Skinheads Sächsische Schweiz:
Neonazis als "kriminell" verurteilt
Landgericht verhängte über die Führungsriege der Skinheads
Sächsische Schweiz (SSS) nach Überfällen Bewährungsstrafen. Neonazis wurden
erstmals als "kriminelle Vereinigung" eingestuft. Verfassungsschutz verweigerte
Auskunft über V-Männer...
Heike Kleffner
Nach überraschenden Geständnissen endete der erste Prozess gegen die
Führungsriege der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) gestern vor dem Landgericht
Dresden mit Bewährungsstrafen zwischen eineinhalb und zwei Jahren. "Auch ohne
die Geständnisse wäre es zu Verurteilungen gekommen", sagte der Vorsitzende
Richter Tom Maciejewski. Die Strafen wären dann vermutlich höher ausgefallen.
Ausdrücklich kritisierte der Richter das sächsische Innenministerium, das sich
geweigert hatte, die Frage nach V-Männern des Verfassungsschutzes in der SSS zu
beantworten.
Die Angeklagten im Alter von 24 bis 31 Jahren hatten Anfang Mai nach über
zehnmonatiger Prozessdauer eingeräumt, Mitglieder einer "kriminellen
Vereinigung" namens SSS gewesen zu sein sowie 1998 und 1999 drei Überfälle auf
junge Linke in Pirna und Umgebung verübt zu haben. Im Gegenzug hatten sich
Gericht und Staatsanwaltschaft auf eine Begrenzung des Strafmaßes auf
Bewährungsstrafen mit einer Bewährungszeit zwischen zwei und vier Jahren
eingelassen. Zwei erwachsenen Angeklagten wurden die Prozesskosten auferlegt.
Drei weitere Angeklagte müssen gemeinnützige Arbeit leisten und Geldstrafen bis
zu 1.200 Euro zahlen.
Die Staatsanwaltschaft hatte den zunächst sieben Angeklagten neben der
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schwere Landfriedensbrüche,
Körperverletzung, Volksverhetzung und Nötigung vorgeworfen. Das Dresdener Urteil
markiert ein Novum: Zum ersten Mal wird eine rechtsextreme Gruppierung, die seit
dem Frühjahr 2001 verbotene SSS, als "kriminelle Vereinigung" eingestuft.
Die Straftaten der rund 100 Mitglieder umfassenden SSS seien das Ergebnis einer
militanten Haltung, die sich im Auftreten der Organisation ausgedrückt habe, so
Oberstaatsanwalt Jürgen Schär im Plädoyer. Die Neonazigruppe sei eine straff
organisierte, militärisch geprägte Gruppe mit Aufbauorganisationen für
Neueinsteiger und Führungskader gewesen. Ihr Ziel: die Sächsische Schweiz von
Ausländern, Drogenabhängigen und linken Jugendlichen "zu säubern".
Bei der Wahl der Mittel war die SSS wenig zimperlich. Neben einem
"Zeckenerfassungsprogramm", in dem der Angeklagte Thomas R., 24, persönliche
Details über junge Linke gesammelt hatte, wurden unter anderem Wehrmärsche und
Schießübungen durchgeführt.
Die Verteidiger hatten trotz der Geständnisse ihrer Mandanten versucht, die
Bedeutung der Schuldeingeständnisse herunterzuspielen. Die Angeklagten hätten
die finanziellen und sozialen Belastungen durch einen "Prozess mit ungewissem
Ausgang" nicht mehr ausgehalten.
Diejenigen, die über Jahre hinweg in der Sächsischen Schweiz eine rechte
Hegemonie durchsetzten, erschienen da als "ausgegrenzte und stigmatisierte
Skinheads". Das war Grund genug für drei linke Jugendliche, die als Opfer von
SSS-Angriffen im Prozess als Nebenkläger auftraten, und für die Pirnaer "Aktion
Zivilcourage", darauf hinzuweisen, dass bei den Angeklagten bis heute keinerlei
Reue oder Bedauern zu spüren sei. Zudem gingen rechte Aktivitäten in der Region
weiter. Derzeit wird die Bildungsstätte "Zirkelstein" der Naturfreundejugend von
Neonazis bedroht.
Deutlich wurde im Prozess, dass SSS-Mitglieder keine sozialen Randfiguren sind.
So war etwa der als SSS-Rädelsführer verurteilte 28-jährige Thomas Sattelberg
als Sozialarbeiter bei der AWO in Pirna beschäftigt. Noch stehen zwei weitere
Prozesse gegen SSS-Mitglieder aus.
www.taz.de
TAZ vom 23.05.2003
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/ 2003-05-28
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