Schließt Wärterin Claudia (Name geändert) in der Justizvollzugsanstalt
Spremberg die Zellentüren, weiß sie, was die Häftlinge dahinter fühlen. Die
33-jährige Beamtin auf Widerruf saß nämlich selbst schon hinter Gittern - weil
sie in Lübbenau Brandsätze auf ein Asylbewerberheim geworfen hatte. Eine
ehemalige Rechtsextreme, die 20 Monate absaß, soll jetzt selbst im Gefängnis für
Recht sorgen. Ein Skandal? Das brandenburgische Justizministerium spricht von
«einer gelungenen Resozialisierung» .
Lübbenau im Sommer 1992: Claudia ist 22. Die gelernte Zoo-Technikerin,
verheiratet, ein Kind, ist arbeitslos. An einem öden Nachmittag in der Weststadt
besorgt sie sich eine Flasche Wodka und ein paar Horrorstreifen. Am Abend leert
sie am Hafen gemeinsam mit zwei anderen jungen Frauen zwei Liter-Flaschen
Sangria. Sie langweilen sich und beschließen, es an diesem Tag zu tun. Gegen
Mitternacht stellen sie sich zu dritt nebeneinander vor das Asylbewerberheim.
«1-2-3» , zählt Claudia. Dann schleudern sie die Molotow-Cocktails. Ihr eigener
entzündet sich vor den Platten am Eingang, die beiden anderen fackeln die Türen
an. Die 130 Heimbewohner, darunter 45 Kinder, sitzen in der Falle. Der Brand
kann gerade noch gelöscht werden. Doch die Brandstifterinnen flüchten nicht,
sondern präparieren vor dem Heim in «aller Seelenruhe» weitere drei
Molotow-Cocktails, wie ihnen der Oberstaatsanwalt später vor Gericht nachweisen
wird. Die leeren Bierflaschen, ein in Streifen gerissenes T-Shirt und ein Moped,
aus dem sie das Benzin abzapften, standen bereit. Der Staatsanwalt spricht von
einem «zielgerichteten und planvollen Vorgehen» .
Claudia selbst erscheint vor Gericht in Springerstiefeln, trägt ein
schwarz-weiß-rotes T-Shirt - die Farben des Deutschen Reiches. Kurz vor der Tat
war sie der «Deutschen Alternative» beigetreten, einer rechtsextremen Partei,
die später verboten wurde. Regelmäßig ging sie zu deren Kameradschaftsabenden in
einer Dorfkneipe bei Cottbus, tauchte mehr und mehr im rechtsextremen Milieu ab,
verkehrte mit West-Berliner Skins, ideologisch geschulten West-Nazis, Lübbenauer
Alt-Nazis und gleich gesinnten Lübbenauer Jugendlichen. In die laufenden Kameras
sagt Claudia während des Prozesses: «Ich finde das ungerecht, dass das jetzt so
hochgespielt wird. Weil die Medien dabei sind, wollen jetzt alle, dass ich in
den Knast komme.» Dass sie wegen eines Verbrechens angeklagt ist, will sie nicht
verstehen. «Wir wollten uns einfach mal abreagieren» , rechtfertigt sie sich.
«Das Asylantenheim hat sich angeboten, die Molis auszuprobieren.»
Rechte Gesinnung nicht verhehlt
Mitleid mit den Asylbewerbern hat sie nicht. «Wenn denen was passiert, das
stört mich nicht, das sind für mich keine Menschen» , diktiert Claudia in die
Blöcke. «Die Deutschen könnten die Arbeit der Asylbewerber genauso machen. Und
das ist die Schuld der Asylbewerber, dass die Deutschen nicht in deren Wohnungen
wohnen können» , sagt sie in die Kameras. Der Oberstaatsanwalt bezeichnet
Claudia in seinem Plädoyer als einen «unverbesserlichen Ausländerfeind ohne
Rechtsbewusstsein und Schuldgefühl» . Claudia wirkt davon unbeeindruckt. Sie ist
sich sicher, dass sie mit einer Bewährungsstrafe davonkommt. Auch ihr Vater
erwartet einen Freispruch.
Vater wertete Urteil als «Betrug»
Als das Gericht Claudia zu zweieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt,
begründet, dass sie keine Reue gezeigt habe, spricht der Vater von «Betrug» .
«Weil meine Tochter härter bestraft worden ist als die Täter, die das
Asylantenheim in Schwarze Pumpe bis zu den Grundmauern abgefackelt haben» , wie
er erklärt.
Selbst während der Haft macht Claudia aus ihrer Gesinnung keinen Hehl. Als
Neonazi sieht sie sich zwar nicht. Im gleichen Atemzug begeistert sie sich aber
für die Nazi-Herrschaft. «Das ganze Volk stand hinter Hitler» , sagt sie dem
«Tagesspiegel» . Verbrechen der Nazis wie den Völkermord an den Juden leugnet
sie. «Ich würde Hitler nie zutrauen, dass er so etwas gemacht hat.» Für Linke,
Lesben, Schwule ist in Claudias Deutschland kein Platz. Fremde dürften nur als
Touristen kommen. Und nach ihrer Haft, kündigt sie im «Tagesspiegel» an, wolle
sie sich selbstverständlich mit ihren «Kameraden» treffen.
Zwei Drittel ihrer Strafe sitzt Claudia ab. In Freiheit soll sie
weitergehetzt haben, wie der «Berliner Kurier» berichtet. Zum Beispiel gegen die
«Rassenmischung» . «In der Natur paart sich der Spatz mit 'nem Spatz und die Kuh
mit 'ner Kuh. Die machen das nicht durcheinander.»
Lübbenau im Sommer 2003: Heute ist Claudia S. 33 Jahre alt, hat drei Kinder.
Mit der rechten Szene will sie nach eigenen Angaben nichts mehr zu tun haben.
Dabei ist es ihre Aufgabe als angehende Justizvollzugsbedienstete im Spremberger
Gefängnis, zu verhindern, dass jugendliche Straftäter hinter Gittern zu Nazis
werden.
Ihre eigene rechtsextreme Vergangenheit tut sie offensichtlich nicht mehr
jedem gerne kund. Dem brandenburgischen Justizministerium war vor ihrer
Einstellung zumindest davon nichts bekannt. Sagt Sprecherin Petra Marx. Und der
von Claudia eingereichte Lebenslauf? «Der ist doch heute nur noch
stichpunktartig» , erklärt Marx lapidar.
Beamte, so steht es im Grundgesetz, müssen jederzeit die freiheitlich
demokratische Grundordnung vertreten. Erste Hinweise, dass es daran bei der
angehenden Beamtin Claudia möglicherweise Zweifel geben könnte, erhielt das
Ministerium nach eigenen Angaben aber erst nach deren Einstellung. Dabei hatte
Claudia zuvor erfolgreich das Einstellungsprozedere für eine künftige
Justizvollzugsbeamtin durchlaufen. Niemand in der Auswahlkommission, die
Claudias «besondere geistige und charakterliche Eignung» für den Strafvollzug
feststellte, hatte aber offenbar bei dem zweitägigen Auswahlverfahren deren
Lebenslauf genau unter die Lupe genommen. «Das Führungszeugnis, das eingeholt
worden ist, wies keine Vorstrafe aus» , erklärt Justizsprecherin Petra Marx.
«Die verschwindet nach fünf Jahren wieder aus dem Zeugnis. Und wegen der Fristen
durfte sich die Bewerberin auch als nicht vorbestraft bezeichnen.» Eine
unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister, die auch getilgte
Vorstrafen umfasst und Claudias Vergangenheit ans Tageslicht befördert hätte,
dürfen sich die Behörden erst seit diesem Jahr einholen.
Einen Vorwurf macht Petra Marx der angehenden Beamtin deshalb nicht.
«Grundsätzlich kann auch ein Vorbestrafter Beamter werden» , sagt sie. Die
Bewerberin habe sich «regelkonform» verhalten und «allen Anforderungen
entsprochen» . «Auch alle Persönlichkeitstests hatten ergeben, dass hier ein
gelungener Fall von Resozialisierung vorliegt.»
«Keinen Grund für eine Entlassung»
Einen Grund, die Frau mit der rechten Vergangenheit zu entlassen, sieht im
Justizministerium deshalb niemand. «In dem Fall ist bereits kurz nach der
Einstellung erneut alles überprüft worden» , sagt Petra Marx. «Die Dame wird
weiter bei uns beschäftigt.» In der Spremberger Justizvollzugsanstalt bleibt
alles beim Alten: Wenn die Zellentüren schließen, wird Wärterin Claudia
nachempfinden können, was die Häftlinge in diesem Moment fühlen. Im nächsten
Jahr muss sich Claudia dann selbst wieder einer Überprüfung stellen. Dann erst
wird entschieden werden, ob Claudia als Beamtin auf Probe übernommen wird. «Da
kann also nichts anbrennen» , macht Petra Marx deutlich.