Extreme Rechte und Friedensbewegung:
Avancen und Aversionen
Extreme Rechte gegen den Irak-Krieg Den Appellen folgten
Aktionen. In vielen Städten marschierte die Extreme Rechte gegen den Irak-Krieg.
Aber nicht überall wo die "Freien Kameradschaften" und die NPD "Für den Frieden
- gegen Amerika" auftraten, konnten sie sich bei der Friedensbewegung einreihen...
Christian Grünert und Andreas Speit
Jede "Teilnahme an den Friedensdemos", wussten einige Neonazistrategen, sei
"jedes mal besser als 5 eigene" Aktionen. Vor allem in Sachsen-Anhalt,
Brandenburg und Mecklenburg- Vorpommern versuchten Neonazis, mit Parolen wie
"Kein Blut für Israöl" und "Deutsche wacht auf - gegen Kriegstreiber und
Machtmissbrauch" Antikriegsproteste zu vereinnahmen. Die Friedensdemonstranten,
erklärte Manfred Stenner, Geschäftsführer des "Netzwerk Friedenskooperative",
gegenüber den Medien, haben sich im Osten mit "massiven
Unterwanderungsversuchen" durch Neonazis auseinanderzusetzen. Die Abwehr gelang
nicht immer.
Im brandenburgischen Fürstenwalde konnte gar der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt
auf der Friedenskundgebung am 4. April diesen Jahres sprechen. Aus Sorge vor
einer "Eskalation" räumte Günter Lahayn, SPD-Stadtverordnetenvorsitzender, Voigt
ein Rederecht ein. Vor rund 100 Friedensdemonstranten und etwa 30 Neonazis
hetzte dieser dann gegen den "US-Imperialismus". "Ich hatte große Sorge, dass es
sonst zu Auseinandersetzungen gekommen wäre", rechtfertigte sich der 70-jährige
Kommunalpolitiker, räumt jedoch ein: "Es war eine unglückliche Entscheidung".
In Anklam konnten sich die FriedensdemonstrantInnen am 1. März auch nicht gegen
eine "inszenierte Provokation" verwehren. Völlig konspirativ hatte die
"Pommersche Aktionsfront" zu der Antikriegsdemonstration in der
mecklenburgischen Kleinstadt mobilisiert. Über 200 FriedensdemonstrantInnen
protestierten zusammen mit 100 Neonazis gegen den Krieg.
Bereits seit Februar konzentrierte sich die rechte Szene in Sachsen-Anhalt auf
Aktionen der lokalen Friedensbewegung. Rechtsextreme Gruppen nahmen an
Mahnwachen und Demonstrationen der Friedensbewegung in Halle, Dessau und
Magdeburg teil. Alle zwei Wochen beteiligten sich rund 80 "Kameraden" unter dem
Motto "Frei, Sozial, National - Gegen Krieg und Kapital" in Halle an den
Friedensdemonstrationen. Initiiert wurden die Aktionen von einer Gruppe Neonazis
um dem Hallenser Sven Liebich, selbst umtriebiger Aktivist im Netzwerk der
"Freien Nationalisten" in Sachsen-Anhalt. Liebich ist auch Spiritus Rector der
Internetpage "Nationaler Beobachter", die jede Aktion der regionalen
rechtsextremen Szene als Erfolg zu verkaufen sucht.
An der Friedensdemonstration waren auch jene jungen Magdeburger Rechtsextremen
beteiligt, welche Mitte März diesen Jahres am Gelände der jüdischen Gemeinde der
Landeshauptstadt eine antisemitische "Mahnwache gegen den Terror Israels"
abhielten. Einen Verbotsversuch unternahm die örtliche Versammlungsbehörde gar
nicht erst. So wurde die Auseinandersetzung mit der "Kameradschaft Magdeburg"
vor den Toren der jüdischen Gemeinde eben dieser und einigen wenigen Schülern
überlassen. Die Lokalpresse der Landeshauptstadt verschwieg den Skandal,
öffentliche Stellungnahmen von Politikern blieben aus.
Bis Mitte März ließen lokale Friedensbündnisse mehrere Veranstaltungen ohne
einen ernsthaften Versuch des Ausschlusses von Neonazis von ihren
Demonstrationen verstreichen. Zuvor hatte auch die Mehrzahl der Teilnehmer mit
Ignoranz auf den massiven Auftritt der lokalen militanten rechten Szene
reagiert. Symbolische Aktivitäten von Schülern gegen die Anwesenheit der
Neonazis waren unerwünscht.
In dieser Atmosphäre gerierten sich die Neonazis als bürgernahe Friedensfreunde.
Man wollte nur friedlich demonstrieren, so die Verlautbarung der Rechtsextremen.
Die Praxis sah anders aus. Schüler und Ordner wurden massiv bedroht, gefilmt und
schließlich geschlagen. Erst nach wochenlangen Interventionen von Antifaschisten
betonte das Hallenser Aktionsbündnis, künftig keine Demonstration mit
Beteiligung von Neonazis mehr durchführen zu wollen. Eine Mischung aus
"Ignoranz" und "Hilflosigkeit", meinte Matthias Gärtner, Landtagsabgeordneter
der PDS in Sachsen-Anhalt, würde zu solchen Situationen führen. Die
Argumentation "gegen den Krieg brauchen wir jeden" in der PDS, so Gärtner,
verschärfe diese Entwicklung und verharmlose die Neonazis, als "die Jungs von
nebenan".
Auch im Westen bemühten sich die "Freien Kameradschaften" und die NPD, Akzeptanz
in der Friedensbewegung zu finden. Mit kopierten Aktionsformen und gecoverten
Parolen versuchten sie sich auch in Hamburg, Hessen und Baden-Württemberg für
die Friedensbewegung interessant zu machen. "In den alten Bundesländern", meint
Stenner, blieb es allerdings "oft bei der Ankündigung der NPD zur Teilnahme an
Friedensaktionen, um Medienaufmerksamkeit zu gewinnen". Stattdessen
organisierten die Neonazis überwiegend eigene Aktionen, gerne vor
US-amerikanischen Einrichtungen. Noch vor dem "Tag X" folgten 200 Neonazis dem
Aufruf des "Aktionsbüro Norddeutschlands" um Thomas Wulff und Tobias Thiessen
nach Hamburg. Für den Frieden wollten sie marschieren, doch sie hetzten für den
Krieg. Deutsche Soldaten zur Verteidigung nach Bagdad wünschte sich Peter
Borchert, und Thorsten de Vries forderte: "Vielmehr müsste Israel bombardiert
werden, denn der Judenstaat hat gegen mehrere UNResolutionen verstoßen". Über
500 Menschen demonstrierten gegen den rechten "Friedensmarsch". "Unter dem
Deckmantel globalisierungskritische Worte", so der Hamburger
"attac"-Koordinierunsgkreis, würden "antisemitische und nationalistische
Inhalte" verbreitet. "Mit einer Friedenspolitik hat diese Hetze nichts gemein".
Nach dem Kriegsbeginn versuchten die hanseatischen Neonazis durch weitere
Aktionen Sympathien zu gewinne. Unter dem Motto "US-Globalisierungsterror
stoppen" führte das "Aktionsbüro" am 20. März diesen Jahres eine Kundgebung in
Hamburg-Wandsbek durch. Da "nur" 80 Kameraden der internen Mobilisierung
folgten, erlaubte die Polizei ihnen keinen Aufmarsch. Als die Neonazis dann in
der Innenstadt auftreten wollten, gingen die Beamten mit Schlagstöcken gegen sie
vor. "Kein deutsches Blut für fremde Interessen" skandierten die norddeutschen
"Kameraden" wiederholt am 26. April. Erneut waren an die 80 Neonazis einem
Aufruf des "Aktionsbüros" gefolgt, um vor der Bundeswehr-Führungsakademie gegen
den "US-Angriffskrieg mit deutschem Blut und Geld" zu protestieren.
Allein marschierten die Neonazis auch in Hanau. Über "600 Personen" hatten die
"Jungen Nationaldemokraten" angekündigt. Am 29. März folgten aber "nur" 200
"Kameraden" dem Aufruf in die hessische Stadt, um vor der US-amerikanischen
Pionierkaserne die "US-Tyrannei" anzuprangern. TShirts mit der Aufschrift "Mein
Freund ist Ausländer", layoutet mit zwei Bildern von Saddam Hussein und Osama
bin Laden, trugen einige der Neonazis, andere weiße Kreuze. Vor der Kaserne
wetterte Holger Apfel für die NPD und Wulff für die "Freien Nationalisten" über
die "amerikanischen Besatzer". Gegen den Aufmarsch hatte ein breites Bündnis
protestiert.
Ebenso nicht willkommen waren die Neonazis wenige Tage später in Bad Nauheim. In
der hessischen Kleinstadt erklärten die Organisatoren der Friedensdemonstration
vom 5. April die "wenigen NPDler" gleich zu "unerwünschten Personen".
Die Neonazis marschierten auch vor dem deutschen Hauptquartier der
US-Streitkräfte in Heidelberg auf. Etwa 130 Neonazis hörten am 19. April Horst
Mahlers und Christian Worchs Hetze gegen die "Handlager der derzeitigen
Machthaber" zu.
Auf der Website führen die Neonazis der "Aktionsbüros" jede Aktion auf. Seien es
kleine Aufmärsche, kurze Mahnwachen, schnelles Fahnenschwenken in Gotha,
Eberwalde, Grafenwöhr, Essen oder Hannover. Mit der virtuellen Propaganda möchte
die Extreme Rechte sich als Teil der Friedensbewegung präsentieren.
Nur ein "offensiver Umgang" mit den Neonazis, betont Stenner, ermöglicht die
"politische Ausgrenzung". Diese Auseinandersetzung bedingt aber zugleich, über
antisemitische und antiamerikanische Segmente in der Friedensbewegung zu
streiten. "Antisemitische Untertöne und ein Antiamerikanismus, der sich gegen
die Bevölkerung der USA richtet", hebt Stenner hervor, dürften "keinen Platz
haben". Wo die Grenzen liegen sollten, offenbaren die Neonazis selbst, wenn sie
nicht nur "linke" Parolen kopieren. Wegen einer möglichen US-Intervention im
Syrien propagiert das "Aktionsbüro Norddeutschland" schon: "Bleibt
Protestbereit" - für den "Abzug aller angloamerikanischen Besatzungstruppen",
"Abschaffung der amerikanischen ‚Nachkriegsordnung' und "Beseitigung des
amerikanischen Kulturimperialismus".
www.der-rechte-rand.de
Der Rechte Rand (Nr.82 - Mai/Juni 2003)
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kt /
hagalil.com
/ 2003-06-05
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