Hamburg:
Uniformierte ohne Scham
1300 Polizisten setzen mit Wasserwerfern und Schlagstöcken
NPD-Trauerzug zum Jahrestag des Hamburger Feuersturms durch. Totzdem gleicht der
Marsch streckenweise einem Spießrutenlauf. Antifaschisten protestieren mit Eiern
und Tomaten...
Peter Müller und Andreas Speit
Wieder rechter Aufmarsch in Hamburg. Polizisten drängeln und schubsen mit ihren
Schilden Gegendemonstranten, plötzlich schlagen Beamte mit Knüppeln teilweise
aus der dritten Reihe auf Köpfe ein, Menschen werden auf Pkws geschleudert -
dann der Versuch, die Protestierenden einzukesseln. Als das misslingt, wird die
"Ansammlung" für aufgelöst erklärt, Wasserwerfer fahren auf. Ohne jede
Notwendigkeit löste die Polizei am Samstag am Berliner Tor eine symbolische
Blockade von Antifaschisten auf, um 130 Neonazis einen ungestörten Aufmarsch zu
ermöglichen: Die als Trauerzug zum Hamburger Feuersturm deklarierte
antiamerikanische NPD-Aktion "1943 Hamburg - 2003 Bagdad" sollte ohnehin in die
entgegengesetzte Richtung gehen. "Schämen Sie sich", fauchte eine ältere
Passantin angesichts solcher Szenen einen Polizisten an, riss ihm das Visier
hoch und verpasste ihm eine Backpfeife. Das ärgerte die Beamten dermaßen, dass
sie minutenlang darüber diskutierten, "wie wir die Omi greifen können, ohne dass
die Presse unschöne Bilder veröffentlicht". Bei einer passenden Gelegenheit
wurde dann die über 70-Jährige kaum bemerkt abgeführt. Die anderen Aktionen der
1300 PolizistInnen - die Hamburger hatten sogar, so einer der Beamten ironisch,
ihren "Volkssturm", die so genannten "Alarmhundertschaften" aus Revierbeamten,
mobilisiert - verliefen nicht so reibungslos. Immer wieder setzte die Polizei
Wasserwerfer und Knüppel ein, um den Rechten den Weg über Mundsburg nach Barmbek
- eine Schneise, die der Feuersturm 1943 schlug - frei zu machen. Mit nur
mäßigem Erfolg. Teilweise glich der Marsch einem Spießrutenlauf, und selbst ihre
Zwischenkundgebung am Feuersturm-Mahnmal an der Mundsburg konnten die Rechten
nur unter gelegentlichem Tomaten- und Eier-Beschuss und lautstarken "Nazis
raus"-Protesten abhalten. Zehn Gegendemonstranten wurden festgenommen. Die
Proteste brachten offensichtlich die Redner aus dem Konzept, wenn man das Niveau
ansieht: So wetterte Hamburgs NPD-Chef Ulrich Harder über den "Massenmord" der
USA und der Engländer: "Wer immer sagt, die Deutschen hätten den Krieg
angefangen, weiß nichts von Kriegsverbrechen." Der militante Neonazi Thomas
"Steiner" Wulff weiß sogar, dass "Deutschland der 2. Weltkrieg aufgezwungen"
wurde, und NPD-Bundeschef Udo Voigt ergänzte: "Wenn die Linken jetzt ,Nie wieder
Deutschland' gröhlen, dann sorgen sie dafür, dass die Amerikaner den 2.
Weltkrieg endgültig gewinnen." Zeitgleich demonstrierten auf einer Parallelroute
zum Nazi-Marsch rund 500 Antifaschisten vom Hauptbahnhof zur Saarlandstraße -
abgeschirmt von der Polizei. Selbst die als Hauptrednerin vorgesehene Zeitzeugin
Steffi Witterberg ließ die Polizei nicht durch.
taz
taz Hamburg vom 21.07.2003
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/ 2003-07-26
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