Die »neue Dimension der Bedrohung«, die der bayerische
Innenminister Beckstein (CSU) angesichts des Sprengstofffundes bei
Rechtsextremisten in München zu erkennen meint, sieht aus der Nähe betrachtet
ganz schön alt aus. Terroristische Gewalt gegen Juden hat bei Nazis Tradition.
Und auch in Bayern beschränken sie sich nicht bloß auf verbale
Vernichtungsphantasien und das gelegentliche Schänden von Friedhöfen und
Gedenksteinen.
Sieben Menschen starben etwa am 13. Februar 1970 bei einem
nächtlichen Brandanschlag auf das Israelitische Altersheim in München. Im
Dezember 1980 wurde in Erlangen der jüdische Verleger und ehemalige Vorsitzende
der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, Shlomo Lévin, gemeinsam mit seiner
Lebensgefährtin Elfriede Poeschke von einem Faschisten der Wehrsportgruppe
Hoffmann ermordet.
Faschistischer Terror war auch der bislang brutalste Anschlag
in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Im selben Jahr, in dem der Erlanger
Doppelmord geschah, wurde auf dem Münchner Oktoberfest am Rande der
Theresienwiese eine mit 1,39 Kilogramm TNT gefüllte Mörsergranate zur Explosion
gebracht, die 13 Menschen in den Tod riss und mehr als 200 verletzte. Den
damaligen Polizeiermittlungen zufolge war der mutmaßliche Attentäter gleichfalls
ein Anhänger von Hoffmanns paramilitärischer Truppe, die in Frankens Wäldern den
Partisanenkrieg übte. Er wurde jedoch trotzdem als Einzeltäter bezeichnet, und
Hoffmanns Freischärler galten lange Zeit als harmlose, ewiggestrige Spinner.
Im Jahr 1988 verübte ein Mitglied der Nationalistischen Front
einen Brandanschlag auf ein von türkischen Migranten bewohntes Haus im
oberpfälzischen Schwandorf, vier Menschen kamen dabei ums Leben.
Für den Nazikader Friedhelm Busse, der derzeit am Chiemsee in
der Justizvollzugsanstalt Bernau eine Strafe wegen Volksverhetzung absitzt, war
der »Kampf in Waffen« immer schon »beschlossene Sache«. Busse, der sich zuletzt
mit seinem Nationalen Infotelefon und einer »Katakombenakademie« intensiv am
Aufbau und der Vernetzung »Freier Kameradschaften« in Deutschland beteiligte,
wurde bereits mehrmals wegen Sprengstoffbesitzes verurteilt. Vor zwanzig Jahren
hatten sich Mitglieder seiner »volkssozialistischen« Bewegung auf dem Weg zu
einem Banküberfall direkt vor Busses Haustür in Ottobrunn bei München eine
Schießerei mit der Polizei geliefert, in deren Verlauf zwei »Kameraden« getötet
wurden.
Diese und andere Vorfälle zeigen, dass über eine zufällige
Begegnung mit prügelnden Rassisten hinaus von der Existenz des »Nationalen
Widerstands« und seinen Strippenziehern stets eine terroristische und tödliche
Bedrohung ausging und weiterhin ausgeht.
Dies ist eine Erkenntnis, die auch für die Polizei und die
Geheimdienste billig zu haben ist. Schließlich gelten auch die Nazibanden, die
bei allen Autonomie- und Abschottungsbestrebungen doch immer wieder eng mit der
NPD zusammenarbeiteten, als vom Verfassungsschutz unterwandert. So gesehen,
überrascht es nicht so sehr, dass die Polizei beim »Aktionsbüro Süd« diesmal
noch rechtzeitig fündig wurde, bevor es zum Betriebsunfall kam.