Dem Pärchen aus Portugal, das sich am späten Montagnachmittag zur
Gedenkstätte deutscher Widerstand in der ehemaligen Obersten Heeresleitung
verirrt, bietet sich ein irritierendes Bild: Im Wehrmachtsfeldgrau stehen da
zwei mit diversen Haken- und anderen Kreuzen dekorierte Uniformträger im Hof des
Bendlerblock und nehmen Haltung an.
Die Binsenweisheit, Geschichte wiederhole sich nicht, hilft wenig.
Entspannung schleicht sich erst ein, als ein Pulk ziemlich jetztzeitiger
Fotografen anrückt, sich vor den beiden Soldaten aufbaut und beginnt, sie am
historischen Ort abzulichten: Sebastian Koch spielt Claus Schenk Graf von
Stauffenberg, Ulrich Tukur seinen Freund und Vertrauten Henning von Tresckow.
Seit Dienstag laufen in Berlin die Dreharbeiten zu "Stauffenberg".
"Photocall" heißt es auf Neudeutsch, wenn Sender (SWR) und Produktionsfirma
(teamworx) zum Produktionsauftakt laden, und Photocalls haben die Angewohnheit,
immer länger zu dauern als geplant. Wehrmachtsuniformen, lernt der unbeteiligte
Beobachter derweil, waren bunter, als man denkt. Reithosen mit breiten Streifen
in einer Farbe, die man heute wohl als Telekom-Magenta beschreiben würde. Doch
wie hieß das 1944? Warm scheinen die Dinger bzw. ihr Nachbau in jeden Fall zu
sein: Trotz rein natürlicher Beleuchtung durch die längst nicht mehr so heiße
Berliner Sonne müssen die Damen von der Maske zwischendurch immer mal wieder
Hand bzw. Schweißtuch anlegen.
Dann ist es vollbracht, und die Herren ziehen sich noch rasch im
Konferenzraum B der Gedenkstätte um. Draußen auf dem Flur davor hängen die
Tafeln, die das Schicksal der Verschwörer des 20. Juli 1944 und die folgenden
Prozesse vor dem Volksgerichtshof der Nazis dokumentieren. Stauffenberg und
Tresckow waren da schon tot: Der schwer kriegsbeschädigte Stauffenberg, der am
20. Juli Hitler mit einer Bombe in dessen Hauptquartier "Wolfsschanze" in
Ostpreußen in die Luft sprengen wollte, wurde noch in der Nacht des
gescheiterten Aufstands im Hof des Bendlerblocks erschossen. Tresckow beging am
Tag darauf Selbstmord, nach dem Prozess vor dem Volksgerichtshof wird seine
Leiche auf dem elterlichen Gut in Wartenberg von der Gestapo exhumiert und
verbrannt.
Drinnen im Saal versucht man unnötigerweise den Eindruck zu zerstreuen, hier
handele es sich um eine bloße öffentlich-rechtliche Pflichtveranstaltung zur 60.
Wiederkehr des 20. Juli 1944. Dagegen sprechen schon Schauspieler wie Koch und
Tukur, aber auch so ungewöhnliche Besetzungen wie Olli Dittrich als Goebbels -
und vor allem Jo Baier. Der Macher von Strittmatters "Laden" (ARD) oder des
Sedlmayr-Psychogramms "Wambo" (Sat.1) ist auch bei "Stauffenberg" Drehbuchautor
und Regisseur in einer Person. Ihm geht es um "Zivilcourage, um Mut bis zur
Selbstverleugnung", so Baier. Um "Menschen, die für ihre Überzeugung ihr Leben
hingegeben haben. Vorbilder. Vielleicht in der Spaßgesellschaft nicht gerade
zeitgemäß - aber umso wichtiger." Und das eben nicht als strahlende
Gedenktagshelden, wie ihrer alljährlich von den Peter Strucks und
Bundeswehr-Ehrenwachen der deutschen Bundesrepublik gedacht wird. Sondern
bewusst mit all ihren Grautönen: "Wir drücken uns um gar nichts", sagt Baier.
Und meint die Entwicklung des konservativen Preußen, der noch 1941 die
Vereinigung des Oberbefehls über Heer und Wehrmacht auf Hitler begrüßte, zum
Offizier, der schwer mit sich und seiner Weltanschauung hadert, dann aber doch
den Treueeid auf diesen "Führer" bricht.
Den spielt im Film Udo Schenk, und wie Olli Dittrich sieht man ihm an, dass
er nicht so ganz weiß, ob er sich über die Rolle freuen soll oder nicht. Für
Dittrich ("Im Verständnis der Leute, die Schubladen füllen, bin ich ja
Komödiant") geht es auch um Wahrnehmung als Schaupieler. "Wenn man aus dem
Gauklerfach kommt, ist es ja nicht an der Tagesordnung, das man so etwas
angeboten bekommt." Sein Goebbels muss auch anders werden als der "schreiende,
Reden haltende Propagandaminister, der den meisten oberflächlich in den Sinn
kommt". Denn im Film wird er nur in einer Schlüsselszene zu sehen sein, als er
mit dem nur leicht verletzten Hitler in der Wolfsschanze telefoniert und das
Signal zum Gegenangriff - und zu entsprechenden Meldungen im von den
Widerständlern nicht besetzten Rundfunk - gibt.
Stauffenberg ist da längst wieder im Bendlerblock: Weil er zur Koordinierung
des Aufstands unersetzlich ist, musste er zurück nach Berlin, ohne sich vorher
davon überzeugen zu können, ob Hitler wirklich tot ist.
"Ich fühle mich verpflichtet, diesem Menschen mit dem Film gerecht zu
werden", sagt Baier noch, und auch wenn man sich natürlich ein bisschen
lobhudelt, dass man die "Wolfsschanze" nahe dem brandenburgischern Jüterbog
beinahe naturgetreu wieder aufbaut und im Studio in Köln den halben
Bendlerblock: Über einem schnöden Pressegespräch liegt beinahe so etwas wie
feierlicher Ernst.
Dabei hat noch gar keiner gesagt, was das Ganze kostet. Genaue Zahlen gibt es
auch nicht. So viel ist sicher: 34 Drehtage, rund 75 Schauspielerrollen für
einen (längeren) Einteiler gehören auch bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht
eben zum Produktionsalltag. Da mag dann doch noch eigentlich die ungeliebte
Kalendermentalität der Programmverantwortlichen geholfen haben: "Bei
kostspieligen Produktionen ist das Jahrestage-Denken ja doch sehr verbreitet",
sagt irgendwann Produzentin Gabriela Sperl.