Attac-Polen und die extreme Rechte:
Umarmungsversuche
Exponenten der extremen Rechten versuchen, bei ATTAC
mitmischen...
Peter Novak
Die beiden führenden Aktivisten der
globalisierungskritischen Organisation ATTAC Sven Giegold und Lioba Diez legen
viel Wert auf internationale Vernetzung. Doch die Polen-Reise, die der
ATTAC-Sprecher und die Osteuropaexpertin der Organisation vor einigen Wochen
unternommen haben, diente einem anderen Zweck. Sie wollten dort Vorwürfe
untersuchen, dass ATTAC-Polen von Rechtsextremisten unterwandert wäre. Die
polnische Vereinigung „Nie wieder“, die auch eine gleichnamige Zeitung
herausgibt, hatte im 15-köpfigen Gründerkreis von ATTAC-Polen zwei Personen
ausgemacht, die sich seit Jahren in der neuen Rechten und bei den
nationalistischen Heiden betätigen und für rechtsextreme Zeitungen schreiben.
Dazu gehört der Chefredakteur des Magazins „Obywatel“ (Der Bürger) Remigiusz
Okraska. Sein Blatt wird als zumindest halb-offizielles Organ von ATTAC in Polen
wahrgenommen. Rafael Pankowksi von der Organisation „Nie wieder“ wirft dem Blatt
eine klassische Querfrontstrategie vor: „Dort sind eine Menge Artikel zu lesen,
die man in solch einer Zeitung erwartet – zu Ökologie und Globalisierung –, aber
es gibt auch Beiträge, die offen extrem rechte Positionen abdecken. Kürzlich
veröffentlichten sie einen Artikel vom Vertreter der National-Bolschewistischen
Partei, in anderen Beiträgen wurde offen mit dem französischen Faschisten Le Pen
sympathisiert ... Die Sympathie für die extreme Rechte ist eindeutig.“ Auch
deutsche Rechte dürfen dabei nicht fehlen. So hat „Obywatel“ kürzlich unter dem
Titel „Globalisierung als höchste Form des Imperialismus. Für die
Wiederauferstehung der deutschen Nation“ einen Artikel von Horst Mahler
veröffentlicht. An die Öffentlichkeit geraten war die rechte Schlagseite von
ATTAC-Polen schon im Dezember 2001 durch einen Offenen Brief, den „Nie wieder“
gemeinsam mit einer Gewerkschaftspublikation und einer
Intellektuellen-Zeitschrift gleichzeitig an ATTAC-Frankreich und ATTAC-Polen
richtete. Der jetzige Besuch der beiden deutschen ATTAC-Funktionäre wurde in
Polen nicht unkritisch gesehen. Sie sollten erst mal bei ATTAC-Deutschland nach
den Rechten sehen, wurde ihnen angeraten. Schließlich ist auch unter deutschen
Globalisierungskritikern eine Grundsatzdiskussion über den Umgang mit rechten
Gruppierungen entbrannt. Auslöser ist das rechtspopulistische Bündnis für
Frankfurt (BFF), das sich seit einigen Wochen gemeinsam mit ATTAC und anderen
Organisationen in dem Bündnis „Rettet unsere U-Bahn“ am Protest gegen die
Privatisierung der U-Bahn beteiligt. Das BFF hat sich im Jahr 2000 federführend
an der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft beteiligt. Kritiker werfen
der Regionalgruppierung vor, dass sie dabei gezielt rassistische Ressentiments
geschürt habe. Auch nationalistische Forderungen finden sich im Programm. So
soll dem Schutz und der Pflege der deutschen Sprache ein hoher Rang eingeräumt
und in den Schulen das Fach Heimatkunde wieder eingeführt werden. „Wer gestalten
will, darf auf jene Werte und Tugenden nicht verzichten, die sich in der
Vergangenheit bewährt haben“, heißt es im Programm. Das BFF weist alle Vorwürfe
zurück und spricht von „linksextremistischen Verleumdungen“. Der Streit geht
quer durch ATTAC-Frankfurt. Während Michael Friedrich, einer der regionalen
ATTAC-Sprecher, von einer Phantom-Diskussion spricht und vor Linkssektierertum
warnt, fürchtet Gründungsmitglied Thomas Seibert von der Hilfsorganisation
Medico International um das Selbstverständnis der Organisation. „Die Leute vom
BFF sind keine offenen Nazis. Doch sie sind so weit rechts – das ist für ATTAC
nicht mehr akzeptabel.“ Seibert geht es dabei um eine Grundsatzentscheidung: „Es
geht um den Unterschied zwischen einer emanzipatorisch-demokratischen und einer
reaktionären und nationalistischen Globalisierungskritik“. Er rät ATTAC, sich an
den Grünen ein Beispiel zu nehmen. Die hätten sich in der Gründungsphase bald
von den rechten Ökologen um Herbert Gruhl und Baldur Springmann getrennt. Doch
es scheint schon aus organisatorischen Gründen fraglich, ob ATTAC rechte
Umarmungsversuche so in den Griff bekommen wird. Schließlich ist der Streit
älter als die Organisation. Schon 1999 riefen Mitglieder der rechten Kleingruppe
ALSO (Association Liberal Sociale Ordnung) um die Mahler-Freunde Bernhard Heldt
und Irmgard Kohlhepp in Berlin zur Gründung einer ATTAC-Gruppe auf, hatten damit
aber keinen Erfolg. Mittlerweile agieren sie unter den Namen alsoATTAC.
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blick nach rechts Nummer 18/2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-09-15
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