brandburgische Kleinstadt Trebbin:
"Miteinander muss wachsen"
Trebbin feiert ein "Fest der Begegnung". Nichts Besonderes
- hätten hier nicht Neonazis italienische Arbeiter fast totgeprügelt. Das war
1996. Ob Rechtsextremismus heute noch ein Problem ist, darüber herrscht keine
Einigkeit...
Astrid Schneider
Frau Nguien und ihr Mann verkaufen Kartoffeln und Möhren, Hemden und Strümpfe im
Obst-und-Gemüse-Laden an der Hauptverkehrsstraße in Trebbin genau gegenüber vom
Marktplatz. Trebbin ist ein kleines Städtchen 30 km südlich von Berlin mit
holprigen Straßen, Häusern, kaum höher als zwei Stockwerke, mit 7.000 Einwohnern
und einer Ausländerrate von unter einem Prozent. Familie Nguien ist eine von
drei vietnamesischen Familien hier. "Trebbin sehr, sehr, sehr schön", sagt Herr
Nguien und nickt, "die Leute gut mit Ausländern."
"Det Zusammenleben is ganz jut hier, kann man nich meckern", sagt ein älterer
Mann im Laden, der passend bezahlt. An die Schlägerei von 1996 erinnert er sich:
"Ach, det hat sich lange erledigt." Familie Nguien zog erst im vergangenen Jahr
her, die Schlägerei, die Trebbin über Brandenburgs Grenzen hinaus bekannt
machte, kennen sie nicht. Damals prügelten Neonazis italienische Bauarbeiter
nieder und verletzten sie schwer. Die beiden Haupttäter wurden 1998 verurteilt
und sitzen die nächsten Jahre in Haft. Einer von ihnen hat sich von der Szene
abgewandt und Namen genannt. Vor knapp zwei Jahren wurde das Verfahren wieder
aufgerollt und gegen die Verdächtigen Anklagen erhoben. Seitdem wird die Stadt
mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Auch deshalb soll es heute ein "Fest der
Begegnung" geben. Anlässlich eines Partnerstädtetreffens will man für ein
friedliches Miteinander werben.
Familie Nguien wird sich daran nicht beteiligen. Ob sie einen China-Imbiss
machen wollen, habe eine Frau vom Ordnungsamt gefragt. Geht nicht, erzählt Herr
Nguien, er habe keine Ware dafür. Schließlich ist Herr Nguien Gemüsehändler und
kein Imbissverkäufer. Außer einer Thailänderin werden auf dem Fest keine
Migranten mit einem eigenen Stand vertreten sein. Karin Kroll, in der
Stadtverwaltung zuständig für Ordnung, Kultur und Hauptorganisatorin des Festes,
sagt, man habe sich bemüht: "Leider hat keiner der ausländischen Mitbürger seine
Bereitschaft erklärt, da mitzumachen. Sie meinten, der Umfang sei zu groß.
Außerdem müssen sie ja auch in Vorkasse gehen. Damit waren sie wohl
überfordert."
Memet K. dagegen behauptet, zu spät davon erfahren zu haben. Aber eigentlich sei
es ihm egal, ob er beim Fest dabei ist oder nicht. Von seinem Dönerimbiss zeigt
er schräg hinüber zum Ratskeller: Früher sei er da mal hingegangen, jetzt nicht
mehr. Er habe gehört und das sei Stadtgespräch: Glatzen sollen dort ein und aus
gehen.
Weil man hier noch so richtig anpacken könne, zog Thomas Berger, CDU, vor vielen
Jahren aus dem Rheinland in den Osten. "Im Ratskeller sitzt eine Klientel, die
mal unangenehm aufgefallen war, genauso wie renommierte Trebbiner", verteidigt
der junge Bürgermeister das Ansehen seiner Stadt. Da träfen sich Rechtsradikale,
will er so nicht sagen, weil er gegen Vorverurteilung ist. Bis jetzt seien im
Ratskeller, der seit eineinhalb Monaten neu verpachtet ist, keine
verfassungswidrigen Aktivitäten beobachtet worden. Dennoch gibt der
Bürgermeister zu: "Wir haben Probleme mit Rechtsradikalismus, allein die Lösung
ist nicht deutlich." Thomas Berger plädiert für Integration, mit Ausgrenzen
komme man nicht weiter. Seine Argumente sind: Perspektiven und Glaubwürdigkeit
bieten.
Über die Glaubwürdigkeit von angeblichen Aussteigern und wie ernst das
rechtsradikale Problem in der Stadt sei, darüber zerstritt sich die
Bürgerinitiative "Trebbin miteinander", die der Bürgermeister vor fast zwei
Jahren gründete. Von etwa 40 seien 10 Aktive übrig geblieben, sagt Nina Schmitz.
Mit Bergers Position ist sie nicht einverstanden: "Sosehr der Bürgermeister auch
gegen rechts ist und Aussteigern helfen will, das glaube ich ihm, aber ich sehe
nicht, dass sie Aussteiger sind. Wie soll man ihnen glauben können, wenn sie
nichts zugeben oder bereuen." Zu dieser verfahrenen Situation könne man keine
gute Miene machen und erst recht kein gutes Multikulti-Fest feiern.
Nina Schmitz wohnt außerhalb des Stadtzentrums hinter einem Weizenfeld in den
Räumen einer alten Kneipe. Als sie die vor drei Jahren kaufte und nicht
eröffnete, habe man ihr das in dem Vorort übel genommen, sagt sie. Auf dem Tisch
im Hof steht ein bunter Strauß Feldblumen - die Mittvierzigerin möchte ein
schönes Leben und nicht ihre vier Kinder verstecken müssen, die nicht von
deutschen Männern sind. In der Kleinstadt gilt die in Westberlin geborene
Schmitz als jemand, der sich einmischt. Frau Schmitz sagt: "Es gibt hier nun mal
ein massives rechtsextremes Problem, da kann man doch nicht dran vorbeigucken."
Zusehen, was im Ort passiert, will auch Melanie Höse nicht. Sie leitet den
städtischen Jugendclub, engagiert sich bei "Trebbin miteinander", beobachtet
intensiv die Verhandlungen um die Schlägerei und will die Wahrheit wissen.
Trebbin habe lange geschlafen, es sei Zeit, die Trebbiner würden nicht
übereinander, sondern miteinander reden. Ein Fest der Begegnung könne es
irgendwann mal geben, sagt Frau Höse, dieses Jahr sei es zu früh: "Es sei denn,
man will nur etwas abrechnen, aber dann hat man sich nur wieder in die eigene
Tasche geschwindelt. So was muss wachsen."
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TAZ Berlin vom 28.06.2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-07-02
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