Verfassungsschutz:
Rechtsradikale Gewalt steigt an
Verfassungsschutzbericht 2002: Rechts gibts mehr Gewalt und
Subkultur, dafür weniger Propaganda und Partei. Links wurden weniger Autonome
und Castor-Straftaten gezählt. Auch bei Ausländern nehmen Extremisten und
Gewalttaten ab...
Ulrike Winkelmann
Mecklenburg-Vorpommern ist unter Kontrolle. "Auch von dort sind Zahlen gemeldet
worden", sagte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gestern bei der Vorstellung
des Verfassungsschutzberichts 2002. Noch für den letztjährigen Bericht hatten
die Schweriner keine einzige rechtsextremistische Gewalttat gemeldet. Dadurch
war ihnen ein stolzer letzter Platz in der Länderstatistik sicher. Dies lag
jedoch nicht an der Aggressionsarmut der Mecklenburger und Vorpommern, sondern
an bundesweit stark unterschiedlichen Definitionen von rechtem Extremismus.
Für dieses Jahr dagegen wurden immerhin 15 rechte Gewalttaten aus Schwerin
gemeldet. Schily sagte gestern: "Ich glaube, dass das ins Lot gebracht worden
ist." Er habe die Bundesländer um "realistische Zählweisen" gebeten. Wie
realistisch, dürfte jedoch umstritten bleiben. Laut neuem
Verfassungsschutzbericht gibt es in Mecklenburg-Vorpommern weniger
Rechtsextremismus als etwa in Niedersachsen, Bremen oder im Saarland.
Als "uneinheitlich" bewertete Schily die "Entwicklung links- und
rechtsextremistischer Bestrebungen im Jahr 2002". So ist etwa am rechten Rand
die Zahl der erfassten Straftaten insgesamt zurückgegangen: Von 14.725 im Jahr
2001 auf 12.933 im Jahr 2002. Die Teilmenge der rechtsextremistisch motivierten
Gewalttaten jedoch ist um 8,9 Prozent angestiegen: Von 709 im Jahr 2001 auf 772.
Auch die Zahl der rechten Köpfe verwirrt etwas: Zwar ist das
"rechtsextremistische Personenpotenzial" insgesamt um 10 Prozent auf 45.000
organisierte und nichtorganisierte Rechte geschrumpft. Die rechten Parteien
verlieren ebenfalls Mitglieder und Bedeutung. Die Zahl der "subkulturell
geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten", vor allem der
Skinheads, ist jedoch mit 10.700 Personen um 3 Prozent gestiegen. Als
"Einstiegsdroge" gelten vor allem Konzerte von rechten und Skinhead-Bands, die
erstmals seit 1999 wieder verstärkt auftreten. Ein Trend für den Bereich
"Rechts" müsste also ungefähr "mehr Gewalt, mehr Subkultur, weniger gezählte
Hakenkreuze und weniger Partei" heißen.
Bei den beobachteten linken Szenen sieht es anders aus. Insgesamt rechnen die
Behörden 31.100 Personen dem "linksextremistischen Potenzial" zu (2001: 32.900).
Die Zahl der "gewaltbereiten Linksextremisten, die sich selbst mehrheitlich als
Autonome bezeichnen", sei von 7.000 auf 5.500 Personen zurückgegangen.
Gleichzeitig begingen sie weniger Gewalttaten: nach 750 im Jahr 2001 waren es
385 im Jahr 2002. Weder Atomkraft oder Castor-Transporte noch
globalisierungskritische Veranstaltungen haben die Gewaltstatistik genährt, der
Bereich "Links gegen Rechts" macht den Löwenanteil aus. Schily wies gestern
darauf hin, dass die Globalisierungskritiker häufig selbst "eine gewisse
Distanzierung" zu Gewalttätern übten. Verfassungsschützer Fromm erklärte, man
beobachte eine rege Diskussion "in der Szene, ob man zu personenbezogenen
Anschlägen zurückkehren" wolle. Ein Ergebnis gebe es noch nicht.
Auch beim so genannten Ausländer-Extremismus erfassten die Behörden weniger
Mitglieder und Anhänger. Bei 69 Organisationen zählten sie 57.350 Menschen
(2001: 59.100) und verzeichneten damit erstmals einen Rückgang. Die weiterhin
stärkste Organisation ist die türkische "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs"
(IMGM) mit 26.500 Mitgliedern. Uneinheitlich jedoch ist die Entwicklung der
Straftaten: leichter Anstieg insgesamt von 511 im Jahr 2001 auf 573 im Jahr
2002, leichter Rückgang bei den Gewalttaten von 84 im Jahr 2001 auf 61 im Jahr
2002.
Pflichtschuldig bemerkte Schily, dass internationaler islamistischer Terrorismus
weiterhin als starke Bedrohung "auch deutscher Interessen" betrachtet werde. Und
natürlich werde die Regierung dafür sorgen- gerade nach den Anschlägen in Riad
-, dass beim Besuch des US-Außenministers Powell "alles Notwendige" getan werde,
damit dieser "sicher und gesund das Land wieder verlassen" könne.
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TAZ vom 14.05.2003
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/ 2003-05-15
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