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Extreme Rechte:
Nazis kämpfen für dich

Die extreme Rechte agitiert heftig gegen den Sozialabbau der rot-grünen Bundesregierung. Sie fordert eine Rückbesinnung auf die »Volksgemeinschaft«...

Jan Süselbeck

Deutschland befindet sich in der Krise, und das lässt die extreme Rechte nicht unbekümmert. Der freie Fall in die Rezession solle die letzten Zweifler aufrütteln »gegen eine Politik, die nur noch darauf aus ist, das eigene Volk abzuschaffen und durch ein völlig entrechtetes Vielvölkergemisch zu ersetzen«, heißt es etwa auf der rechtsextremen Website www.radio-freiheit.com.

Radio Freiheit wendet sich gegen eine »reine Konsumentenansammlung in einem enthemmten Turbokapitalismus« und macht sich »für die wirkliche Volksherrschaft in diesem Lande« stark. Das Programm des Senders richte sich »gegen die Entwicklung hin zu einer Diktatur des Geldes und der hohlen Phrasen mit amerikanischem Zungenschlag«.

Im rechtsextremen Diskurs ist unter anderem die Rede vom »Liberalkapitalismus«, wenn das gegenwärtige Wirtschaftssystem beschrieben werden soll. Waldemar Maier, der für Radio Freiheit verantwortlich zeichnet, sieht »das liberalkapitalistische System in der BRD in einer strukturellen Krise«. Schuld daran seien die »exportabhängige BRD-Wirtschaft«, »die entnationalisierte Euro-Währung« und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die vor allem dem »deutschen Volk« schade. »Denn der Euro sorgt durchaus für eine sehr effiziente Umverteilung des Volksvermögens von unten nach oben«, schreibt er in einem seiner Texte.

Mit aufklärerischem Gestus prangert er den »Verblödungsgrad« der konsumsüchtigen Deutschen an. »Der Amüsierpöbel freut sich immer noch am Ballermann, dass er sein Geld nicht mehr umtauschen muss, auch wenn er ansonsten auf Pump lebt.«

Die Mitschuld an der »fortschreitenden sozialen Versteppung« des »entnationalisierten Wirtschaftsstandortes Deutschland« trügen die Gewerkschaften. Täten sie doch nichts gegen »die Amerikanisierung der Verhältnisse« in der »multikulturellen« Gesellschaft. Das so begünstigte »asoziale Großkapital« habe sich »stets für eine Flutung der Grenzen eingesetzt, um die Löhne nachhaltig zu drücken und damit seine Gewinne auf Kosten der Gemeinschaft zu maximieren«, glaubt Maier.

An seinen Texten kann man gut die Strategie der extremen Rechten ablesen, sich als die wahren Globalisierungskritiker zu verkaufen. Man polemisiert heftig gegen den angeblichen amerikanischen »Sozialdarwinismus« und die »Ellenbogengesellschaft«. Die NPD etwa beklagt die »immer weiterreichende globale Deregulierung und Liberalisierung der ehemaligen nationalen Märkte« durch »einen massiven globalen Standortwettbewerb«.

Das Ziel der Partei ist die Umkehr zur »sozialen Volksgemeinschaft«. So nennt sie ihre »politische Theorie des revolutionären Nationalismus«. Nach dieser habe »die Ökonomie dem Volke zu dienen und nicht das Volk der Ökonomie. Aus diesem Grunde setzt der revolutionäre Nationalismus das gesetzlich festgeschriebene Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft ein.«

Das Herz der Rechtsextremen schlägt auch für alte und kranke Menschen. In einem Text mit dem Titel »Zurück zur Volksgemeinschaft« kritisiert Maier von Radio Freiheit die jüngsten Äußerungen des Bundesvorsitzenden der Jungen Union, Philipp Mißfelder, der Leistungskürzungen in der Gesundheitsversorgung für ältere Menschen gefordert hatte. »Ja, früher – da ließ man alte Menschen auch verrecken, wenn sie lästig wurden. Und auch wenn Mißfelder das so deutlich nicht aussprechen mochte, als Belastung werden die Alten in der entsolidarisierten ›multikulturellen‹ Gesellschaft schon lange empfunden«, schreibt er.

Auch zum Thema Gesundheitspolitik äußern sich die extremen Rechten. Für Oliver Westerwinter von den Jungen Nationaldemokraten ist der »derzeitige Zustand des bundesrepublikanischen Gesundheitssystems« die Folge der Globalisierung, »die auch nicht vor den ursprünglich staatlichen Aufgabenfeldern Halt macht und diese somit den Kräften des freien Markts unterwirft«. Er fordert eine »national-revolutionäre Gesundheitspolitik« und eine auf den »Erhalt der deutschen Volksgemeinschaft ausgerichtete Bevölkerungspolitik«; die Familie müsse von der Politik »als höchster Lebenswert der Menschen« angesehen werden.

Die Partei »Die Republikaner« hingegen warnt: »Die Tage unserer Demokratie könnten gezählt sein, wenn es nicht gelingt, mit mutigen Entscheidungen den Sozialversorgungsstaat zu retten. Gefragt sind dabei: Rückbesinnung auf Tugenden wie Maßhalten. Klares Bekenntnis zur Nation als der Grundlage des Solidarprinzips«. Anders als etwa die NPD hetzen die Republikaner gegen die sozial Benachteiligten. Sozialleistungen sollten »grundsätzlich nur als Naturalleistungen vergeben werden«, das »Prinzip Leistung-Gegenleistung muss berücksichtigt werden«.

Für den NPD-Vorsitzenden Udo Voigt hingegen ist die Agenda 2010 »Sozialverrat« am »deutschen Arbeiter«. Er schwingt sich zum Kämpfer für die sozial Benachteiligten in Deutschland auf. »Um mehr Geld in die maroden Staatskassen zu bekommen, schröpfen sie durch Leistungskürzungen gerade die Ärmsten der Armen, die sozial Schwachen, die Arbeitslosen und die Rentner, die dieses Land erst aufgebaut haben«, schreibt er in der NPD-Zeitung Deutsche Stimme. Andererseits betont er, dass unter den 2,7 Millionen Sozialhilfeempfängern »ein überdurchschnittlich hoher Anteil Ausländer« sei. Voigt fodert: »Förderung kinderreicher deutscher Familien statt Rentenkürzung, Re-Nationalisierung der Volkswirtschaft statt Globalisierung, Schutzzölle statt Billigeinfuhren, Beschäftigung von Deutschen statt Ausländern im eigenen Land.«

In einer Besprechung des Buches »Die Globalisierung und ihre Gegner« von Claus Leggewie schreibt ein Hugo Fischer selbstbewusst in der Deutschen Stimme: »Es ist also noch lange nicht ausgemacht, welche politische Richtung den stärksten Auftrieb durch die Globalisierungskritik erhalten wird.« In der Frage des Sozialabbaus in Deutschland ist die extreme Rechte mit ihrer Propaganda jedenfalls in die Offensive gegangen, während von der Linken vergleichsweise wenig zu vernehmen ist.

Jungle World
Jungle World Nummer 36 vom 27.08.2003

kt / hagalil.com / 2003-08-28

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