-Konzepts‹, übernehmen«. Voigt
erklärte das Jahr 2003 zum Jahr der »Schulungen und einer Struktur- und
Verbandsreform«.
Auch Stefan Lux ist ein Fachmann. Der Nachfolger von Steffen Hupka als
Bildungsleiter der Partei fuhr in diesem Jahr zu Rechtsschulungen zum »Verhalten
gegenüber Polizei und Justiz« nach Ulm und an den Bodensee und nahm an der
»Sommeruniversität« der NPD-Saar teil.
Für das »Jahr der Schulungen« wird das geplante Bildungszentrum aber zu spät
kommen, denn die Bauarbeiten haben noch nicht einmal begonnen. Der
Pressesprecher der NPD, Klaus Beier, rechnet damit nicht vor dem Herbst. Bewacht
wird das Gelände aber schon jetzt. Wie Beier sagt, solle der Umbau »unter
höchsten Sicherheitsvorkehrungen ablaufen«.
Dabei hilft die ständige Polizeipräsenz vor der NPD-Zentrale. »Wegen seiner
ausgezeichneten Bewachung« biete das Gelände »eine große Sicherheit für die
Teilnehmer von Veranstaltungen«, heißt es aus der Partei.
Der letzte erfolgreiche Anschlag auf die NPD-Zentrale liegt erst knapp ein
Jahr zurück. Damals brannte das Auto eines Mitarbeiters der Partei. Zahlreiche
Demonstrationen und Aktionen haben die NPD immer wieder daran erinnert, dass
nicht alle Köpenicker sie dulden wollen. Die antifaschistischen Aktivitäten
gegen die Partei müssen in dem östlichen Stadtteil allerdings fast ohne
Unterstützung aus dem bürgerlichen Lager auskommen. Die jüngste Verhinderung des
in Köpenick geplanten Kontrollverluste-Festivals der Antifa durch örtliche SPD-
und PDS-Politiker war bezeichnend.
Der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Klaus Albrecht (SPD), der auch
Schirmherr des örtlichen Bündnisses für Demokratie und Toleranz ist, sieht keine
rechtlichen Möglichkeiten, das NPD-Projekt zu verhindern. Die Partei sei ja
nicht verboten. Er erwarte aber keine großen Konflikte, alle Parteien müssten
sich auf eine stärkere inhaltliche Diskussion mit den Rechtsextremisten
einstellen.
Die PDS in Treptow-Köpenick befürchtet von dem geplanten Schulungszentrum
einen stärkeren Einfluss der rechtsextremen Partei im Bezirk: »Schon jetzt
wohnen etwa zehn Prozent des bekannten rechtsextremistischen Personenpotenzials
Berlins im Stadtbezirk Treptow-Köpenick.« Tatsächlich dürfte insbesondere die
Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten (JN), vom Ausbau der
rechtsextremen Infrastruktur profitieren.
Mit ihrer Bildungsoffensive steht die NPD im rechtsextremen Spektrum
keinesfalls allein da. Schon seit einiger Zeit erwerben auch Freie
Kameradschaften Immobilien, um unabhängige Bildungszentren zu errichten. So gab
es nach dem Ende des niedersächsischen Nazi-Zentrums in Hetendorf Versuche, in
Amholz in Mecklenburg-Vorpommern ein neues zu etablieren.
Solche Häuser dienen meist als Treffpunkte zur Koordination von
rechtsextremen Aktivitäten. Ein Beispiel dafür ist das so genannte Braune Haus
in Eschweiler, das 1999 vom Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft (BDVG)
übernommen wurde. Für über ein Jahr hatte die Nazi-Zeitung Schwarze Fahne dort
ihren Sitz, ebenso der gleichnamige Versandhandel. Das Haus sollte zu einem
Schulungszentrum der BDVG ausgebaut werden. Nach andauernden Protesten von
NachbarInnen zog sich die BDVG allerdings im Sommer 2000 wieder aus Eschweiler
zurück.
Die NPD will es in Köpenick besser machen. In der Nähe ihrer Parteizentrale
soll nicht nur ein NBZ entstehen, sondern auch die »national befreite Zone«, an
die das Kürzel erinnert.