Die Debatte um Ted Honderich, dessen Buch nun doch nicht bei
Suhrkamp erscheint, ebbt gerade ab, da steht der linken und interessierten Szene
der nächste Antisemitismusstreit ins Haus. Gegen das globalisierungskritische
Netzwerk Attac wird der Antisemitismusvorwurf erhoben. Am Mittwoch beschäftigte
sich der Koordinierungskreis, das zweithöchste Attac-Gremium zwischen den
Jahresversammlungen, mit der Frage, ob der palästinensische Aufruhr als
"Widerstand" oder als "Terror" zu bezeichnen ist, und ob das eine wie das andere
antisemitisch und deshalb auf keinen Fall unterstützenswert ist. Die
Konsequenzen sind noch nicht absehbar.
Der Vorwurf stammt von dem Göttinger DGB-Regionalchef
Sebastian Wertmüller, auch Attac-Mitglied. Auf den Internetseiten der
Attac-Arbeitsgemeinschaft "AG Globalisierung und Krieg" würden Positionen
vertreten, die sonst nur von islamistischen Gruppen und Rechtsextremen
ventiliert würden. "In der AG spielen antisemitische Gedanken eine dominierende
Rolle", sagte Wertmüller zur taz.
Wertmüller reibt sich zuvörderst an einer
Unterschriftensammlung, die inzwischen aus dem Netz genommen wurde. "Keine
Warenimporte aus den israelischen Siedlungen auf besetztem Gebiet in die EU",
wurde da gefordert. Das erinnere ihn an den nationalsozialistischen Aufruf
"Kauft nicht beim Juden". Hinter der Boykottforderung stehe der Gedanke, die
Wurzel des israelisch-palästinensischen Konflikts liege in der Gründung des
Staates Israel, sagte Wertmüller. Dies sei ein antisemitischer Gedanke.
Außerdem verweist Wertmüller auf mehrere Positionspapiere der
"AG Globalisierung und Krieg", in denen palästinensischer Terror als legitimer
Widerstand gerechtfertigt werde. "Widerstand aber knüpft an emanzipatorische
Gedanken an, und die kann ich da nicht erkennen", sagte Wertmüller.
"Wir haben mit Antisemitismus nichts im Sinn", verteidigt
Barbara Fuchs die umstrittene Unterschriftensammlung der "AG Globalisierung und
Krieg". Sie könne nicht begreifen, dass Menschenrechte für die Palästinenser
nicht gelten sollen, sagte sie zur taz. Immerhin sei sie sich der Gefahr
bewusst, dass "bestimmte Leute" solche Äußerungen für "antisemitische Zwecke"
missbrauchen könnten". Fuchs bestätigte, dass mehrere Mitglieder der AG die
Unterschriftenliste wieder ins Netz stellen wollen.
Falls es so weit kommt, wird die Auseinandersetzung, die
bislang eher Workshopcharakter hatte, zu praktischen Konsequenzen führen. "Der
Boykottaufruf soll nicht wieder ins Netz. Das war am Mittwoch Konsens", sagte
Attac-Sprecher Malte Kreutzfeldt, nachdem der Koordinierungskreis getagt hatte.
Über mögliche Reaktionen auf eine Verletzung dieses Konsenses habe man sich aber
noch keine Gedanken gemacht. "Einen solchen Fall gab es noch nicht", sagte
Kreutzfeldt.
Morgen nun tagt das Gremium, das über Konsequenzen befinden
könnte - der Attac-Rat. Das Thema Antisemitismus steht dort auf der
Tagesordnung. Da die Arbeitsgemeinschaften, die sich bei Attac zusammengefunden
haben, autonom arbeiten, könnte ein Ratschluss lauten: Die "AG Globaliserung und
Krieg" darf nicht mehr unter dem Attac-Label veröffentlichen. Aber das bleibt
abzuwarten.