Es waren zwei offene Briefe, doch sie erhielten eine unterschiedliche
öffentliche Aufmerksamkeit. Natan Sznaider und Günther Jacob begründeten in
einem Schreiben die Absage ihrer Veranstaltung im Rahmenprogramm der derzeit in
Peenemünde gastierenden Wehrmachtsausstellung. Sie wollten dort über die
»Versöhnungsverweigerung des Philosophen Vladimir Jankélévitch« sprechen. Micha
Brumlik hingegen schrieb kürzlich an den Suhrkamp-Verlag wegen des dort
verlegten antizionistisch-antisemitischen Pamphlets von Ted Honderich.
Auf Brumliks Brief folgte eine relativ ausführliche Debatte in den
Feuilletons. Die Absage Sznaiders und Jacobs wurde hingegen kaum beachtet. Es
ist für einen Großteil der Feuilletons offenbar wohlfeil, sich politisch korrekt
von einem allzu agressiv vorgetragenen Antizionismus á la Honderich abzugrenzen,
erst recht da es sich um einen linken Antizionisten kanadisch-britischer
Provenienz handelt, und gleichzeitig das Recht auf »Israelkritik« gegen eine
angebliche »Zensur« zu verteidigen. Eine Störung des Betriebsfriedens im
deutschen Normalisierungsdiskurs durch eine Intervention wie die von Sznaider
und Jacob dagegen wird einfach ignoriert.
Immerhin widmete sich die taz dem Eklat von Peenemünde. Zunächst warf das
Blatt Sznaider und Jacob vor, sie gingen nur einer »schwierigen Debatte« aus dem
Weg, verweigerten sich also dem zivilgesellschaftlichen Vergangenheitsdiskurs.
Nachdem Sznaider und Jacob nach diesem tendenziösen Artikel zunächst Gelegenheit
gegeben wurde, ihre Argumente selbst darzulegen, folgte prompt ihre Abfertigung.
Martin Altmeyer unterstellte ihnen, »obsessiv« einen »moralischen Narzissmus des
besseren Deutschen, der sich voll Stolz zur nationalen Schande bekennt«, zu
»predigen« (taz, 18. August).
Das ist ein besonders aparter Vorwurf an die Adresse eines in Deutschland
geborenen und in Israel lebenden Historikers, dessen Eltern die Shoa überlebten.
Was bisher als Standardvorwurf des »negativen Nationalismus« an deutsche Linke
gerichtet wurde, die sich dem Normalisierungsdiskurs verweigerten, wird nun auch
unverblümt einem Juden vorgeworfen. Das erinnert daran, wie Klaus von Dohnanyi
in der Walser-Debatte 1998 Ignatz Bubis aufforderte, sich zu fragen, wie er sich
als Deutscher im Nationalsozialismus verhalten hätte.
Sznaider und Jacob vorzuwerfen, die »kathartischen Wirkungen der
Erinnerungsarbeit« zu ignorieren, offenbart Altmeyers eigene Obsession. Denn der
Wunsch nach solchen »kathartischen Wirkungen« entspringt dem Bedürfnis nach
einer Relativierung der Geschichte, die eine nationale Identifikation
ermöglichen soll, und nicht nach einer kritischen Aufarbeitung des Geschehenen.
Genau dagegen richtet sich zurecht Sznaiders und Jacobs Einspruch: gegen eine
auf »abstrakter Schuldanerkenntnis« basierende affirmative
Vergangenheitsbewältigung.
Dass im Zeichen solch »kathartischer« Erinnerungsarbeit von der Linken auch
die Vertriebenen als deutsche Opfer zu rehabilitieren seien, hatte der
taz-Redakteur Christian Semler bereits während des Kosovokrieges in einem Essay
gefordert. Der jetzige Umgang der taz mit Sznaider und Jacob zeigt, wie selbst
deren entschiedener Widerspruch gegen den deutschen Normalisierungsdiskurs noch
für diesen dienstbar gemacht werden soll.