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Holocaustleugner:
Zurück ins Vaterland!

Die kanadische Regierung möchte den Holocaustleugner Ernst Zündel loswerden und bedient sich dazu restriktiver Asylgesetze...

Ferdinand Muggenthaler

Ernst Zündel hatte keine große Bühne am vergangenen Freitag. Einige betagte Unterstützer, zwei Dutzend schlecht informierte Journalisten und einige Vertreter jüdischer Organisationen hatten sich in dem kleinen Gerichtssaal in Toronto eingefunden. Es war der Beginn der letzten Episode in einer langen Reihe von Auftritten des 64jährigen vor kanadischen Gerichten: die Verhandlung über die Verfügung der kanadischen Regierung, die ihn zum Risiko für die nationale Sicherheit erklärt. Am Ende wird vermutlich die Abschiebung nach Deutschland stehen.

Zündel lebte seit 1958 in Kanada und betrieb dort einen florierenden Versandhandel für Nazipropaganda in alle Welt. Im Jahr 2001 setzte er sich in die USA ab, nachdem ihm die kanadische Staatsbürgerschaft verweigert worden war und ein Verfahren gegen ihn wegen seiner Website lief. Anfang dieses Jahres wurde er von dort wieder nach Kanada abgeschoben. Hier beantragte er Asyl, weil ihm in seinem Heimatland Deutschland Verfolgung drohe. Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft Mannheim einen Haftbefehl wegen Volksverhetzung gegen ihn ausgestellt. Deshalb wird Deutschland auch die Kosten des Transports seines Staatsbürgers übernehmen.

Zündel lieferte nicht nur große Mengen Propagandamaterial an Neonazis in Deutschland und bot Expeditionen zu »Hitlers antarktischen Ufo-Stützpunkten« zum Preis von 9 999 Dollar an. Er hielt auch stets Kontakt zu den Größen der »Revisionisten«-Szene und suchte neue Bündnispartner in aller Welt. 1994 fand er einen in dem russischen Nationalistenführer Wladimir Schirinowskij. Ende der siebziger Jahre versandte er seine Schrift »The West, War, and Islam« an arabische Staatschefs und warnte sie vor der zionistischen Weltverschwörung. Heute steht Zündel in Kontakt zu dem Islamisten Ahmed Rami. Das von Rami betriebene »Radio Islam«, inzwischen nur noch über das Internet zu empfangen, widmet sich dem Kampf gegen den Zionismus und die »Holocaust-Lüge«.

In einer Prozessserie, die 1985 begann, konnte sich Zündel eine weitaus größere Öffentlichkeit verschaffen. Angeklagt der Verbreitung falscher Tatsachen, gelang es ihm, das Gericht zu einem Forum für die Holocaustleugnung umzugestalten. Die Staatsanwaltschaft hatte den Fehler gemacht, den Holocaust zum Diskussionsgegenstand zu erheben. So konnte Zündels Anwalt einige Überlebende des Holocaust ins Kreusverhör nehmen und international bekannte Holocaustleugner wie Robert Faurisson als Zeugen auftreten lassen. In einem der Folgeprozesse durfte Fred Leuchter seine Theorien über die Unmöglichkeit von Gaskammern in Auschwitz zum Besten geben, und David Irving hatte damals sein Coming out als Holocaustleugner.

Damals wurde Zündel zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Verkleidet als KZ-Häftling, trat er im Februar 1990 seine Strafe an. Kurz darauf wurde allerdings das Gesetz gegen die Verbreitung falscher Tatsachen, das der Verurteilung zu Grunde lag, als Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung aufgehoben. Damit war das laufende Ausweisungsverfahren hinfällig und Zündel triumphierte.

Bei den jüdischen Organisationen in Kanada war ein juristisches Vorgehen gegen ihn von vornherein umstritten. Nach dem Prozess fühlten sich diejenigen bestätigt, die fanden, dass jeder Auftritt vor Gericht nur der Verbreitung seiner Propaganda diene. Mit dem jetzigen Verfahren lebte diese Kontroverse wieder auf. Die kanadische Partnerorganisation des Simon-Wiesenthal-Zentrums wollte weitere öffentlichkeitswirksame Auftritte Zündels vermeiden und forderte die deutschen Behörden auf, die Anklagen gegen ihn fallen zu lassen. Dann habe er keinen Grund mehr, Asyl zu beantragen und könne schneller abgeschoben werden. Der Pressesprecher von B’nai Brith, Joseph Ben-Ami, widersprach: »Wir sollten die letzten sein, die dazu auffordern, bei solchen Straftaten ein Auge zuzudrücken.«

Aber die kanadische Regierung war ohnehin entschlossen, Zündel schnell wieder loszuwerden, und brauchte dazu nicht die Nachsicht deutscher Strafverfolger. Da die Leugnung des Holocaust in Kanada kein Straftatbestand ist, musste sie dazu juristische Umwege gehen. Sie ließ den international agierenden Propagandisten zum Risiko für die nationale Sicherheit Kanadas erklären – nicht gerade das am nächsten liegende Argument gegen Zündel. Entsprechend weitschweifig ist das Gutachten des kanadischen Geheimdienstes CSIS, das die Einschätzung vor Gericht belegen soll. Die veröffentlichte Fassung liest sich über weite Teile wie eine internationale Antifarecherche: Namen, Namen, Namen. Die Hälfte des Dokuments ist Personen gewidmet, die mit rechtsextremer Gewalt in Verbindung gebracht werden können. Lapidar heißt es, mit allen stehe Zündel entweder in Verbindung, beeinflusse oder unterstütze sie. In den meisten Fällen werden die behaupteten Verbindungen nicht belegt.

Weil Zündel kein direkter Kontakt zu gewalttätigen Gruppen nachgewiesen werden kann, argumentiert die Staatsanwaltschaft, er sei ein wichtiger Agitator und bezeichne sich selbst als »Guru der neuen Rechten«. Sein Einfluss animiere andere zur Gewalt. So betont das CSIS z.B. Zündels Unterstützung für William Pierce. Dessen Buch »The Turner Diaries« gilt als Vorlage für den Anschlag von Timothy McVeigh auf ein Regierungsgebäude in Oklahoma City.

«Ich bin bekannt als der Gandhi der Rechten», hält Zündel, wie üblich in schusssicherer Weste, dagegen. Es wird ihm nichts nützen. Ironischerweise ist es der eingeschränkte Rechtsschutz für Immigranten und Flüchtlinge, der die Ausweisung Zündels juristisch einfach macht. Für die Zurückweisung von Flüchtlingen aus Gründen der nationalen Sicherheit braucht es keine Beweise. Es genügt »die begründete Annahme, dass die Tatbestände vorgelegen haben, vorliegen oder in Zukunft vorliegen könnten«. Außerdem lässt das nach dem 11. September 2001 verschärfte Gesetz keine Berufung gegen die Entscheidung mehr zu. Und so wird Zündel vermutlich schon bald sein Vaterland wiedersehen.

www.jungle-world.com
Jungle World (Nummer 21 vom 14. Mai 2003)

DG / hagalil.com / 2003-05-14

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