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Judentum und Israel
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Wolfgang Wippermann:
"Nolte ist nur eine Stimme von vielen"

Gespräch mit dem Professor für Neuere Geschichte Wolfgang Wippermann...

Detlef D. Kauschke

Der umstrittene Historiker Ernst Nolte hat in einem Vortrag in Rom, Israel mit Hitler-Deutschland gleichgesetzt. Der einzige Unterschied zwischen Israel und dem Deutschen Reich könne Auschwitz sein, so Nolte. War das nur ein Ausrutscher?
Wippermann: Das war eine Äußerung in einer ganzen Reihe ähnlicher Aussagen. Also auf keinen Fall ein Ausrutscher. Ich habe bei Nolte promoviert, er war mein Doktorvater. Ich habe ihn damals bewußt gewählt. Mein eigener Vater war Offizier der Waffen-SS und Nolte war weder Soldat noch Nazi gewesen. Von daher war es eine Wahl, die ich bewußt getroffen habe. Aber die weitere Entwicklung Noltes wie auch seine jüngsten Äußerungen haben mich geradezu entsetzt.
Hitler habe die Juden als Feinde gesehen, weil sie die Herren der internationalen Hochfinanz seien, der Irak-Krieg sei auf den Einfluß der jüdischen Lobby in den USA zurückzuführen - auch diese Auffassungen vertrat Nolte erneut. Wie ist das einzuordnen?
Wippermann: Wenn diese Äußerungen stimmen, ist das natürlich völlig untragbar. Das sind antisemitische Verschwörungstheorien. Das sind altbekannte Aussagen, sozusagen die Fortsetzung der "Protokolle der Weisen von Zion". Noltes Argumentation war früher eigentlich eine andere: Er hat von Anfang an gesagt, der Faschismus sei primär antikommunistisch. Und dann hatte er Probleme, den Holocaust zu erklären. Nolte verstieg sich darin, zu sagen, die Juden seien selber schuld, sie hätten Deutschland den Krieg erklärt. So machte er die Opfer zu Tätern. In diese Reihe ordnet er jetzt Israel ein. Und damit steht er leider nicht ganz allein.
Nolte war es auch, der 1986 mit seinem FAZ-Artikel den "Historikerstreit" um die Singularität des Holocaust ausgelöst hatte. Will er die deutsche Geschichte entsorgen?
Wippermann: Sein eigentliches und wichtiges Anliegen war immer, zu verdeutlichen, daß der Kommunismus das eigentliche Übel des zwanzigsten Jahrhunderts war. Daher hatte der Faschismus nach Noltes Logik eine gewisse Rechtfertigung, sich gegen den Kommunismus zu wehren. Die beiden Diskurse, die Nolte damit bedient, sind die Relativierung des Holocaust und die Umkehrung von Opfern und Tätern.
Sie kennen ihn sehr gut. Der Mann ist mittlerweile achtzig Jahre alt. Ist er ein Provokateur, eine tragische Figur, ein störrisches Überbleibsel oder ein Antisemit, der nur das artikuliert, was viele denken?
Wippermann: Nolte ist störrisch und eitel. Aber in vieler Hinsicht bedient er bestimmte Stimmungen und Ressentiments: Juden und Israel, die eigentlich Opfer sind, werden zu Tätern gemacht. Diese Umkehrung ist weit verbreitet, Nolte ist nur eine Stimme von vielen.

www.juedische-allgemeine.de
Jüdische Allgemeine vom 21.Mai 2003

kt / hagalil.com / 2003-05-22

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