Tutzinger Medientage:
Rechtspopulisten und ihre mediale Inszenierung
Rechtspopulisten sind erfolgreich. Silvio Berlusconi in
Italien, Jörg Haider mit seiner FPÖ. Dass Le Pen in Frankreich nicht Präsident
wurde, verdankt er nur einem breiten politischen Bündnis, das seine Wahl
verhinderte. Pim Fortuyn schaffte es auf Anhieb, so populär wie kein anderer
Politiker in den Niederlanden zu werden. Möllemanns oder Schills politische
Erfolge in Deutschland nehmen sich vergleichsweise bescheiden aus. Aber auch
ihnen, vor allem Möllemann, gelang es, in den Medien Themen zu setzen....
Christina Oberst-Hundt
Wer sind diese „neuen Verführer“? Wie agieren sie politisch? Worauf beruhen ihre
Erfolge und welche Rolle spielen hierbei die Medien? Das sind Fragen, auf die
auch auf den diesjährigen Tutzinger Medientagen im April Antworten gesucht
wurden.
Antidemokratisch, rassistisch, antisemitisch: das sind Begriffe, die sich
nahtlos mit dem Begriff ‚rechtsextremistisch’ verbinden. ‚Rechtspopulismus’
lässt sich weniger leicht einordnen, zumal seine Protagonisten durchaus
unterschiedlich auftreten. Dennoch sieht ihn der Politologe Lars Peter Rensmann,
lediglich als „eine salonfähigere Spielart des Rechtsextremismus“. Er „steht und
fällt mit dem Guru an der Spitze“. Rechtspopulisten mobilisieren in der
Bevölkerung latent vorhandene Ressentiments, sie bekämpfen ‚das Establishment’,
geben sich als ‚Tabubrecher’ und sagen‚ was das Volk in Wirklichkeit denkt’.
Hierbei sind sie sehr wohl in der Lage, auf unterschiedliche Bedürfnisse und
Problemlagen einzugehen. Sie nötigen nicht zum radikalen Bruch mit dem
politischen System, sondern demonstrieren sich als „echte Demokraten“. So
gelingt es ihnen, sich differenzierter und flexibler zu geben als in ihre
Ideologie verbissene Rechtsextreme.
Nationalpopuläres Themen-Gemisch
Medien dienen ihnen zur Selbstinszenierung und als Plattform ihrer Politik, die
sie auch wirksam verkaufen können, wenn es ihnen gelingt, sich als Medienopfer
darzustellen. Rechtspopulisten sind Produkte von Medienmacht, die ihnen im
‚Idealfall’ selbst gehört.
Berlusconi zum Beispiel beherrscht den italienischen Medienmarkt. Ihm gehören
nahezu alle privat-kommerziellen Fernsehsender, wichtige Zeitungen, die größte
Werbeagentur, die größte Kinokette. Seine Regierung vereinigt die rechtesten
Kräften Italiens, einschließlich der Neofaschisten. In seiner Doppelfunktion:
Ministerpräsident und Medienmogul, ist er inzwischen dabei, sich die Justiz
gefügig zu machen, demokratische Rechte einzuschränken und das öffentliche
Fernsehen, RAI, nach seinen Vorstellungen umzustrukturieren. „Entpolitisierung“,
so die Journalistin Birgit Schönau „ist das entscheidende Stichwort zu Italien
und seinen Medien“. Berlusconis Rechtspopulismus setzt nicht auf Ausgrenzung,
sondern auf gesellschaftlichen Konsens. Er regiert Italien wie ein
charismatischer Chef seine Firma, medial abgesichert durch Personenkult und
Hofberichterstattung. Rechtsextremismus und andere gesellschaftliche Probleme
werden vom Fernsehen weitgehend ignoriert, Berlusconis Missachtung
demokratischer Institutionen, insbesondere der Justiz, dagegen latent gestützt.
Fundierte politische Berichterstattung ist einem nationalpopulären
Themen-Gemisch gewichen, das vor allem in den täglichen Talkshows seine
entpolitisierende Wirkung entfalten kann.
Rechtspopulisten setzen unterschiedliche Schwerpunkte, sie alle aber bereiten
den Boden, auf dem rechtsextremistisches Gedankengut gedeihen kann. Pim Fortuyn,
der schwule Dandy mit Nadelstreifenanzug und Schosshündchen, hetzte gegen den
Islam und forderte Umerziehungslager für ausländische Kriminelle. Möllemann gibt
sich als Anwalt der Palästinenser und reaktiviert zugleich antisemitische
Vorurteile. Haider verharmlost die NS-Vergangenheit, unter die ‚endlich’ ein
Schlussstrich zu ziehen sei.
Nach gängigem Muster
Durch medial gestützte Selbstinszenierung und agenda setting gelingt es
Rechtspopulisten weit mehr als nach gängigem Muster auftretenden
Rechtsextremisten, Diskursgrenzen neu zu bestimmen und politisch Einfluss zu
nehmen – so wird der Begriff ‚Sozialschmarotzer’ schon in seriösen Medien
verwendet. Es gelingt, das demokratische Parteiengefüge aufzuweichen
(Regierungskoalitionen mit Rechtspopulisten sind kein Tabu mehr), Nationalismus
(‚stolz sein, ein Deutscher zu sein’) und Xenophobie (‚es gibt zu viele
Ausländer’) als ‚normal’ zu etablieren. Sie schaffen es, in anderen Parteien die
Bereitschaft zu fördern, rechtsextremistische Themen lieber selbst aufzugreifen
wie im Falle Roland Kochs Wahlkampf-Umfrage gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft und die politische Kultur mit antidemokratischen Begriffen
wie „Leitkultur“ auszuhöhlen. Rechtspopulisten treten anders auf als
Rechtsextremisten. Sie sind flexibler, wirken moderner, interessanter,
vielleicht sogar sympathischer. Weniger gefährlich sind sie nicht.
www.verdi.de/m
«M» MENSCHEN - MACHEN - MEDIEN 06/2003
kt /
hagalil.com
/ 2003-05-22
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