Rechtsrockband Landser:
Melodien für Mörder
Die Naziband Landser muss sich vor dem Berliner
Kammergericht wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung verantworten...
Andreas Speit
Kanake verrecke, verfluchter Kanake, du bist nichts weiter als ein Stück Kacke
(…) du bist nur Dreck, du bist nur Abschaum, du musst hier weg«, singt der
Bandleader der Landser, Michael Regener, in einem Lied. In einem anderen raunt
er: »Gibt’s überhaupt noch eine Medizin für Kreuzberg? 100 000 Liter Strychnin
für Kreuzberg. Haut das Zeug ins Leitungswasser rein, dann geht die ganze Bande
ein!«
Seit mehr als zehn Jahren liefern die Landser, wie sie meinen, den »Soundtrack
zur arischen Revolution«. Nicht nur ihre Texte trugen dazu bei, dass sie zur
populärsten Band der nationalen Szene avancierten. Es gibt von der Nazirockband
keine einzige legal produzierte CD. Dieser Umstand verstärkt das Image der
Musiker aus Berlin und Brandenburg als »Kult-Band« des Rechtsrock in
Deutschland.
Mittlerweile erklärt auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, dass die Landser
wegen ihres »vergleichsweise hohen musikalischen Könnens« und ihrer aggressiven
Texte die »bekanntesten und einflussreichsten« Rechtsrocker seien. Nun stehen
sie vor dem zweiten Strafsenat des Berliner Kammergerichts.
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen eröffnete der Vorsitzende Richter
Wolfgang Weißbordt Ende Juni das Verfahren gegen den 38jährigen Regener, den
25jährigen Bassisten Andre Möricke und den 26jährigen Schlagzeuger Christian
Wenndorf. In 17 Prozesstagen soll die erste Anklage der
Generalbundesanwaltschaft gegen eine Naziband, u.a. wegen Volksverhetzung,
Verherrlichung des Nationalsozialismus, Aufstachelung zu Rassenhass und Mord und
der Bildung einer kriminellen Vereinigung, verhandelt werden.
Mit dem zuletzt genannten Vorwurf begebe sich die Anklage in einen
»komplizierten Grenzbereich«, räumte Bundesanwalt Wolfgang Siegmund vor dem
Beginn des Prozesses ein. Aber für die Landser sei die Musik nur ein
»Transportmittel«, um »rechtsextreme Botschaften in die Jugendszene zu bringen«.
Auch das »große Maß an Konspiration« spreche dafür, dass es sich um eine
kriminelle Vereinigung handele.
Diesen Tatvorwurf wollte das Berliner Kammergericht Anfang dieses Jahres nicht
akzeptieren. Erst beim Bundesgerichtshof setzte die Generalbundesanwaltschaft
diesen Aspekt der Anklage durch. Nun musste das Kammergericht ihn aufnehmen.
Als die »Stars« der Szene, umringt von kahl geschorenen Bodyguards, am ersten
Verhandlungstag den Gerichtssaal betraten, applaudierten keine Fans. Stattdessen
rief ein Berliner Neonazi »Verräter«, als Wenndorf erschien. Er soll nämlich bei
den Vernehmungen »gesungen« haben. Ohne sichtbare Reaktion folgten die
Beschuldigten dann dem Vortrag aus der 180 Seiten umfassenden Anklageschrift der
Bundesanwaltschaft.
Siegmund hob hervor, dass es der Band nicht um den Verkauf von Musik, sondern um
die »Aufstachelung zu Gewaltbereitschaft« gehe. Von 1993 bis zu ihrer
kurzfristigen Verhaftung im Jahr 2001 produzierten sie vier CDs: »Das Reich
kommt wieder«, »Republik der Strolche«, »Rock gegen oben« und »Ran an den
Feind«. Schon 1993 sei die Band, welche kurz zuvor im Umfeld der Ostberliner
Neonazirocker »Vandalen« entstanden war, in den »Untergrund abgetaucht« und habe
mithilfe zahlreicher Gesinnungsgenossen die CDs hergestellt.
Mitte der neunziger Jahre sei »Republik der Strolche« beispielsweise in einem
Berliner Keller geprobt, in einem Tonstudio in Dänemark gemischt und dann von
dem damaligen Schlagzeuger illegal nach Deutschland transportiert worden. Die CD
»Rock gegen oben« nahm die Band in einem Studio im US-Bundesstaat Minnesota auf,
ließ sie in Alabama pressen und schickte sie dann paketweise in die Niederlande.
Ein Kurier brachte die CDs von dort nach Deutschland.
Mit ihren Texten riefen die Musiker in »volksverhetzender Weise zu Hass und
Gewalt« gegen »Türken, Vietnamesen, Juden« und »Mitglieder des Bundestages« auf
und stachelten zum Mord an »prominenten Nazigegnern« wie Michel Friedman auf,
sagte der Bundesanwalt weiter. In dem Lied »Dieser Michel Friedman« werden
zunächst Nachrichten über Erdbeben und Kriege aufgezählt, im Refrain heißt es
dann: »Dieser Michel Friedman ist immer noch am Leben.«
Und tatsächlich lieferte die Band auch die Begleitmusik für Mord und Totschlag.
So hatten Jugendliche in Guben im Jahr 1999 vor ihrer tödlichen Jagd auf den
algerischen Asylbewerber Omar Ben Noui die Musik der Landser gehört. Die Nazis
in Dessau grölten im Jahr 2000 das Landser-Lied »Sturmführer«, als sie Alberto
Adriano erschlugen.
Der Prozess gegen die Landser wurde erst nach langwierigen Ermittlungen möglich.
Im Oktober 2001 nahm die Polizei die Bandmitglieder fest und durchsuchte 22
Häuser in Berlin und Brandenburg.
Weder das »umfangreiche Beweismaterial« noch die 75 geladenen Zeugen machten ihn
»bange«, betont hingegen Regeners Verteidiger Arnold Wendorff. »Das sind alles
Leute am Rand, die mal was gesehen oder was gehört haben«, der Nachweis für die
Bildung einer kriminellen Vereinigung könne nicht erbracht werden. Als Zeugen
sind in dem Prozess auch die enttarnten V-Männer Toni Stadler und Mirko Hesse
geladen, die am Vertrieb der CDs der Landser mitwirkten.
Neben Solidaritätsaufrufen für die Landser kommt aus der »nationalen Bewegung«
auch Kritik. »Doch werden sich die Angeklagten auch wie Angeklagte in einem
politischen Prozess benehmen?« fragt das rechtsextreme Internetprojekt »die
Kommenden«. »Bis jetzt deutet nichts darauf hin.« Schließlich hätten sie vor
Gericht geschwiegen. Doch »wer Lieder mit solchen Inhalten veröffentlicht hat,
sollte (…) auch dafür öffentlich« einstehen. Auch das Freie Infotelefon
Norddeutschland beklagt die mangelnde Kampfbereitschaft. Dass außer Wenndorf
auch Möricke sich »ausführlich« in den polizeilichen Vernehmungen ausgelassen
habe, sei enttäuschend.
Bis Ende August haben die Rechtsrocker noch Gelegenheit, die Kameraden von ihrem
Kampfeswillen zu überzeugen. Dann soll das Verfahren beendet werden.
www.jungle-world.com
Jungle World (Nummer 29 vom 09.07.2003)
kt /
hagalil.com
/ 2003-07-10
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