Internet:
Wie rechtes Gedankengut in die politische Diskussion gelangt
Germanist der Universität Hannover forscht über die Sprache
rechter Gewalt im Internet...
Dr. Stefanie Beier
"Ich wollte für meine Habilitation etwas mit gesellschaftlicher Relevanz
machen", mit diesen Worten erklärt Dr. Michael Tewes, wie er zu dem Thema "Die
Sprache der rechten Gewalt" kam. Studien belegen einen Zusammenhang zwischen
rechtsextremem Sprachegebrauch und rechtsextremer Gewalt, sie haben gezeigt, das
gewalttätige Sprach- und Denkmuster dazu geeignet sind, zu Tätlichkeiten
anzustacheln. Tewes, der in katholischer Theologie promovierte, und sich jetzt
am Seminar für deutsche Literatur und Sprache habilitieren will, versucht,
dieser Szene sprachwissenschaftlich auf die Spur zu kommen - im Internet.
Das wichtigste Medium der Rechtsextremen ist das Internet, denn es hat eine
Reihe von Eigenschaften, die den Strukturen und Zielen der rechtextremistischen
Gruppen sehr entgegenkommen. Es kann beinah überall auf der Welt benutzt werden,
nicht nur zum Bereitstellen, sondern auch zum Abrufen oder Austauschen von
Informationen. Eine Informationsvernetzung, wie sie die verstreuten
rechtsextremen Gruppen benötigen, kann so jederzeit stattfinden. Auch für die
Selbstdarstellung gegenüber den anvisierten Zielgruppen - junge Erwachsene,
Jugendliche und Kinder - findet die Szene über das Internet am effizientesten
Zugang. "Rechtsextreme Argumentationen finden sich am deutlichsten in der Musik
wieder. Dabei ist es egal, ob Techno, Skinhead oder Metall gespielt wird, die
Texte sind das Entscheidende, in ihnen wird die rechte Gesinnung gelebt und
weitergegeben. Musikdateien gibt es beinahe auf jeder rechtsextremen Website zum
Downloaden", erläutert Tewes die Zusammenhänge.
Eine Analyse der Sprach- und Argumentationsmuster etwa in Chaträumen wird ein
Hauptteil der Forschungsarbeit sein. "Rechtsextreme haben nicht mehr so platte
Parolen wie in den Achtzigern, sondern argumentieren zum Beispiel
pro-palästinensisch anstelle von antisemitisch", erklärt Tewes die
wiederkehrenden Muster. So werden politische Konzepte umgedeutet:
Entwicklungshilfe wird in der rechtsextremen Argumentation positiv bewertet,
doch nicht aus humanitären Gründen: Potenzielle Flüchtlinge sollen in ihren
eigenen Ländern bleiben, und nicht nach Deutschland kommen. Rechtsextreme
Argumentationen finden immer wieder ihren Weg in die politische Diskussion der
Gesellschaft. So wurde das Stichwort "Leitkultur", lange bevor es von den
etablierten Parteien diskutiert wurde, in rechtsextremen Kreisen thematisiert.
Wie und durch welche Kanäle diese Argumente in die politische Diskussion
gelangen, will Tewes darstellen. Das Forschungsvorhaben hat die Unterstützung
des Bundeskriminalamtes und des Verfassungsschutzes. Tewes greift nicht nur auf
deren Kriminalstatistiken zurück, sondern kann auch von den Kenntnissen der
Beamten über die rechtsradikale Szene und ihre Strukturen profitieren. Er
rechnet bis Ende 2004 mit Ergebnissen, die er dort vortragen wird - und das soll
erst der Anfang sein: "Ich möchte die Resultate der Arbeit auch für die
politische Bildung nutzbar machen, denn erst wenn verstanden wird, wie rechtes
Gedankengut in die politische Diskussion gelangt, kann man als Gesellschaft
darauf reagieren", erklärt er.
Hinweis an die Redaktion: Für nähere Informationen steht Ihnen Dr. Michael Tewes
vom Seminar für Deutsche Literatur und Sprache der Universität Hannover unter
0163-3346916 gern zur Verfügung.
www.idw-online.de
Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Mitteilung vom 24.06.2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-06-25
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