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Schill-Partei:
Aufbau Nord

Hamburg soll größer und reicher werden. Vierter Teil der erfolgreichen Serie zur Politik des rechtspopulistischen Senats. Schill ahoi IV: die Stadtentwicklungspolitik...

Gaston Kirsche

Ohne Verdichtung kommt es zur Abwanderung ins Umland, zum Verlust der gutsituierten Bevölkerungsschichten und damit zur Verelendung der Stadt. Behinderte, Alte, Kranke, Sozialfälle, Ausländer, Kriminelle und andere Gruppen würden übrig bleiben.« Gerd Steinbach, Funktionsträger der noch so genannten Schill-Partei, ist ein Freund klarer Worte und nicht der einzige, der darin dem Parteigründer Ronald Schill nacheifert.

Wolfgang Barth-Völkel, ein Bürgerschaftsabgeordneter der Schill-Partei, erklärte etwa vor einem Jahr mit Blick auf Migranten und Flüchtlinge: »Es muss einen Zwang zum Gesundheitscheck für alle geben, die in Hamburg leben wollen. Wer hoch ansteckende Krankheiten hat, muss interniert werden.«

Dagegen drücken sich die Koalitionspartner aus den Reihen der CDU und der FDP vorsichtiger aus, wenn es um die Frage geht, wer in der Stadt erwünscht ist und wer nicht. Leif Schrader, ein FDP-Bürgerschaftsabgeordneter, erklärte im Februar aus Anlass der nächtlichen Abschiebung der siebenköpfigen Familie Yilmaz, dass »es für niemanden angenehm ist, Menschen für eine Abschiebung nachts aus dem Bett zu holen, am allerwenigsten für die Beamten, die die Abschiebung vollstrecken müssen«. So etwas kommt aber jetzt öfter vor: Im vergangenen Jahr wurden 2 966 Flüchtlinge aus Hamburg abgeschoben, 36 Prozent mehr als im Jahr 2001.

Wer in der Stadt stattdessen erwünscht ist, steht in dem Grundsatzpapier »Leitbild: Metropole Hamburg – Wachsende Stadt«, das der Hamburger Senat am 11. Juli 2002 verabschiedete. Neue Einwohner sollen gewonnen werden; »junge und kreative Menschen sind – neben jungen Familien mit Kindern – eine wichtige Zielgruppe«. Bei »Empfängern von Sozialhilfe, Hilfen zur Erziehung (HzE) und Wohngeld« sei dagegen mithilfe der »zielgruppenorientierten Strategie (…) von einem unterdurchschnittlichen Anteil dieser Personengruppe an den Zuziehenden auszugehen«.

Angestrebt ist der kontrollierte Hinzugewinn von Neuhamburgern, die ordentlich Steuern zahlen, im Eigenheim wohnen und viel konsumieren, während die Sozialausgaben gekürzt, der soziale Wohnungsbau abgeschafft und günstige städtische Freizeiteinrichtungen und Dienstleistungen dicht gemacht oder privatisiert werden. So stehen etwa die Wasserwerke und die städtischen Krankenhäuser kurz vor dem Verkauf.

Mit der »Wachsenden Stadt« ist tatsächlich auch eine Steigerung der Einwohnerzahl gemeint: »Zwei Millionen Hamburgerinnen und Hamburger – das ist ein gutes und realistisches Ziel«, sagte der Bürgermeister Ole von Beust im Juni dem Hamburger Abendblatt. »Sie müssen den Blick eher weiten und auf ganz Deutschland oder besser noch über Deutschland hinaus blicken. Gleichzeitig sind wir auch für eine geregelte Zuwanderung von qualifizierten Arbeitnehmern aus dem Ausland.« Zurzeit schrumpft die Einwohnerzahl von zirka 1,7 Millionen jedes Jahr um etwa 10 000. Da sind zum einen die Eigenheimbauer, die ins Umland ziehen, in den Speckgürtel Hamburgs. Zum zweiten sinkt der Anteil von Flüchtlingen und Migranten an der Wohnbevölkerung.

Bei der »Wachsenden Stadt« geht es um eine Optimierung des ökonomisch verwertbaren »Humankapitals«, die »alle anderen Menschen als unerwünschte Störung urbaner Erlebnisräume ausschließt«, wie es die Zeck, das Infoblatt der Roten Flora, formuliert. Im Mai erläuterte der Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) vor 19 ausgesuchten Kapitalvertretern im Abendblatt-Forum die neue Masche: »Eines der grundlegenden Ziele des Senates ist es, Hamburg unter dem Leitbild ›Wachsende Stadt‹ in den kommenden Jahren zur wirtschaftsfreundlichsten Metropole Deutschlands zu entwickeln.«

Gleichzeitig sprach sich Uldall für eine rigorose Sparpolitik an den entsprechenden Stellen aus: »Den Negativtrend bei der Finanzlage können wir nur durch eine drastische Ausgabenreduzierung umkehren. (…) Deshalb müssen wir den Zustrom in die Sozialhilfe reduzieren.« Ausgaben, die der Kapitalakkumulation dienen, sollen aber nicht reduziert werden: »Denn dazu ist Wachstum notwendig, das wir mit vier Schwerpunktthemen fördern: große Infrastrukturvorhaben, Förderung des Mittelstandes, Umsteuerung des Arbeitsmarktes und die Entbürokratisierung von Verwaltungsabläufen.«

Was den Arbeitsmarkt angeht, ließ Uldall die staatlichen ABM-Stellen abbauen. Bei den Infrastrukturvorhaben geht es vor allem um schnellere, größere Verkehrswege. So soll die Elbe zu einem Kanal für Containerschiffe ausgebaggert werden und der Flugzeugbauer Airbus erhält weiteres Gelände. Einwände von Umweltgruppen weist Uldall zurück: »Wir dürfen nicht zulassen, dass Einzelinteressen das Recht der Gemeinschaft auf neue Arbeitsplätze zerstören.«

Überhaupt sind die Mitspracherechte der Hamburger seit Beginn der Amtszeit des aktuellen Senats eingeschränkt worden. Die erst 1997 in den Bezirken eingeführten Bürgerbegehren werden vom Senat in der Regel per Einspruch annulliert, wenn es um Bauvorhaben oder Verkehrsprojekte geht. So hat Bausenator Mario Mettbach (Schill-Partei) den monatelangen Protest der bekanntesten Bürgerinitiative Hamburgs zu Verkehrsfragen ignoriert und die 1991 erreichte Reduzierung der Stresemannstraße auf zwei Spuren rückgängig gemacht.

Die Metropole Hamburg will potenziellen Investoren lästige Klärungsprozesse ersparen, erklärt der Finanzsenator Wolfgang Peiner: »Berechenbarkeit und Schnelligkeit städtischer Entscheidungen sind ein wichtiger Standortvorteil.« Dabei ist der von Peiner propagierte kurze Draht zwischen der Regierung und der Wirtschaft in Hamburg längst erreicht.

»Das erste Amtsjahr des Senates ist von programmatischem Ehrgeiz und viel versprechenden Ansätzen gekennzeichnet. Unsere Handelskammer findet viele ihrer langjährigen Themen im Programm des Senats wieder«, lobte Karl-Joachim Dreyer, der Präses der Hamburger Handelskammer, anlässlich der »Versammlung des Ehrbaren Kaufmannes«, die traditionell immer zum Jahreswechsel stattfindet. Zum Jahresende 2002 nahmen nicht nur über 2 000 Vertreter des Kapitals teil, auch der Senat war nahezu vollzählig angetreten.

Nur an einigen kleineren Punkten forderte Dreyer die Landesregierung zum Nachsitzen auf: Die Bebauung des citynahen Domplatzes lasse »noch den erforderlichen Pep vermissen«, dort solle unbedingt ein »Hamburg-Welcome-Center« entstehen. Auch der Ausbau einiger Hauptstraßen erfolge zu langsam.

Was aber das Leitbild der »Wachsenden Stadt« angeht, ist die Handelskammer mit dem Senat völlig einer Meinung. Anzustreben seien »attraktive Gewerbeflächen, verkehrliche Erreichbarkeit, wettbewerbsfähige Steuer- und Abgabensätze und die Zuwanderung von Leistungsträgern.«

Dazu passend hat der Fraktionsvorsitzende der Schill-Partei, Norbert Frühauf, Mitte August einen Vorstoß gegen die sichtbare Armut auf der Straße gestartet: »Uns geht es nur um aggressives Betteln und um massive Störungen durch Trinkergruppen und laute Musik.« Denn Frühauf sieht sich als Opfer peruanischer Musiker: »Das macht einen ja wahnsinnig, wenn vor dem eigenen Bürofenster hundertmal am Tag ›El Condor Pasa‹ gespielt wird.«

Jungle World
Jungle World Nummer 36 vom 27.08.2003

kt / hagalil.com / 2003-08-28

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