antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

 
[Der Pressespiegel im Klick nach Rechts]

München:
Hauptstadt des TNT

Da sind sie aber immer noch: Rechtsextreme planten Sprengstoffanschläge auf ein jüdisches Gemeindezentrum, eine Moschee und eine Schule in München...

Magnus Bosch

Eine Schleierfahndung wurde nicht ausgelöst, zu Razzien in der rechten Szene von Hamburg bis Garmisch kam es auch nicht. Und das, obwohl der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) inzwischen »die Struktur einer Braunen-Armee-Fraktion« zu erkennen glaubt.

Offenbar konnte die Münchner Polizei einen Sprengstoffanschlag auf das geplante Jüdische Gemeindezentrum am Münchner St.Jakobs-Platz verhindern. Der Fund, den sie am vergangenen Mittwoch stolz präsentierte, konnte sich wahrlich sehen lassen: 14 Kilogramm Sprengstoff, darunter 1,7 Kilo hochexplosives TNT. Dabei handelt es sich um die größte Menge an Sprengstoff, die in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland sichergestellt wurde.

Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung übernommen. Doch so überrascht jetzt alle tun: Eine Entwicklung hin zu rechtsterroristischen Aktivitäten war in Deutschland schon länger zu erkennen.

Aus abgehörten Telefonaten soll die Polizei dem Magazin Focus zufolge erfahren haben, dass die Nazis planten, eine Bombe auf dem Baugelände des neuen Jüdischen Gemeindezentrums zu zünden. Sie diskutierten offenbar darüber, ob dies vor oder während der Grundsteinlegung am 9. November geschehen sollte, bei der u.a. Bundespräsident Johannes Rau, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, anwesend sein sollten. Die neue Synagoge war aber nur eines von mehreren Objekten, das die Rechtsextremisten ins Visier genommen hatten. Auch auf eine Moschee und eine griechische Schule sollen sie es abgesehen gehabt haben.

Die Sonderkommission fand außer dem Sprengstoff ein Metallrohr, es fehlte nur noch eine Zündvorrichtung. Zudem wurden zwei Handgranaten sowie etwa zwölf Kilo Infanteriemunition konfisziert. In der Wohnung des Nazi-Anführers Martin Wiese entdeckten die Beamten schließlich zwei Mauser-Pistolen, diverse Stichwaffen, eine Streitaxt und Sturmhauben.

Neben Wiese gingen den bayerischen Behörden bis Redaktionsschluss sieben weitere Rechtsextremisten ins Netz, darunter die 18jährige Ramona Sch., Wieses ehemalige Freundin, sowie der 23jährige Alexander S. Wieses Mitbewohner Alexander M., ein weiterer Verdächtiger, befindet sich bereits wegen einer Attacke auf einen aussteigewilligen Kameraden im Gefängnis.

Wiese, der aus Mecklenburg-Vorpommern stammt und vor drei Jahren nach München zog, ist der Anführer der rund 30 Mitglieder zählenden »Kameradschaft Süd – Aktionsgemeinschaft Süddeutschland«. Ins Blickfeld der Öffentlichkeit geriet der 27jährige durch seine Beteiligung an dem Überfall auf einen Griechen im Januar 2001.

An Wieses Geburtstag hatten sich rund 60 Recken in der Münchner Gaststätte »Burg Trausnitz« getroffen. Einige Teilnehmer der braunen Geburtstagsparty griffen nach Mitternacht einen griechischen Passanten an und schlugen ihn halbtot. Nur dank des beherzten Eingreifens mehrerer Türken kam der Grieche mit dem Leben davon. Der Gründer der Kameradschaft, Norman Bordin, verbüßt derzeit wegen seiner Beteiligung an dem Überfall eine 15monatige Freiheitsstrafe. Wegen versuchter Tötung wurde damals auch gegen Wiese ermittelt, die Sache verlief jedoch im Sande.

Wiese soll über gute Kontakte zu Christian Worch, Steffen Hupka und zur NPD verfügen. Er war der Anmelder der Nazi-Demonstrationen gegen die Wehrmachtsausstellung in München im Herbst vergangenen Jahres. Zuletzt wurde er bei der Rudolf-Heß-Demonstration in Wunsiedel gesichtet.

Darüber hinaus tauchte Wiese nach Angaben der bayerischen Verfassungsschützer bei Veranstaltungen der im Jahr 2002 ins Leben gerufenen Sammlungsbewegung »Demokratie direkt« auf. Diese wehrte sich nach dem brisanten Fund gegen etwaige Verdächtigungen. »Weder ist Martin Wiese Mitglied von Demokratie direkt, noch hat der Verein etwas mit angeblich geplanten Sprengstoffattentaten zu tun.« »Demokratie direkt« will über Parteigrenzen hinweg rechte Gruppen vernetzen. Der Münchner Sprecher der Vereinigung, Thomas S. Fischer, soll nach Informationen der Antifaschistischen Nachrichten Mitglied der CSU sein.

Die Münchner Rechtsextremisten agitierten immer wieder gegen das geplante Jüdische Gemeindezentrum. So forderte der Stadtrat der Republikaner, Johannes Pius Weinfurtner, der auch bei »Demokratie direkt« mitmischt, die Planungen neu zu überarbeiten. In deren Postille München Direkt heißt es: »Ein Verzicht auf das Kulturzentrum an diesem Ort ist ein Beitrag zu Aussöhnung und entzieht dem Antisemitismus den Boden.« Der Jakobsplatz dürfe nicht zum »Hochsicherheitstrakt« werden. »Wir wollen keine Gewalt in München und auch keine Symbole der Gewalt in Form von Waffen und Absperrungen.«

Terroristische Angriffe auf jüdische Einrichtungen gibt es in Deutschland regelmäßig. 1998 etwa sprengten Nazis auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Charlottenburg das Grab des ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Im März vorigen Jahres war der Friedhof erneut Ziel eines Sprengstoffanschlags. Am Tag der Deutschen Einheit vor drei Jahren wurde ein Brandanschlag auf eine Synagoge in Düsseldorf verübt. Im gleichen Jahr traf es die Synagoge in Erfurt. (Siehe auch Kommentar auf dieser Seite)

Und mit Sprengstoff hantieren Rechtsextremisten ohnehin gern. Nazi-Terroristen wie Peter Naumann und Manfred Röder, die in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt mit explosiven Materialien Anschläge verübten, stehen für diese rechtsterroristische Tradition. Roeders »Deutsche Aktionsgruppen« waren 1980 für sieben Brand- und Sprengstoffanschläge verantwortlich, bei denen zwei Vietnamesen starben. 1981 wurden in einem Waffendepot, in dem etwa 150 kg Sprengstoff, 50 Panzerfäuste und 13 520 Schuss Munition lagerten, Naumanns Fingerabdrücke gefunden. Im August 1995 übergab der Rechtsterrorist 13 Waffendepots mit allein 200 Kilo Plastiksprengstoff an Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA).

Beobachter sehen in letzter Zeit eine wachsende Militanz bei Nazigruppen, etwa beim inzwischen verbotenen, aber weiterhin aktiven Netzwerk »Blood & Honour« oder bei den »Skinheads Sächsische Schweiz« (SSS), bei denen im Jahr 2000 Raketenteile, Munition und Granaten beschlagnahmt wurden. Im Mai wurden fünf Mitglieder der SSS vom Dresdner Landgericht nur zu Bewährungsstrafen verurteilt. (Jungle World, 23/03) Von 1999 bis 2002 seien bei Rechtsextremisten insgesamt 178 Spreng- und Brandvorrichtungen gefunden worden, sagte der BKA-Sprecher Dirk Büchner der Jungle World.

Doch während in München noch immer Antifas vor Gericht stehen, die im Herbst vergangenen Jahres die von Wiese mitorganisierte Nazidemonstration gegen die Wehrmachtsausstellung blockierten, scheinen sich die Münchner Neonazis auch nach dem Sprengstofffund pudelwohl zu fühlen. Am vergangenen Samstag verprügelten elf Rechtsextreme in der Stadt einen Ausländer. Noch auf der Polizeiwache hätten sie randaliert, hieß es. Beckstein sagte dazu: »Jetzt ist es für alle Rechtsextremisten endgültig Zeit, einen klaren Schlussstrich zu ziehen und sich aus dieser Szene herauszulösen.«

Jungle World
Jungle World Nummer 39 vom 17.09.2003

kt / hagalil.com / 2003-09-18

Die im Pressespiegel veröffentlichten Texte spiegeln die Meinungen der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Verantwortlichen dieser Website wieder.


DE-Titel
US-Titel

Books

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2013 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved