Rheinland-Pfalz:
Dem Zeugen Davidsterne in das Auto gekratzt
Prozessauftakt im Busenberger Judenfriedhof-Verfahren...
ans
Busenberg. Vor der Großen Jugendkammer begann gestern zum dritten Mal die
Berufungsverhandlung gegen einen 27-jährigen Mann, der mittlerweile im Landkreis
Südwestpfalz wohnt, und einen 36-jährigen Arbeiter aus Grenzach. Die
Anklagevorwürfe: Volksverhetzung, Verwendung verfassungswidriger Symbole,
Störung der Totenruhe und Sachbeschädigung. Dem 27-Jährigen wird unter anderem
die Beteiligung an der Schändung des Busenberger Judenfriedhofes am 26. November
1994 (Sachschaden umgerechnet rund 13 000 Euro) vorgeworfen; der 36-Jährige muss
sich wegen eingekratzter Hakenkreuze in einen Privatwagen eines Polizeibeamten
verantworten.
Beide Angeklagte waren mit zwei weiteren Männern später vor dem
Jugendschöffengericht in Pirmasens zunächst verurteilt worden. Der 27-Jährige
soll mit zwei weiteren Tätern, deren Urteile mittlerweile rechtskräftig sind,
zunächst in der Vorderpfalz "Jude verrecke" mit rotem Lackstift auf ein Kreuz
geschmiert haben. Jene drei Täter sollen dann auch den Busenberger Judenfriedhof
verwüstet und viele Grabmäler mit Nazisymbolen besprüht haben. 58 Grabsteine
wurden halb oder ganz umgekippt: "Juda verrecke", "Tötet alle Juden" und "Jude
stirb" schrieben die Täter mit schwarzer Lackfarbe auf die Grabmale. Auf das
Konto der Männer, die alle der "Aktion Sauberes Deutschland" (ASD) angehört
haben sollen, gehen laut Anklage auch die Schmierereien ("Tötet diese Pest") am
ehemaligen Hotel Matheis in Pirmasens, dass damals als Aussiedlerheim diente.
Beide Angeklagten machten gestern nur Angaben zur Person, aber nicht zur Sache.
Belastet wurde gestern Mittag von einem bereits verurteilten 29-jährigen Mann
vor allem der 27-Jährige. Dieser sei bei der Friedhofsschändung dabei gewesen;
man sei mit seinem Wagen dorthin gefahren. Bei der Sache in Pirmasens hätten er
und ein weiterer bekannter Schmiere gestanden. "Viele Dinge geschahen aus dem
Bauch heraus", so der Zeuge, der sich heute von der damaligen rechten Szene
("ein dunkles Kapitel") deutlich distanziert gibt.
Die beiden Angeklagten seien Ortgruppenführer der ASD gewesen; der 27-Jährige in
Pirmasens, der 33-Jährige bei Lörrach. Noch einmal betonte der Zeuge, dass er
nicht aus Rache, weil ihm der ehemals "gute Kamerad" später die Frau ausgespannt
habe, belastende Angaben mache. "Ich will meine Ruhe und ihm nichts in die
Schuhe schieben", so der 29-Jährige, der seine Adresse vor Gericht nicht nennen
durfte, da er angab, dass nach der letzten Verhandlung in sein Auto Davidsterne
geritzt worden seien.
Am Morgen fehlte wie im letzten Verfahren trotz Ladung wiederum der andere
bereits verurteilte Täter. Richter Norbert Michel gab bekannt, dass er eine
Ladung nicht möglich sei, da dieser unbekannt verzogen sei. Wie schon im letzten
Verfahren gab der 27-jährige Angeklagte bekannt, dass er in telefonischen
Kontakt zu dem Zeugen stünde. Dieser würde derzeit in Kalifornien (USA) leben
und habe dort politisches Asyl beantragt. Der Zeuge wolle zwar aussagen, aber
wegen einer zu erwartenden Inhaftierung in Deutschland nicht anreisen. Er sei
allerdings zu einer Vernehmung am Ort oder einer Videokonferenz bereit. Der
Angeklagte übergab Telefonnummern und eine Adresse an die Kammer. Während die
Verteidigung eine Vernehmung durch Prozessteilnehmer für möglich hielt, machte
Oberstaatsanwalt Norbert Dexheimer klar, dass "weder das eine noch das andere
machbar" sei. Die Kammer stellte eine Entscheidung zurück und wird wohl die
Informationen gegebenenfalls überprüfen.
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Pirmasenser Zeitung vom 27.06.2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-07-02
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