Schändung des Jüdischen Friedhofs:
Neonazis drohen mit Mord
Keine neuen Erkenntnisse, aber ein Bekenntnis. Im Internet
brüsten sich anonyme Neonazis mit der Schändung des Jüdischen Friedhofs in
Neustadt. Und drohen dem Bürgermeister der Stadt, dem Landrat des Kreises
Ostholstein, dem Pressesprecher der Lübeck...
Sylvia Blankenburg
Neustadt - Als der antisemitische Angriff auf den Jüdischen Friedhof am Grasweg
am 4. Mai entdeckt wurde, erschienen die Zeichen auf dem Grabstein zunächst
rätselhaft. Nicht mit dem Blut des aufgeschlitzten Ferkels, das auf der
Gedenkstätte lag, sondern mit roter Farbe hatten Unbekannte untereinander zwei
Mal "C18" auf den Stein geschmiert. Die polizeilichen Ermittlungen
dechiffrierten dieses Kürzel. Es steht für die neonazistische Organisation
"combat 18 Deutschland" und die prahlt - wie erst jetzt bekannt wurde - bereits
seit Ende Mai im Internet mit der Schandtat in Neustadt.
Auf der Website finden sich in einem "Aktionsreport 05/03: Jüdischer Friedhof in
Neustadt" Zitate und Fotos aus den Lübecker Nachrichten, Hasstiraden gegen Juden
und das Bekenntnis: "combat 18 übernimmt für diese Tat die volle Verantwortung."
Daneben sind Bürgermeister Henning Reimann, Landrat Reinhard Sager und
Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz abgebildet. Über dieser Fotoleiste steht
die Drohung: "Wer dem Juden dient, ist Feind. Ihr seid die Nächsten."
Wie gehen die Betroffenen mit der Bedrohung um? Unaufgeregt und zurückhaltend.
"Das beeindruckt mich nicht sonderlich", sagt Reinhard Sager. Für den Landrat
sind das "feige Leute", die im anonymen Dickicht des Internet ihren mehr als
unappetitlichen Schund verbreiten. Sager hat und wird sein privates und
berufliches Leben "auf keinen Fall" ändern. Gewachsen aber ist die Wut: "Mein
Abscheu gegenüber der Schändung des Jüdischen Friedhofs und anderer
rechtextremistischer Übergriffe ist noch größer geworden."
Zu seiner scharfen Verurteilung der Friedhofsschändung steht auch Henning
Reimann. Der Bürgermeister, der in seiner früheren Tätigkeit als Ermittler des
Arbeitsamtes im Bereich illegaler Beschäftigungen bereits Morddrohungen erhalten
hat, lässt sich und seine Familie nicht einschüchtern: "Ich nehme die Dinge zur
Kenntnis und ziehe meine eigenen Schlüsse."
"Man verdrängt das", gibt Klaus-Dieter Schultz zu verstehen. Als Pressesprecher
hat der Oberstaatsanwalt schon etliche Schmähbriefe erhalten. Die Morddrohung
ist für ihn ein Novum. Dennoch: "Ich denke nicht, dass davon eine konkrete
Bedrohung ausgeht." Sehr bitter stößt es Schultz jedoch auf, dass die Verfasser
der Intenetseite nicht zu fassen seien (s. o.). Eine "heiße Spur" zu den
Friedhofsschändern habe sich auch durch Hausdurchsuchungen in einschlägigen
Kreisen nicht ergeben. Aber: "Die Ermittlungen laufen weiter."
Lübecker Nachrichten
Lübecker Nachrichten vom 15.07.2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-07-26
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