Die bayerische Polizei hat möglicherweise einen größeren
Sprengstoffanschlag von Mitgliedern der rechtsextremen Szene verhindert. Bei
mehreren Durchsuchungen im Münchner Süden und im Vorort Unterschleißheim
stellten Ermittler des Landeskriminalamtes und einer Münchner Kripo am Dienstag
insgesamt 14 Kilogramm Sprengstoff sicher, darunter 1,7 Kilogramm TNT. Nach
Angaben eines Polizeisprechers handelt es sich um einen der größten
Sprengstoff-Funde in der rechtsextremen Szene in Deutschland. Unklar ist
bislang, wo ein Anschlag verübt werden sollte. Dagegen stellte der Münchner
Polizeivizepräsident Jens Viering fest, "dass man mit dieser Sprengstoffmenge
einen Anschlag mit erheblichen Folgen hätte verüben können".
Insgesamt wurden im Zusammenhang mit dem Fund drei
Rechtsextreme in Bayern sowie zwei in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern
verhaftet, ein weiterer Tatverdächtiger saß bereits in Haft - er brachte die
Polizei erst auf die Spur. Im Juli dieses Jahres verprügelte der Skinhead
zusammen mit einem Freund einen Exkameraden, der sich von der rechten Szene
losgesagt hatte. Die Täter wurden kurz darauf verhaftet und sitzen wegen
versuchter Tötung im Gefängnis.
Durch Wohnungsdurchsuchungen und Vernehmungen verdichteten
sich Vermutungen, dass zumindest einer von ihnen Sprengstoff und Waffen
versteckt haben könnte. Neben dem Sprengstoff wurden auch Handgranaten, scharfe
Pistolen, Munition und ein Stahlrohr sichergestellt. Richard Vöst vom
bayerischen LKA betonte, dass man mittels eines solchen Stahlrohrs eine
gefährliche Splitterbombe herstellen kann. Zwei ähnliche Bomben mit insgesamt
1,3 Kilogramm TNT hatte der Rechtsextremist Gundolf Köhler 1980 auf dem Münchner
Oktoberfest gezündet - damals kamen 13 Menschen um, darunter auch der
Attentäter. Dass möglicherweise ein erneuter Anschlag auf die in anderthalb
Wochen beginnende "Wiesn" geplant war, wies Polizeivizepräsident Viering als
"völlige Spekulation" zurück. Trotzdem ermittelt nun eine 20-köpfige
Sonderkommission namens "TNT", ob weitere Sprengstoffanschläge geplant sein
könnten.
Laut Polizei lagen zunächst keine Erkenntnisse über genaue
Anschlagspläne oder -ziele vor. Derzeit werde das bei den Durchsuchungen
beschlagnahmte Material - darunter zahlreiche Aktenordner und eine
Computer-Festplatte - von Experten untersucht. Dabei werde auch ein möglicher
Zusammenhang mit dem vereitelten Sprengstoffanschlag auf den Dresdner
Hauptbahnhof im Juni überprüft. Bislang sei allerdings kein Zusammenhang
erkennbar, sagte ein Polizeisprecher. Nähere Erkenntnisse erhofften sich die
Ermittler von der Analyse des Sprengstoffs. Offenbar sei das TNT in mühsamer
Kleinarbeit "aus Granaten oder Minen herausgepult worden", sagte LKA-Sprecher
Vöst.
Bei den Festgenommenen handelt es sich um Angehörige der
Neonazi-Organisation "Kameradschaft Süd", laut Polizei ein Zusammenschluss von
30 bis 40 Rechtsextremen vorwiegend aus der rechten Skinhead-Szene. Auch deren
Anführer Martin Wiese, 27, wurde verhaftet. Er gilt als einer der Drahtzieher
der Neonazi-Szene in Süddeutschland. Im vergangenen November meldete er zusammen
mit den bundesweit bekannten Neonazis Christian Worch und Steffen Hupka eine
Demonstration gegen die Neuauflage der Wehrmachtsausstellung in München an. Im
März leitete Wiese vor dem US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr eine Kundgebung von
Rechtsextremisten gegen den Irakkrieg. Ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten
Totschlags gegen ihn wurde eingestellt.
Wiese stammt wie die meisten Mitglieder der "Kameradschaft
Süd" aus den neuen Bundesländern. Trotz der offenkundigen Vernetzung zwischen
organisierten Neonazis aus dem Süden und dem Osten Deutschlands ermittelt die
Staatsanwaltschaft in München bislang nicht wegen der Bildung einer kriminellen
Vereinigung - es fehle an den nötigen Strukturen, sagte Sprecher August Stern.