Treffen der Gebirgsjäger:
Hakenkreuz und Jagertee
Am Wochenende treffen sich die Gebirgsjäger zum Gedenken an
ihre gefallenen Kameraden in Mittenwald. Auch diesmal wollen Antifaschisten die
Traditionspflege stören...
Thies Marsen
Sie sind seit jeher an vorderster Front dabei, wenn deutsche Interessen im
Ausland verteidigt werden. Sie kämpften in Somalia, in Kroatien,
Bosnien-Herzegowina und Mazedonien. Derzeit verteidigen 250 von ihnen die
Freiheit der Bundesrepublik Deutschland in Kabul.
Die Rede ist von den Gebirgsjägern. Ihr Zeichen ist das Edelweiß. Das trugen sie
schon, als sie dem Kaiser einen Platz an der Sonne verschaffen wollten. Es
zierte auch schon ihre Uniformen, als sie noch als Krisenreaktionskräfte des
Führers zwischen Finnland und Griechenland von Auslandseinsatz zu
Auslandseinsatz eilten. »Die alte Gebirgsjägertruppe war ein Stück Heimat, eine
volksverbundene Truppe«, schwärmte ihr früherer General Rudolf Konrad. »Es war
der Wille dieser Truppe, ihre Pflicht in einer Weise zu tun, die sie würdig an
die Seite der besten Soldaten stellt, von denen die Geschichte zu berichten
weiß.«
Zu den Orten, an denen die Gebirgsjäger von 1939 bis 1945 ihre Pflicht taten,
gehören Camerino, Fabriano, Rovaniemi, Skines, Lyngiades, Kommeno und
Kephallonia. Sie liegen in Italien, Finnland und Griechenland, andere im
ehemaligen Jugoslawien, in Polen, Albanien oder Russland. Mehr als 50 solcher
Tatorte sind belegt. Die Art und Weise, in der die Gebirgsjäger dort ihre
Pflicht erfüllten, stellt sie indes nicht an die Seite der besten, sondern an
die Seite der grausamsten und verbrecherischsten Soldaten der Geschichte.
Allein in Griechenland ermordeten die Gebirgsjäger über 1 000 Menschen. Eines
der schlimmsten Verbrechen war der Massenmord an 317 Frauen, Männern und Kindern
im nordgriechischen Kommeno. Am 16. August 1943 marschierte eine Kompanie des
Gebirgsjägerregiments 98 im Rahmen der »Bandenbekämpfung« in Kommeno ein,
erschoss ohne Vorwarnung den Priester, metzelte eine Hochzeitsgesellschaft
nieder und warf wahllos Handgranaten in die Häuser. Die Soldaten schändeten die
Leichen der Frauen und brannten das Dorf nieder. Der Kompaniechef war Reinhold
Klebe, nach dem Krieg wurde er Stabsoffizier der Bundeswehr.
Die Bundesrepublik stand immer treu zu den Nazi-Kriegsverbrechern. Die Kasernen,
in denen die Gebirgsjäger der Bundeswehr nach 1945 für einen Krieg gegen die
Kommunisten trainierten, hießen Kübler- oder Dietl-Kaserne, benannt nach zwei
Generälen der Gebirgsjäger des Zweiten Weltkriegs. Erst 1995 wurden sie in
Karwendel- bzw. Allgäu-Kaserne umbenannt. Eduard Dietl war als Nationalsozialist
der ersten Stunde der »eigentliche Geburtshelfer des Dritten Reiches«, wie Adolf
Hitler einmal sagte. Generalmajor Ludwig Kübler machte sich einen Namen als
Partisanenjäger und »Bluthund von Lemberg«. Er wurde später in Jugoslawien zum
Tode verurteilt.
Hierzulande musste keiner der Täter fürchten, für seine Verbrechen zur
Rechenschaft gezogen zu werden. Als die Westmächte 1951 das Ende des
Besatzungsstatuts verkündeten, konnten sich die Edelweiß-Veteranen auch wieder
öffentlich ihrer Taten rühmen. Bereits 1952 lud der »Kameradenkreis der
Gebirgstruppe« erstmals zum Pfingsttreffen. Seitdem versammeln sich die
einstigen Gebirgsjäger alljährlich zum Gedenken an die gefallenen Kameraden,
anfangs in München vor der Feldherrnhalle, später am Ehrenmal auf dem Hohen
Brendten bei Mittenwald in Oberbayern.
In den fünfziger und sechziger Jahren kamen bis 20 000 ehemalige Soldaten zu der
Feier, heute reisen immer noch rund 5 000 aus Deutschland, Österreich und
Italien nach Mittenwald zum Totengedenken. Dabei stellen sie stolz ihre Orden
zur Schau, von denen manche auch mit einem Hakenkreuz versehen sind.
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) ist ebenso Mitglied des
Kameradenkreises der Gebirgsjäger wie zahlreiche aktive Bundeswehrsoldaten.
Politiker der Union sind gern gesehene Gäste auf Veranstaltungen. Die Bundeswehr
selbst sorgte bisher alljährlich mit ihrem Musikkorps für die musikalische
Gestaltung. Und vor drei Jahren durften sich die Veteranen über einen
hochrangigen Festredner freuen: General Klaus Reinhardt. Der Gebirgsjäger, der
es bis zum Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte Europa-Mitte brachte, lobte in
seiner Ansprache die »überdurchschnittlichen Leistungen« der Gebirgsjäger im
Auslandseinsatz.
Doch mit der weihevollen Stimmung war es im vergangenen Jahr vorbei. Beim
gemütlichen Beisammensein der alten Kameraden im Mittenwalder Postkeller am
Vorabend der Feier tauchten 56 Antifaschisten auf und forderten die Anwesenden
zu einer Schweigeminute für die von Gebirgsjägern ermordeten griechischen
Zivilisten auf. Die Aktion endete im Tumult und mit Tritten und Schlägen für die
Demonstranten. Die Polizei reagierte auf bayerische Art. Um eine Störung der
Feier am nächsten Tag zu verhindern, wurden die Aktivisten unter Hausarrest
gestellt – in einer Mittenwalder Jugendherberge, bewacht von einer Hundestaffel.
In diesem Jahr planen die Antifaschisten nicht nur eine Demonstration und eine
Mahnwache, sondern auch ein Hearing mit dem Titel: »Pfingsten 2003 – Gegen die
Traditionspflege der Gebirgsjäger«. Auf der Veranstaltung wird Argyris
Sfountouris, ein Überlebender des SS-Massakers in Distomo, über die
Entschädigungsforderungen griechischer NS-Opfer referieren. (Siehe Seite 11)
Außerdem sprechen Peter Gingold vom Auschwitz-Komitee, der Wehrmachtsdeserteur
Ludwig Baumann, Kristina Dimou, eine Überlebende aus Kommeno, und Amos
Pampaloni, ein Überlebender des Massakers an italienischen Militärangehörigen
auf der griechischen Insel Kephallonia. Den Veranstaltern vom AK Angreifbare
Traditionspflege geht es dabei sowohl um eine Entschädigung der Überlebenden als
auch darum, noch lebende Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Der AK stellte auch Strafanzeige gegen ehemalige Angehörige der 12. Kompanie des
Gebirgsjägerregiments 98 wegen des Massakers in Kommeno. Die Dortmunder
Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen.
Die Proteste aus dem vorigen Jahr zeigtigten indes Wirkung. Alle
Gegenveranstaltungen sind genehmigt. Der Mittenwalder Bürgermeister, Hermann
Salminger, will sogar ein Grußwort zu den Antifaschisten sprechen. Sein Auftritt
birgt eine gewisse Brisanz in sich. Denn er ist der Sohn des Oberstleutnants
Josef Salminger, dessen Tod damals als Rechtfertigung des Massakers von Kommeno
herhalten musste. Salminger war mit einem PKW gegen ein von Partisanen
errichtetes Hindernis gefahren und dabei ums Leben gekommen.
Sogar die Bundeswehr distanziert sich in diesem Jahr erstmals zaghaft von der
Traditionsfeier. Sie verzichtet auf einen Tag der offenen Tür in der
Gebirgsjäger-Kaserne, das Musikkorps wird nicht spielen und der örtliche
Kommandant kein Grußwort sprechen. Unrühmliche Erinnerungen an frühere
Auslandseinsätze der Gebirgsjäger stören offensichtlich doch, wenn man
Deutschland am Hindukusch verteidigen will.
www.jungle-world.com
Jungle World (Nummer 24 vom 04.06.2003)
kt /
hagalil.com
/ 2003-06-05
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