Die Zeichen stehen schon lange auf Alarm. Als am 5. Juli bei einem
Harley-Davidson-Treffen im ostfriesischen Leer die Anhänger der Motorrad-Clubs
"Gremium" und "Bandidos" aufeinander stießen, knallte es richtig. Eine
Massenschlägerei zwischen den rivalisierenden Rockerclubs endete mit zwei
Schwerverletzten, die mit Stichverletzungen in Hals und Bauch im Krankenhaus
landeten. Die "Gremium"-Rocker aus dem Bremer Bereich kamen, nach
Polizeiangaben, mit Autos und verschwanden auch blitzschnell. Die
Staatsanwaltschaft Aurich ermittelt wegen schweren Landfriedensbruch und
gefährlicher Körperverletzung.
In Norddeutschland war das die bisher brutalste Auseinandersetzung im
schwelenden Rockerkrieg. Bereits im April dieses Jahres hatte der Leiter der
Kriminalinspektion Organisierte Kriminalität Weser-Ems, Herbert Kruse, darauf
hingewiesen, dass die Motorrad-Rocker-Banden der Polizei "immer größere Sorge"
bereiten. Die "Hells Angels" fühlten sich als "Platzhirsch" im Großraum Bremen,
die "Bandidos" seien vor allem im Osnabrücker Raum vorherrschend, während
"Gremium MC" den Raum Wilhelmshaven beanspruchen würde. Mitglieder dieser Gangs,
so Kruse, seien zunehmend in Verbrechen wie Menschenhandel, Förderung der
Prostitution und auch in Drogenhandel verwickelt. Alle drei Banden würden straff
geführt und bekämpften sich zwar gegenseitig durch Erpressung, Schlägerei und
Schusswaffen, hielten aber gegenüber der Polizei absolut "dicht".
Der eigentlich im Südwesten des Bundesgebietes beheimatete "Gremium MC"
breitet sich seit einiger Zeit im Norden aus und gründete bereits so genannte
Chapter in Jever, Oldenburg, Cloppenburg und Bremen und Bremerhaven. Es soll
zunehmend brutalere Anwerbungsversuche im Motorradclubmilieu geben. Jetzt könnte
eine weitere geplante Neugründung im ostfriesischen Bereich der Anlass zu der
brutalen Aktion gewesen sein, so mutmaßen Szenekenner.
Der "Gremium MC" machte in Bremerhaven auf sich aufmerksam, als er im Herbst
letzten Jahres ein Konzert mit der rechten Hooliganband "Kategorie C"
veranstaltete. Über 300 glatzköpfige Besucher bevölkerten den Rechtsrock-Abend.
Leider nichts Ungewöhnliches, heißt es aus Bremer Polizeikreisen, denn auch in
der Hansestadt gibt es Annäherungen zwischen rechten Skinheads und Rockern. Das
Bundeskriminalamt bekannte bereits 2000 in "Report aus München", dass der
"Gremium MC" polizeilich einschlägig bekannt sei. So würden Anhänger "auch kein
Feuergefecht" mit rivalisierenden Clubs scheuen. Doch welche Rolle spielen bei
diesen Machtdemonstrationen und dem teilweise tödlichen Kampf um Marktanteile im
Rocker- und Rotlichtmilieu die Rechten? Vor kurzem wurde bekannt, dass hinter
dem Pseudonym des bisherigen Vizepräsidenten des "Gremium MC" in Dresden
"Oswald" kein Geringerer als Andreas Pohl steckt. Pohl war einer der Anführer
der verbotenen neonazistischen Nationalistischen Front. Seinen Tarnnamen wählte
er wohl nicht von ungefähr: der hochrangige SS-Offizier Oswald Pohl wurde als
NS-Kriegsverbrecher 1951 von den Alliierten hingerichtet. Andreas Pohl stammt
aus Berliner Skinheadkreisen, war Bandmitglied von "Kraft durch Froide" und
gründete 1992 nach dem Verbot der NF die "Sozialrevolutionäre Arbeitsfront".
Dann wurde es still um ihn.
Braune Konzerte auf dem Gelände
Spätestens Ende der 90er Jahre tauchte der rechte Stratege beim "Clan MC" in
Dresden auf. In der Motorrad-Zeitschrift "Biker-News" (10/97) protzte der Club,
dessen Mitglieder in langen weißen Staubmänteln auftreten und deren Clubhaus im
so genannten "Clan-Camp" liegt: "Wir haben Dresden übernommen, um ein Ausufern
der MC-Szene zu verhindern". Die Polizei brachte die berüchtigten Rocker schnell
mit Rotlichtkriminalität in Verbindung, aber auch mit "Neonazi-Konzerten", die
auf deren Gelände stattgefunden haben sollen.
Aus dem "Clan MC" entstand das sächsische "Gremium"-Chapter, die Staubmäntel
wurden abgelegt, ihre Glatzen wurden zum neuen Markenzeichen. Dann passierte ein
Mord. Bei einem Überfall auf das Clubhaus der früheren "Highway Wolves" war der
22-jährige Rockerchef erschossen worden. Der Prozess gegen die 12 angeklagten
"Gremium"-Mitglieder am Leipziger Landgericht endete 2001 mit mehrjährigen
Haftstrafen. "Den tödlichen Schuss auf "Borsti" nahm der Dresdener
"Gremium"-Chef Heiko Rabenhorst auf seine Kappe", heißt es in der "Biker-News".
Vize-Präsident "Oswald" Pohl alias Andreas Pohl rückte auf dessen Stuhl.
Der Freitaler Motorradclub tauchte im Dezember 2002 erneut in den Zeitungen
auf, als es um die Schließung des rechten Szeneclubs "Thor" in Dresden ging.
Bevor die Neonazis dort einzogen, hatte der Motorradclub da sein Domizil,
schreibt die "Sächsische Zeitung". Aber auch nach deren Umzug sollen Andreas
Pohl und seine Truppe immer wieder zu den Gästen des "Nationalen Hauses" gehört
haben. Kontakt zum Dresdener Gremium-Chapter um Pohl soll auch der "Gremium MC
Cottbus" haben. Der Club mit Sitz in Spremberg sei aus der Glatzenszene der
frühen 90er Jahre entstanden, berichten Insider. Medienberichten zufolge gab es
auch beim Pforzheimer Gremium-Ableger bereits ein Rechtsrock-Konzert im
Clubhaus. In Pirna haben Gremium-Mitglieder ein Haus im Ortsteil Rottwerndorf
angemietet. "Die sind hier aber polizeilich noch nicht in Erscheinung getreten",
heißt es vonseiten der Pressestelle der Polizei der sächsischen Stadt.
"In Norddeutschland braut sich etwas zusammen", kommen dagegen Warnungen aus
Polizeikreisen der Stadt Bremen. In Bremen haben die berüchtigten "Bandidos" den
"Blazes MC" "übernommen", auch dort hatte es bereits Neonazi-Kontakte gegeben
und nach eigenen Angaben spielte die rechte Band "Kategorie C" schon im Clubhaus
der "Hells Angels" in der Nähe der Hansestadt.
Es sind unheimliche Allianzen, die dort entstehen. Die Rockerclubs werden
bundesweit immer wieder mit Drogen, Zuhälterei und Waffen in Verbindung
gebracht. Ein Betätigungsfeld auf dem sich in Nord- und Ostdeutschland auch
immer mehr Anhänger der "Freien Kameradschaften" tummeln. Vor einigen Wochen war
ein Waffenhändlerring den Beamten aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ins Netz
gegangen. Bei groß angelegten Razzien gegen Mitglieder von zwei Rockerclubs
waren 210 Waffen, darunter kistenweise Maschinengewehre, Panzergranaten und
Panzerminen sichergestellt worden. Über die Mitglieder des teils betroffenen
Celler Motorrad-Clubs "Nordmänner MC" ist bisher wenig bekannt. Für welchen
Zweck die Waffen bestimmt waren, heißt es bei "spiegel-online", dazu wollte sich
die Staatsanwaltschaft noch nicht äußern.