Er soll wie das Pferd "Boxer" in George Orwells "Animal Farm"
gewesen sein: fleißig, aber schlicht. Unermüdlich hat Martin Wiese, dem die
Münchner Polizei die Planung eines Anschlags auf die Grundsteinlegung des
Jüdischen Gemeindezentrums am 9. November vorwirft, für die rechtsradikale Sache
geackert. Auf kaum einer Neonazi-Demonstration in der Weltstadt mit Herz hat der
große, leicht füllige 27-Jährige in den letzten Jahren gefehlt. Für seine
zahllosen Aufmärsche gegen die Wehrmachtsausstellung in München Ende 2002 lobte
selbst der Neonazi-Guru Christian Worch Wiese für "vorbildliche Leistung" bei
der Organisation.
Ohne Zweifel war der 1976 in Anklam (Mecklenburg-Vorpommern)
geborene Wiese einer der Drahtzieher der rechtsradikalen Szene in der
bayerischen Landeshauptstadt. "Der hat in München alles gerissen", sagen
langjährige Beobachter der rechtsradikalen Szene. Gleichzeitig gilt der kräftige
Mann, der einen privaten Hausmeisterservice betrieben hat, nicht gerade als
intellektuelle Galionsfigur. "Der wollte gern überlegen wirken, kam aber oft
eher hilflos rüber", beschreibt ihn einer, der ihn persönlich kennen gelernt
hat. Der ideologische Unterbau des Rechtsextremisten wird als eher behelfsmäßig
eingeschätzt.
Diese Defizite wollte Wiese offenbar durch eine hohe
Gewaltbereitschaft kompensieren. Seine Gegner aus der Linken verspotten Wiese
wegen seiner plumpen Bewegungen auf gut Bayrisch als "den großen Watschenbaum".
Zuletzt war Wiese im Mai aufgefallen. Damals sprengte er eine Veranstaltung der
Münchner SPD. Nach Angaben einer Zeugin schwenkte er mit zwei Kumpanen die
Reichskriegsfahne. Erst als er den SPD-Spitzenkandidaten Franz Maget anzubrüllen
begann und eine Schlägerei drohte, griff die Polizei ein.
Innerhalb der rechtsextremen Szene hatte Wiese Kontakt zu
führenden Neonazis wie Steffen Hupka und Christian Worch. Auch zu dem Verein
"Demokratie direkt" des Münchner "Republikaner"-Stadtrats Johann Weinfurtner
unterhielt er gute Beziehungen. Vor allem aber reklamierte Wiese seit etwa einem
Jahr die Führerrolle in der 30 Mann starken Neonazi-Gruppe "Kameradschaft Süd",
nachdem sein Vorgänger, Norman Bordin, wegen versuchter gefährlicher
Körperverletzung im Februar 2002 zu einer Haftstrafe verurteilt worden war. Nach
einer Geburtstagsfeier von Wiese hatten Bordin und seine Kameraden den Griechen
Artemios T. schwer zusammengeschlagen. Nach Ansicht des bayerischen
Verfassungsschutzes nimmt die Kameradschaft Süd eine wichtige Rolle innerhalb
der Nazi-Szene ein.
Die Polizei ermittelte bereits mehrfach gegen Wiese wegen
Verstoßes gegen das Waffen- und Versammlungsgesetz. Außerdem soll der Mann mit
den kurz geschorenen rotblonden Haaren mehrfach verbotene Symbole aus der
NS-Zeit gezeigt haben. In einem Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung
wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Mitte der Woche fand die Polizei
dann in der Wohnung von Wiese in der Münchner Landsberger Straße 1,7 Kilogramm
TNT. Außerdem stellten die Ermittler zwei scharfe Schusswaffen, mehrere
Stichwaffen und eine Axt sicher. Auch seine Freundin Ramona S. wurde
festgenommen.