Hamburg:
Neonazis im Norden im Aufwind
Nach dem gescheiterten Verbot der NPD verstärken
norddeutsche Neonazis ihre Aufmärsche. Zentrale Kundgebung am 19. Juli in
Hamburg geplant. Trotz interner Meinungsverschiedenheiten marschieren erstmals
auch die Freien Nationalisten mit aus Hamburg...
Andreas Speit
Die taktische Zurückhaltung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)
ist vorbei. "Es gibt keinen Grund mehr, sich in nationalkonservativen
Konkurrenzparteien oder Mitorganisationen zu verstecken", erklärte der
NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt nach dem gescheiterten Verbotsverfahren vor dem
Bundesverfassungsgericht im Mai und kündigte an: "Künftig wird die NPD wieder
verstärkter in politische Erscheinung treten."
Voigts Drohung folgten bereits mehrere Aufmärsche, Infostände und
Veranstaltungen in Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Nun will die
älteste neofaschistische Partei Deutschlands am 19. Juli auch in Hamburg
marschieren.
Seit Wochen mobilisiert der hanseatische Landesverband bundesweit zu der
"Trauerdemonstration: Unternehmen Gomorrha - Feuersturm über Hamburg". Den 60.
Jahrestag der alliierten Luftangriffe unter dem Codenamen "Gomorrha" will die
NPD für ihre geschichtsrevisionistische Propaganda nutzen: "In den Sommernächten
Ende Juli / Anfang August 1943 brach der kalt geplante britische Feuerorkan über
Hamburg herein." Der NPD-Blick auf die Gegenwart liest sich so: "Und es geht
weiter, in Afghanistan, im Irak ..."
Unterstützung erfährt der etwa 80 Mitglieder starke Landesverband um Ulrich
Harder vom "Aktionsbüro Norddeutschland" um Thomas Wulff. Das Netzwerk der
neofaschistischen "Freien Nationalisten" ergänzt im Aufruf: "Nur wenige Jahre
danach wurden die alliierten Mörder von BRD-Politikern schon als ,Befreier'
umjubelt."
Ab 12 Uhr wollen die Neonazis vom S-Bahnhof Berliner Tor zur Moorweide im
Uni-Viertel marschieren. Mehrere Hundert dürften wie bei den jüngsten
Aufmärschen aus dem gesamten norddeutschen Raum anreisen. Christian Worch wird
sich nicht einreihen. Am selben Tag verantwortet der Hamburger Nazi-Führer einen
Aufmarsch in Leipzig. Erst für den 28. Juli hat er eine "Mahnwache" gegen den
"Bombenterror der Alliierten" ebenfalls in Hamburg angemeldet.
Seit Monaten streiten sich die beiden Chef-Nazis Worch und Wulff über die rechte
Strategie: Wulff möchte die lokale Basis durch eine Demo- und Aktionskultur
weiter ausbauen und zugleich die Bündnispolitik mit der NPD festigen. Worch
hingegen will durch mehr Demonstrationen vor allem die mediale Resonanz erhöhen
und lehnt die enge Zusammenarbeit mit der NPD ab. Schließlich sei unklar, ob sie
"nicht unter Einfluss von VS-Agenten" stehe.
Die "bisherige Planung zeigt einmal mehr die Konzeptionslosigkeit und die
Führungsstreitigkeiten innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums
Norddeutschlands auf", betont der Hamburger Verfassungsschutz (VS). Er räumt
jedoch ein, dass "dennoch an die 300 bis 400 Teilnehmer" kommen könnten. Bisher
hat der Streit auch noch keinen Aufmarsch gefährdet. So rufen die Freien
Nationalisten auf der Website "widerstandnord" zu beiden Aktionen gegen den
"Bombenholocaust" auf.
Der VS warnt aber nicht nur vor den angemeldeten Nazi-Demonstrationen, sondern
auch vor den angekündigten Gegenaktionen. "Die linke Szene wird in dieser Sache
Flagge zeigen, weil ihnen nach Bambule und dem Bundeswehr-Gelöbnis die Themen
ausgehen", glaubt VS-Chef Heino Vahldieck: "Mit dem Antifaschismus will sie an
den Aktionsschub des vergangenen halben Jahres anknüpfen."
www.taz.de
taz Hamburg vom 08.07.2003
taz muss sein: Was ist Ihnen die Internetausgabe der taz wert? Sie helfen uns,
wenn Sie diesen Betrag überweisen auf: taz-Verlag Berlin, Postbank Berlin (BLZ
100 100 10), Konto-Nr. 39316-106
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
kt /
hagalil.com
/ 2003-07-12
|