Christlich-muslimischer Dialog:
Kirchen zu Moscheen? Niemals!
Die Westfälische Landeskirche möchte aufzugebende
Gotteshäuser nur an andere christliche oder an jüdische Gemeinden verkaufen,
nicht aber an Muslime: Dies sei "emotional zu belastend". Der Zentralrat der
Muslime hält das für Diskriminierung...
von YASSIN MUSHARBASH
Es knirscht im christlich-muslimischen Dialog. Der Grund: Die evangelische
Landeskirche in Westfalen hat ihren Gemeinden auf Anfrage empfohlen, solche
Gotteshäuser, die die Kirche aus finanziellen oder demografischen Gründen nicht
länger halten kann, an jüdische oder christliche Gemeinschaften zu verkaufen -
nicht aber an Muslime.
Die Umwandlung einer Kirche in eine Moschee sei "emotional für beide Seiten zu
belastend", begründet dies Caroline Peter, Sprecherin der Westfälischen
Landeskirche. Es gebe für eine solche Umwidmung keinen Rückhalt in der
Bevölkerung, und man wolle Überfremdungsängste nicht noch bestärken. Zu den
Juden gebe es zudem eine "stärkere Berührung", weil sich Christen wie Juden auf
das Alte Testament beziehen.
Diese Argumentation stößt bei muslimischen Verbänden auf Ablehnung. Aiman
Mazyek, Sprecher des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), wirft der
evangelischen Kirche Diskriminierung vor. Er habe Verständnis für
Übernahmeängste christlicher Gläubiger, aber zwischen Christentum und Islam gebe
es religiöse Gemeinsamkeiten, "ob man will oder nicht", sagte Mazyek der taz.
Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrates (IR), sagte: "Ich will nicht gleich
von Ausgrenzung sprechen, aber ich habe wenig Verständnis, wenn man eine
Religion bevorzugt und eine andere ausschließt." Beide Verbände sind sich einig,
dass es ihnen lieber wäre, wenn gar keine Kirchen aufgegeben würden, weil das
auf einen Werteverfall hindeute. Aber wenn schon ein Verkauf in Betracht gezogen
werde, wollen sie nicht ausgeschlossen sein.
Die muslimisch-protestantische Verstimmung ist umso bemerkenswerter, als es
genau genommen nur um virtuelle Verkäufe geht: Zwar wird die evangelische Kirche
in Westfalen von ihren insgesamt etwa 950 Gotteshäusern wohl bald sechs
aufgeben. Doch für keines davon gibt es bisher eine Kaufanfrage. Auch bundesweit
ist noch kein Fall bekannt, in dem eine muslimische Gemeinde Interesse an einem
Kirchengebäude bekundet hat. Lieber wäre es den Muslimen, wenn sie in
Großstädten Moscheen nach eigenen architektonischen Vorstellungen bauen könnten.
Auch eine Kirche, die zur Synagoge wurde, gibt es noch nicht. Bisher wurden
Kirchen nur an orthodoxe Gemeinschaften veräußert, zumeist aber wurden sie zu
Wohnungen, Museen, Gemeindehäusern, Bibliotheken oder Veranstaltungsräumen. Dass
die Wellen derzeit trotzdem so hoch schlagen, deutet auf einen Konflikt hin, der
bei vielen Dialogveranstaltungen unausgetragen bleibt: Dass es zwischen den
monotheistischen Religionen Unterschiede im Gottesverständnis gibt. "Wir können
nicht einfach so sagen, dass Allah derselbe ist wie der Gott, an den wir
glauben", sagt zum Beispiel Christof Vetter, Sprecher der Evangelischen Kirche
Deutschlands (EKD). Nach muslimischem Selbstverständnis besteht daran hingegen
kaum ein Zweifel. "Wir gehen alle auf eine abrahamitische Tradition zurück",
sagt der IR-Vorsitzende Kizilkaya.
Gerhard Duncker, Kirchenrat im westfälischen Landeskirchenamt und zuständig für
den islamisch-christlichen Dialog, ist unterdessen bemüht, die Diskussion zu
versachlichen. Es sei keine Diskriminierung der Muslime, wenn man bevorzuge,
dass eine Kirche "im eigenen Traditionszusammenhang" weiter genutzt werde. Der
Vorwurf sei unlauter, weil Kirchen muslimische Gemeinden vielfach unterstützten,
etwa mit der Aufnahme von Muslimen in ihre Altersheime und Kindergärten oder bei
der Bereitstellung von Grabfeldern auf christlichen Friedhöfen. "Der Sinn
unserer Empfehlung war allein, den Gemeinden eine Hilfestellung zu geben. Viele
sind froh, dass es jetzt eine Linie gibt." Auch katholische Gemeinden hätten
sich schon nach seiner Argumentationslinie erkundigt. Bei allen Gemeinsamkeiten
dürfe man die Unterschiede zum Islam nicht vernachlässigen, so Duncker.
Nach einer Studie der Uni Dortmund sind 12.000 der bundesweit rund 36.000
Kirchen von der Schließung bedroht. Diese Zahl hält Matthias Ludwig vom Institut
für Kirchenbau der EKD allerdings für zu hoch, auch wenn sich die Situation
aufgrund der demografischen Entwicklung "dramatisch verschärft" habe.
taz.de
taz vom 16.7.2003, Seite 7, 142 TAZ-Bericht YASSIN MUSHARBASH
taz muss sein: Was ist Ihnen die Internetausgabe der taz wert? Sie helfen uns,
wenn Sie diesen Betrag überweisen auf: taz-Verlag Berlin, Postbank Berlin (BLZ
100 100 10), Konto-Nr. 39316-106
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
DG /
hagalil.com
/ 2003-07-16
|