Anke Soltkahn ist eine 62jährige Dame mit blondierten Haaren und stechend
blauem Kleid mit Goldknöpfchen, und sie ist aufgeregt. Ihre Stimme zittert und
sie kann ihre Finger nicht ruhig halten. Sie lächelt, denn schließlich will sie
überzeugend wirken. Es ist ein großer Tag für die Landesvorsitzende und für ihre
Partei.
Der Berliner Ableger der Partei Rechtsstaatliche Offensive (Pro), noch
Schill-Partei genannt, ist sesshaft geworden. Eine lauschige kleine Wohnung im
gutbürgerlichen Charlottenburg wurde zur Landesgeschäftsstelle umgebaut. Gleich
nebenan ist die Autobahn, die »direkt zu unseren Parteifreunden in den Norden
führt«. Wie praktisch.
Ungefähr 50 Leute stehen eng beieinander, schwitzen und essen. Es herrscht
Festzeltstimmung. Die VeranstalterInnen haben ihre Volksmusik-CDs mitgebracht,
es gibt Bier, Sekt und Häppchen. Grund genug für einige BürgerInnen, die neue
Landesgeschäftsstelle zu besuchen. Bis auf zwei Jugendliche, die die Partei
»rassistisch« finden, sind die Gegner der Pro fein zu Hause geblieben.
Dass der Bundesvorsitzende Mario Mettbach die Eröffnung wegen wichtiger
Termine absagte, scheinen die Anwesenden ebenso gut zu verkraften wie die
Ereignisse der letzten Tage. »Wir sind nicht dabei gewesen und können uns kein
Urteil über die Ereignisse in Hamburg erlauben«, meint Michael Schlembach, der
Landesvorsitzende der Partei in Nordrhein-Westfalen. Außerdem rät er Ronald
Barnabas Schill, Urlaub zu machen. Der ehemalige Innensenator Hamburgs sei nur
ein Mensch und keine Politmaschine. »Und wir lieben Menschen auch in unserer
Partei«, sagt Schlembach. Als das Hamburger Mitglied Gerda Witthuhn sagt, dass
Schill die Wahrheit gesprochen habe, jubeln die Anwesenden. Die Freude steigert
sich noch, als Anke Soltkahn erklärt, dass sie in drei Jahren mit einem
zweistelligen Wahlergebnis für ihre Partei in Berlin rechne. »Wer einen gesunden
Menschenverstand hat, der wählt die Schill-Partei.«
Menschen mit Verstand sind nach Ansicht von Arnfried Wünscher aus
Charlottenburg-Wilmersdorf vor allem Rentner und Arbeiter. »Wenige Akademiker
wählen die Pro, weil sie eine modernere Politik bevorzugen.« Das ist
verständlich, wenn man hört, dass Anke Soltkahn an die »Tugenden der letzten 1
000 Jahre« appelliert.
Und doch gibt es Jugendliche, die der rechtspopulistischen Partei etwas
abgewinnen können. Maurice Woelcken, der 15jährige Jugendbeauftragte der Jungen
Offensive für Reinickendorf und Sohn des Ortsvereinsvorsitzenden Bernd Woelcken,
hat »seinem Leben durch die Partei einen Sinn« gegeben. Dass die Mitschüler ihn
als Rechten abstempeln, interessiere ihn wenig. »Die Partei ist mein Leben und
nach Beendigung der Schule will ich weiter aufsteigen.«