BdV Vorsitzende Erika Steinbach:
Peter Glotz und seine neue Freundin
Wie aus der kleinen Erika die große Vertriebenenchefin
Steinbach wurde...
Otto Köhler
"Mein Vater war kein Besatzungssoldat!" So herrscht Peter Glotz, einstmals
Bundesgeschäftsführer der SPD, den ehemaligen polnischen Außenminister Wladyslaw
Bartoszewski an. Glotz, der in der Schweiz auf einem Lehrstuhl für
Kommunikationswissenschaften sitzt, hat erhebliche
Kommunikationsschwierigkeiten, die er am Montag vergangener Woche auf der ersten
und sechsten Seite der FAZ ausbreitete. Zuvor hatte Bartoszewski ebenfalls in
der Frankfurter Allgemeinen ein Plädoyer Wider das selektive Erinnern
geschrieben, in dem er den Plan der deutschen Vertriebenenvereinigungen zum Bau
eines - wie es offiziell heißt - "Zentrums gegen Vertreibungen" kritisiert und
vor dem Versuch warnt, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren.
Für dieses Zentrum zeichnet eine Stiftung verantwortlich. An der Spitze steht
die Vertriebenenchefin Erika Steinbach zusammen mit Peter Glotz, der nunmehr
"als in der Wolle gefärbter, europäisch denkender Sozialdemokrat...der letzte"
sein will, der "bezweifeln würde, welche grauenhaft dehumanisierende Wirkung
Hitlers Rassismus, Hitlers Antisemitismus, Hitlers Angriffskrieg im Europa des
20. Jahrhunderts gehabt haben". Doch der in welcher Wolle auch immer eingefärbte
Sozialdemokrat ist bei aller bisher aufgebrachten Geduld ernsthaft verärgert
über diesen "aufgescheuchten Schwarm von Historikern, Journalisten und
Geschichtspolitikern", die sich kritisch über dieses Zentrum äußern und fragt:
"Können manche Leute nicht lesen?"
"Hundertmal" hätten die Initiatoren der Stiftung, "Erika Steinbach und ich",
nun wirklich "sehr bewusst den Vertreibungsbegriff im Plural benutzt", so dass
er auch "Bevölkerungsverschiebungen, die Hitler betrieben und geplant habe", mit
einschließe. "Hundertmal". Es heiße schließlich "Zentrum gegen Vertreibungen".
Tatsächlich? Heißt es so? Seine Mitkämpferin Erika Steinbach hat da wohl eine
etwas gespaltene Zunge, zumindest für "Burschenschaftliche Abende" in Marburg.
"Warum Deutschland ein Zentrum gegen Vertreibung braucht", nennt sich der
Vortrag, zu dem die Marburger Burschenschaft Rheinfranken sich erlaubt hat,
"ihre geschätzten Damen, ihre lieben Alten Herren sowie unsere Freunde und Gäste
einzuladen", so wie schon zu den Abenden mit Horst Mahler und Franz Schönhuber.
Rednerin diesmal also Erika Steinbach zum Thema Deutschland und Vertreibung.
Keine Vertreibungen, kein Plural im Rheinfrankenhaus, dort wo "regelmäßig", wie
auf der Einladung vermerkt, auch die "Pauk- und Fuxenstunden" dieser schlagenden
Vereinigung stattfinden. Wer, wie Peter Glotz, lesen kann, der findet auf
derselben Internetseite der Burschenschaft Rheinfranken, auf der die Einladung
zu diesem Vortrag der Vertriebenenchefin steht, ein energisches Plädoyer für das
Studentenkorps Marburg, das während des Kapp-Putsches vor 80 Jahren auf offener
Straße 15 Verteidiger der Republik als "Umstürzler" ermordete.
Warum erregt sich nun Glotz, sein Vater sei kein Besatzungssoldat gewesen.
Bartoszewski hatte sehr zurückhaltend daran erinnert, dass die
Vertriebenenchefin Steinbach 1943 im polnischen Rumia zur Welt kam, das sie
Rahmel nennt und aus dem sie vertrieben sein will. Was war das für eine
Vertreibung, die da 1945 ihr und ihren Eltern angetan wurde? Vater und Mutter
stammten aus Deutschland und mussten mit der kaum zweijährigen Erika zurück in
die deutsche Heimat, nach Hanau, weil die Polen - das war allerdings nicht sehr
freundlich von ihnen - den Vater nicht länger als Besatzungssoldat dulden
wollten. Und sein Haus in Rumia - wem gehörte das eigentlich vor dem deutschen
Einmarsch?
Erikas Eltern waren keine Heimatvertriebenen, sondern Menschen, die zurück in
ihre Heimat vertrieben wurden. Zurück von dem Standort, an dem der Vater für
Deutschland Wache hielt. In Rumia wusste man allerdings schon lange vor der
Stationierung des Vaters, was Vertreibung heißt. In der Nähe gab es ein
Sammellager für Juden, die 1938 aus Deutschland vertrieben worden waren. Später
als Besatzungssoldat hatte der Vater darüber zu wachen, dass die Vertreibung von
Polen und Juden aus ihrer Heimat in die Konzentrations- und Vernichtungslager
reibungslos ablief. Weil dieser Vater als Besatzungssoldat aus Polen vertrieben
wurde, in das er ohne Erlaubnis, vielmehr gewaltsam eingedrungen war, darf heute
die damals zweijährige Erika Anführerin aller vertriebenen Deutschen sein.
Mag Peter Glotz mit ihr in Berlin ein "Zentrum gegen Vertreibungen" möglichst
gleich gegenüber dem Holocaust-Denkmal errichten. Aber bitte nur, wenn im
Eingangsbereich eine ausführliche Dokumentation über den aus Rumia
heimatvertriebenen deutschen Besatzungssoldaten sorgfältig darüber informiert,
wie schließlich aus der kleinen Erika die große deutsche Vertriebenenchefin
Steinbach wurde. Wie aus der kleinen Erika die große Vertriebenenchefin
Steinbach wurde
Freitag
Freitag Nummer 35/2003 vom 22.08.2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-08-27
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