Wolgast:
Integration stößt auf massiven Widerstand
Rechtsextremisten wollen Asylbewerberheim in Wolgast
verhindern. Bürgermeister lässt sich nicht einschüchtern...
Heike Kleffner
Die Botschaft ist eindeutig: "Lichtenhagen, Solingen, Mölln, Wolgast?" haben
Unbekannte in Schwarz an den leer stehenden Plattenbau im Wolgaster Hafen
gepinselt. In das ehemalige Verwaltungsgebäude neben der Peenewerft sollen knapp
150 Asylsuchende einziehen. Noch leben sie mitten im Wald in einem Heim auf der
Insel Usedom und in einer baufälligen Möbelfabrik im nahen Anklam. Mit dem zum
Jahresende geplanten Umzug der Flüchtlinge erfüllt der Landkreis Ostvorpommern
den so genannten Heimerlass der Landesregierung in Schwerin.
Er sieht vor, die "Dschungelheime" zu schließen, in denen Asylsuchende fernab
von Einkaufsmöglichkeiten, Schulen und Rechtsberatungen in ehemaligen
NVA-Kasernen und Baracken untergebracht sind. Die Landesregierung will so die
Flüchtlinge besser integrieren. Nun wird eine Hand voll neuer
Flüchtlingsheimstandorte in Mecklenburg-Vorpommern gesucht. Dies führt jedoch
vielerorts zu Protesten von Bürgern und Neonazis.
In Wolgast, sagt SPD-Bürgermeister Jürgen Kahnel, würden die Flüchtlinge nur von
wenigen Rechtsextremisten aus dem Umfeld der NPD abgelehnt. Sie tarnen sich als
Bürgerinitiative "Schöner Wohnen in Wolgast" und haben knapp 280 Unterschriften
gegen das Heim gesammelt. Weniger bürgernah gibt man sich auf der Website der
NPD-Ostvorpommern. Hier finden sich Fotos des künftigen Flüchtlingsheims mit
detaillierter Anfahrtsbeschreibung. Rechtsextremismusexperten sehen darin eine
kaum verhüllte Aufforderung zu Gewalttaten. Es sei kein Zufall, "dass die Parole
am zukünftigen Heim auf die rassistischen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen und
die tödlichen Brandanschläge gegen Migranten in Mölln und Solingen anspielt",
sagt Günther Hoffmann vom Verein "Bunt statt Braun" in Anklam.
Der Verein versucht, die schwierige Suche des Landratsamts nach einem
Heimstandort zu unterstützen. Doch mit ihrer antirassistischen
Öffentlichkeitsarbeit befindet sich "Bunt statt Braun" oft in der Defensive. Zum
Beispiel in der 2.400-Einwohner-Gemeinde Ducherow, wo die Flüchtlinge
ursprünglich in eine leer stehende Hotelruine einziehen sollten. Daraufhin
drohten die 400 Besucher einer Bürgerversammlung mehrheitlich den anwesenden
Kreistagsvertretern von PDS, CDU und SPD an, man werde sie "komplett abwählen",
wenn sie den Plänen von PDS-Landrätin Barbara Syrbe zustimmen und für den Zuzug
der Flüchtlinge votieren würden. Argumentiert wurde wahlweise mit "Afrikanern,
die unsere Behinderten mit Messern angreifen", oder "den Rechten, die dann hier
Krawall machen".
Nachdem das Landratsamt klein beigab, standen die Städte Wolgast und Anklam zur
Wahl. Dort sammelte ein Diskothekenbesitzer 1.200 Unterschriften gegen die
angekündigten neuen Nachbarn und Neonazis verteilten Flugblätter gegen "die
Asylantenflut". Dabei machen Migranten und Flüchtlinge in der Region weniger als
2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.
Wolgasts Bürgermeister Jürgen Kahnel dagegen erhofft sich von dem Heim "einen
positiven Effekt" für seine Stadt. Die Asylsuchenden würden ihre Einkäufe
schließlich vor Ort tätigen. Kahnel betont, Wolgast sei "weltoffen". Man werde
sich nicht einschüchtern lassen. Auch nicht von marschierenden Neonazis. Die
haben sich für den kommenden Samstag in Wolgast angekündigt, um gegen die
Eröffnung der Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" im nahen Peenemünde zu
protestieren. Anschließend, fürchten Sicherheitsexperten, könnten die Rechten zu
einem europaweiten Treffen der Rockergruppe "Bandidos" in Anklam weiterziehen.
In Wolgast will man die ungebetenen Gäste "rechts liegen lassen" und mit einem
"Fest der Kulturen" Farbe bekennen.
taz
taz vom 23.07.2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-07-26
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