rechte Seiten im Internet:
Virtuelles Netz
Bei einer Reihe rechtsextremer Webseiten herrscht
Fluktuation vor. Die einschlägigen Provider haben teilweise mit großen Problemen
zu kämpfen...
Rudolf Kleinschmidt
Im Laufe der letzten Monate sind mehrere für die Neonazi-Szene im WWW wichtige
Webadressen „verschwunden“ beziehungsweise wegen technischer Probleme wie
Datenbankfehler nur eingeschränkt nutzbar. Dazu gehören auch mehrere große
neonazistische Toplisten, darunter auch die berüchtigte „Top 100 Nationalist &
Revisionist Sites“, die mittlerweile auf den Namen Sigrun Christianson und eine
Adresse in San Diego registriert als Domain online ist und die von Neonazis
weltweit genutzt wird, um ihre Webseiten bekannt zu machen.
Größer scheinen die Probleme des unter dem Pseudonym „WPMP3“ seit Jahren im
Internet aktiven Betreibers des „Nationalen Forums“, dem bislang größten
neonazistischen deutschsprachigen Webforum, das in der Vergangenheit trotz
wiederholter technischer Probleme und Ausfälle eine vierstellige Nutzerzahl
hatte. Nach längerem Ausfall wechselte WPMP3 zu Beginn des Jahres mit seinem
Forum zum Anbieter „Aryan88“, der eine eigene Webseite betreibt und zugleich
Webspace für ideologisch Gleichgesinnte bot – einige Wochen später verschwand
das „Nationale Forum“ gänzlich aus dem WWW, ebenso wie andere bei „Aryan88“
gehostete Websites, darunter der Webauftritt der niederländischen
Rechtsrock-Band „Brigade M“, die mit dem Lied „Eigen volk eerst“ bekannt
geworden ist.
Auch um Gary Rex Laucks NSDAP/AO ist es zurzeit im WWW vergleichsweise ruhig
geworden. Ohne großen Zuspruch scheint mittlerweile sein Angebot für „deutsche
Netzseiten in den sicheren USA“ zu sein, bei dem er zu einem stolzen Preis auf
seine Firma RJG Engeneering Webspace und Domainnamen für Neonazis anmietet. Sein
„Kampf um die Domainnamen“, die in den vergangenen Jahren pressewirksam mit der
Bezirksregierung Düsseldorf geführt wurden, ruht offenbar mangels Publicity
weitgehend. Von den zahlreichen bekannten neonazistischen Websites, die so im
Laufe der letzten Jahre über Laucks „RJG Engeneering“ angemeldet und ins Netz
gestellt wurden, sind zwar Seiten wie das „Bündnis Rechts“, das „NIT Rheinland“
oder „Widerstand West“ nach wie vor online. Hoch ist aber auch die Zahl der
nicht mehr vorhandenen, eingestellten oder disfunktionalen Domains. Dazu gehören
die Nachrichten der HNG, Doppelblitz.net oder die über Lauck gehosteten Domains
der Seite „Neogermania“, deren Forum als wichtigstes Naziforum nach dem
„Nationalen Forum“ galt und die mittlerweile komplett aus dem WWW verschwunden
ist.
Mit Problemen kämpft auch der rechtsextreme Provider „Odinsrage“, bei dem
zahlreiche Neonaziseiten kostenlos eingestellt sind. Neben im Odinsrage-Forum
belegten, teilweise erfolgreichen Hackerangriffen deuten zum Teil lange
Zugriffszeiten, bis hin zur Unerreichbarkeit des Servers, und seit Wochen ins
Leere führende Links der Webseite sowie der ebenso lange Komplettausfall der
internen Topliste auf massive technische Schwierigkeiten hin. Die beim
Ausscheiden des langjährigen Betreibers Larry „Yoder“ Bertolino bei Odinsrage
(BnR 13/03) verkündete Weiterführung durch „eine erfahrene und professionelle
Person“ war offenbar mehr Wunsch als Realität.
Möglicher Nutznießer einiger dieser Probleme könnte Richard Anderson werden, der
bislang als kostenpflichtiger Nazihoster agierte. Schon Ende Oktober vergangenen
Jahres kündigte der unter dem Namen „White Alliance“ bis dahin kommerziell
arbeitende Provider gemeinsam mit Odinsrage eine Kooperation an, die unter dem
Namen „whiterage“ ein umfassendes Hostingangebot für Neonazis bieten sollte,
wobei die Palette beider Anbieter kombiniert würde – ein Projekt, das schon vor
seinem Start an internen Streitigkeiten zerbrach und bei dem Seiten bei
Odinsrage sabotiert wurden. Nach mehreren Anläufen versuchte Anderson, der über
zahlreiche Domainnamen verfügt, nun am ersten Wochenende im Juli ein erneutes
Relaunch von „Whiterage“, vollmundig angekündigt als „erste weiße Alternative zu
Yahoo“, die kostenlosen Speicherplatz, Foren, Chatrooms, MP3 undsoweiter bieten
soll. Falls Anderson die Realisierung seines Angebotes tatsächlich gelingen
sollte, hat er gute Chancen, auch im Bereich der Free-hoster einer der führenden
Naziprovider zu werden. Seine bisherigen Erfahrungen als kommerzieller Hoster
von Seiten wie „NS 88 Video“, der amerikanischen „Blood&Honour“-Division oder
„Combat 18“ und die derzeitige Schwäche bei anderen Freehostern dürften in der
Szene ihre Wirkung nicht verfehlen.
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blick nach recht Nr.14/2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-07-12
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